EM

"Ecke gegen England war Verbrechen"

Steve McClaren wurde zu Beginn seiner Trainerkarriere von Sir Alex Ferguson zu United geholt
© getty

Steve McClaren lernte von den besten Trainern der Welt. Bei seiner riesigen Chance als Chefcoach verpasste er 2008 mit England die EM-Qualifikation. Im Interview spricht er über den zu schnellen Umbruch, Sir Alex Fergusons falsches Bild in den Medien, das harte Pflaster Wolfsburg und wie Roy Hodgson das schaffte, was McClaren einst plante.

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SPOX: Herr McClaren, nachdem Sie sehr erfolgreiche Jahre in Twente erlebten, wurden Sie 2010 Trainer in Wolfsburg. War das zu dem Zeitpunkt der falsche Schritt oder würden Sie die Entscheidung heute wieder so treffen?

Steve McClaren: Die Chance war zu groß, als dass ich sie hätte ausschlagen können. Wolfsburg ist ein großer und ambitionierter Klub. Ich glaube schon, dass der Zeitpunkt der richtige war. Es war eine große Herausforderung und natürlich eine Ehre, in Deutschland zu trainieren. Die Erfahrung hat mir auf jeden Fall weitergeholfen.

SPOX: Wie schwer fiel es Ihnen aber, sich an die Arbeit in der Bundesliga zu gewöhnen?

McClaren: Die ersten sechs Monate in Wolfsburg waren die härtesten meines Fußball-Lebens. Sprache, Kultur, Spielweise: Ich musste mich komplett umstellen. Nach der Winterpause fühlte ich mich aber viel besser. Ich kannte das Team und den deutschen Fußball schon deutlich besser. Zuvor kannte ich es zum Beispiel nicht, dass ein Verein extra einen Sportdirektor hat. Das macht in England auch der Trainer. Leider haben wir aber nicht die Ergebnisse eingefahren, die es gebraucht hätte, mir den Job zu retten.

SPOX: Können Sie sich vorstellen, eines Tages in die Bundesliga zurückzukommen?

McClaren: Ich liebe neue Erfahrungen im Fußball und finde deutschen Fußball fantastisch. Ich glaube, ich könnte mit der Aufgabe deutlich besser umgehen, sollte ich noch einmal die Möglichkeit erhalten, in der Bundesliga zu trainieren. Ich habe jetzt bereits ein wenig Erfahrung. Die Eingewöhnungszeit, die ich in Wolfsburg brauchte, würde diesmal wegfallen.

SPOX: Die brauchten Sie sicher auch, als Sie zu Beginn Ihrer Trainerkarriere in Manchester Sir Alex Fergusons Co-Trainer wurden. Wie kam es dazu?

Steve McClaren: Ich habe als Co-Trainer bei Derby County unter Jim Smith begonnen und war etwa viereinhalb Jahre dort. Völlig aus dem Nichts kam der Anruf von Sir Alex. Vom einen auf den nächsten Tag war ich plötzlich bei Manchester United.

SPOX: Kannten Sie sich schon vorher oder wieso rief er ausgerechnet Sie an?

McClaren: Nein, ich kannte ihn nicht persönlich. Ich denke, er hat einfach seine Hausaufgaben gemacht und mich dann ausgewählt. Ich wurde Nachfolger von Brian Kidd, der eine Legende bei United war. Das machte es nicht unbedingt leichter, zumal niemand meinen Namen kannte und erst recht niemand dachte, dass ich diesen Posten übernehmen würde. Von daher war ich große Beweise schuldig - gegenüber dem Klub, den Spielern, aber auch den Medien. Ich musste zeigen, dass ich diesem Job gewachsen bin.

SPOX: In Ihrer ersten Saison gewannen Sie direkt die Premier League, den FA Cup und die Champions League. Besser hätte es nicht losgehen können.

Steve McClaren: Absolut nicht. Ich hatte großes Glück, in dieser Mannschaft arbeiten zu können. Neben dem Triple hat es das Team auch geschafft, in der Rückrunde kein einziges Spiel zu verlieren.

SPOX: Würden Sie den Schritt zu Manchester United als wichtigsten Ihrer Karriere beschreiben?

McClaren: Auf jeden Fall, ohne den geringsten Zweifel. Es gab immer die Möglichkeit, als Cheftrainer zu einem Erstligisten zu wechseln. Aber Manchester United war eine ganz andere Hausnummer. Sie waren damals der beste Klub in Europa, vielleicht sogar der Welt. Das ist der Gipfel des Coachings und brachte mich unter anderem auch dazu, später Nationaltrainer zu werden. In Sachen Trainingslehre war es auf jeden Fall der Durchbruch. Ich habe dort auf dem höchsten Level trainiert.

SPOX: Wie war es, mit Sir Alex zusammenzuarbeiten? War er ein sehr impulsiver Trainer?

McClaren: Nein, überhaupt nicht. Es war fantastisch, mit ihm zu arbeiten. Alles, was man über ihn liest oder von ihm sieht, entspricht nicht seiner eigentlichen Art. Die Medien geben Sir Alex nicht richtig wieder. Hinter den Kulissen ist er das komplette Gegenteil. Sobald man bei Manchester United ist, gibt er einem das Gefühl, Teil der Familie zu sein. Genau so behandelt er Dich auch. Er hatte diesen Klub in seinem Blut. Er war wirklich ein guter Arbeitskollege.

SPOX: Warum gab es aber ein anderes Bild von ihm in der Öffentlichkeit - ein eher schroffes?

McClaren: Ich glaube, man hat ihn in den Medien immer nur rund um den Spieltag gesehen, wenn er sehr fokussiert und ehrgeizig war. Da war er auch extrem wetteifernd und robust. Er ist kein guter Verlierer. (lacht) Bei allem Siegeswillen war er aber immer sehr fair.

SPOX: Was an ihm hat Sie für Ihre spätere Arbeit am meisten inspiriert?

McClaren: Ich glaube, sein Umgang mit Leuten. Er hat jeden Spieler und Mitarbeiter ganz bewusst gewählt und im Gegenzug aber auch konsequent erwartet, dass jeder seine Aufgaben erledigte. Wenn nicht, hatte man ein Problem. (lacht) An meinem ersten Tag in Manchester war ich noch etwas verunsichert. Ich wusste nicht, was Sir Alex genau von mir erwartete, also fragte ich ihn. Er sagte: 'Ich habe dich zum coachen hierhergeholt, also geh einfach raus und coache. Das, was du bei Derby gemacht hast, machst du einfach auch hier.' Was mich auch immer fasziniert hat, war seine Arbeitsmoral.

SPOX: Beschreiben Sie sie.

McClaren: Oft ist es so, dass man selbstgefällig wird, wenn man viele große Erfolge feiert. Das ist im Fußball ja fast schon eine Krankheit. Bei Sir Alex war das nie der Fall. Er war immer der Erste auf der Arbeit und der Letzte, der das Gelände verließ. Nach dem Champions-League-Gewinn im Triple-Jahr saßen wir am nächsten Morgen in der Früh schon wieder im Büro, um die neue Saison zu planen. Es gab keine großen Feierlichkeiten, er hat immer an die nächsten Schritte gedacht. Es musste weitergehen.

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