EM

Neustädter in russischer Wagenburg

SID
Roman Neustädter will mit dem russischen Team den Fokus wieder auf den Fußball legen
© getty

Roman Neustädter mag sich wundern, wo er da gelandet ist. Kaum spielt der Bundesligaprofi von Schalke 04 für Russland, hat er schon die Schattenseiten seiner neuen sportlichen Heimat kennengelernt.

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"Einfach schrecklich" nannte der 28-Jährige die Bilder von den Krawallen russischer Hooligans in Marseille, er fragte sich: "Wir haben natürlich eine Vorbildfunktion, aber wie soll ich für diese Leute noch Vorbild sein? Wir können diese Schläger gar nicht erreichen."

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Vor dem zweiten Gruppenspiel der Sbornaja am Mittwoch (15 Uhr) gegen die Slowakei in Lille fällt nicht nur dem Neu-Russen, dessen Einbürgerung erst kurz vor der EM vom Staatspräsidenten Wladimir Putin höchstpersönlich genehmigt worden war, die Konzentration aufs Sportliche schwer. Die massiven Ausschreitungen rund um das Auftaktspiel gegen England (1:1) und die Sanktionen der UEFA belasten auch die Spieler.

"Klar, es ist Europameisterschaft, jeder ist verrückt nach Fußball und die Emotionen kochen hoch. Aber warum schlagen sich die Menschen dafür die Köpfe ein?", fragte sich Neustädter in seinem Internet-Tagebuch für Vice Sports. Seit Dienstag ist klar: Sollte es erneut zu Krawallen russischer Fans im Stadion kommen, wird die Sbornaja ausgeschlossen.

"Wollen keine Politik im Fußball"

Seine Teamkollegen bauen sich dagegen eine Wagenburg. Stürmer Artjom Dzyuba verteidigte die eigenen Anhänger vehement und attackierte die britischen Medien: "Sie stellen die englischen Fans als Engel dar." Das sei "wahrscheinlich" politisch motiviert, meinte der Angreifer von Zenit St. Petersburg: "Sie sprechen über die WM 2018 und dass sie Russland vielleicht weggenommen werden muss." England hatte im Rennen um die Ausrichtung der WM-Endrunde in zwei Jahren den Kürzeren gezogen. Außerdem wolle er über Sport sprechen: "Wir wollen keine Politik im Fußball, lasst uns über Fußball reden und nicht über Straßenschlachten."

Auch aus der Heimat kamen von hoher Stelle Verständnis und sogar Unterstützung für die Krawallmacher. "Ich kann nichts Schlimmes an kämpfenden Fans finden. Eher im Gegenteil. Bravo Jungs. Macht weiter so!", twitterte Igor Lebedew, Vize des russischen Parlaments und RFS-Vorstandsmitglied. Die Hooligans hätten "die Ehre ihres Landes verteidigt".

Sportlich ist die Situation für den WM-Gastgeber 2018 nach dem späten Ausgleichstor von Vasili Berezutski gegen England dagegen aussichtsreich. Mit einem Sieg gegen den EM-Neuling Slowakei könnte es für Neustädter und Co. schon zum Achtelfinaleinzug reichen. Mindestens Platz drei wäre den Russen dann sicher. "Ein Punkt bedeutet noch nicht sehr viel", mahnte allerdings der Torschütze.

Schwieriger ist die Lage für die Slowaken. Das Team um Mittelfeldstar Marek Hamsik muss nach dem 1:2 gegen Wales punkten, um im Rennen um die K.o.-Runde zu bleiben. "In diesem Spiel können wir zeigen, wie stark wir sind, im Kopf und auf dem Fußballplatz", sagte Trainer Jan Kozak und kündigte an: "Es wird definitiv Veränderungen geben."

Ondrej Duda, der gegen Wales als Joker traf, könnte von Beginn an spielen, der genesene Tomas Hubocan den Kölner Dusan Svento aus der Viererkette verdrängen. Letztlich wird aber alles vom Neapel-Star Hamsik abhängen, der beim Auftakt enttäuschte.

Roman Neustädter im Steckbrief

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