EM

England zittert vor Elfmeterschießen

SID
Roy Hodgson und seine Spieler verließen mit hängenden Köpfen den Platz
© getty

Roy Hodgson war not amused. Als kurz vor Mitternacht Gelächter durch die Stadiongänge hallte, konnte sich der Teammanager der Three Lions nur mühsam ein Lächeln abringen. Erst eine Stunde stand England in der K.o.-Runde der EM - und schon war die Angst vor einem "Brexit" durch ein Elfmeterschießen da. Der Gentleman Hodgson schien fassungslos.

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Doch der 68-Jährige musste sie beantworten, die mit typisch britisch-bissigem Humor gestellte Frage nach der Form seiner Profis vom Punkt. "Ehrlich gesagt", bekannte er nach dem 0:0 seiner "1B"-Auswahl im letzten Gruppenspiel gegen die Slowakei, "üben wir gar kein Elfmeterschießen."

Denn "Elfmeterschießen im Training und bei einem wichtigen Spiel vor Millionen Zuschauern sind schließlich zwei sehr unterschiedliche Dinge - wer wüsste das besser, als wir Engländer."

Nach einer kurzen Pause legte Hodgson nach, kämpferisch und mit ernstem Tonfall, um jede weitere Diskussion zu diesem leidigen Thema im Keim zu ersticken. "Nur weil wir zweimal unentschieden gespielt haben und unsere Chancenverwertung bis jetzt nicht die beste war, sind wir sind nicht dazu verdammt, in ein Elfmeterschießen gehen zu müssen", sagte der Coach: "Wir können in der regulären Spielzeit gewinnen. Die Zeit unserer Stürmer wird kommen. Sie werden treffen!"

"Hodgson hat sich verzockt"

Ob Hodgson mit dieser Ansage seine Kritiker überzeugen konnte, ist mehr als fraglich. Schließlich hat sich der Teammanager, über dessen Zukunft das EM-Abschneiden entscheidet, mit seinem Taktieren angreifbar gemacht. Im Vergleich zum Sieg im Bruderduell gegen Wales (2:1) veränderte er sein Team gegen die Slowakei gleich auf sechs Positionen. Kapitän Wayne Rooney saß fast eine Stunde auf der Bank, die Wales-Joker Jamie Vardy und Daniel Sturridge stürmten unter den Augen von Prinz William von Beginn an - diesmal ohne Erfolg.

In der Heimat kam "Roys Rotation" gar nicht gut an. Die Medien gaben ausnahmslos Hodgson und seiner "Zockerei" die Schuld dafür, dass England nach zwei Unentschieden und einem Sieg nur den zweiten Platz in der Gruppe B hinter Wales belegte. "Nur die zweite Geige! Hodgson hat sich verzockt", schrieb das Massenblatt The Sun. Fast wortgleich schlossen sich alle anderen Zeitungen dieser Meinung an.

Noch weit nach Mitternacht war Hodgson deshalb im Gespräch mit den Journalisten um Schadensbegrenzung bemüht, immer wieder musste er dabei seine Marschroute rechtfertigen.

Die Angst ist da

"Natürlich frustriert mich die Chancenverwertung. Aber hätten die anderen getroffen? Hätte Wayne Rooney eine der Chancen genutzt? Ich hätte es doch niemandem Recht machen können", sagte der Coach, "hätte ich Vardy und Sturridge nicht spielen lassen, wäre mir doch das vorgeworfen worden."

Dass den Engländern als Gruppenzweiter mit Blick auf die möglichen Gegner (Portugal, Ungarn, Island, Österreich) nun ein härterer Brocken droht, wollte Hodgson nicht wahrhaben. "Wir sind in der K.o.-Runde, und wir sind ungeschlagen. Das ist es, was wir wollten", sagte der Coach: "Und jetzt nehmen wir mit Freude jeden Gegner, der da kommt."

Doch die Angst ist da. England hat in großen Turnieren nur 14 Prozent seiner Elfmeterschießen gewonnen (Deutschland 83). Im Auftrag der Sun hat ein Experte sogar schon ausgerechnet, wie die Engländer ihre Elfmeter schießen sollten. Rechts oben, 65 Zentimeter unterhalb der Latte, 65 Zentimeter links vom Pfosten - dorthin soll der Ball.

Über die lange Liste der englischen Dramen vom Elfmeterpunkt wollte Hodgson aber lieber nicht reden. Dass ausgerechnet Stuart Pearce, einer der tragischen Helden dieser unendlichen Geschichte, hundert Meter weiter schon interviewt wurde, wusste Hodgson nicht - vielleicht war das auch besser so.

Slowakei - England: Die Statistik zum Spiel

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