EM

Kritik an Doping-Kontrollen bei EM

SID
An den Doping-Kontrollen für die EM 2016 gibt es erste Kritik
© getty

Das Thema Doping hält seit Wochen und Monaten die Sportwelt im Griff. Bei der EM in Frankreich verweist die UEFA auf umfangreiche Kontrollen, doch das System steht in der Kritik.

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Schon lange vor Anpfiff des Eröffnungsspiels hatte das Thema Doping auch die Fußball-EM erreicht. Mamadou Sakho, Innenverteidiger der französischen Nationalmannschaft, verpasst das Turnier im eigenen Land - wegen eines positiven Dopingtests. Zwar wurde die Suspendierung des 26-Jährigen vom FC Liverpool inzwischen aufgehoben, eine Nominierung kam für den französischen Nationaltrainer Didier Deschamps allerdings nicht mehr in Frage.

"Wir sind sehr gespannt, wie der Fußball diesen offensichtlichen 'Unfall' bei Sakho verkauft. Alles andere als ein skandalöses Vorgehen der Fußballverbände würde mich wundern", sagte der Pharmakologe und Anti-Doping-Experte Fritz Sörgel dem SID. Das Misstrauen sitzt tief - auch gegenüber dem Doping-Kontrollsystem der UEFA bei der EM.

Mehrere hundert Kontrollen soll es vor und während des Turniers in Frankreich geben, zudem wurde erstmals ein Athletenpass eingeführt - doch ein grundlegender Interessenskonflikt bleibt: Sowohl die Durchführung der Tests als auch der Umgang mit den Ergebnissen liegt in den Händen des europäischen Verbandes. Allerdings sollen mögliche positive Fälle auch an die Welt-Anti-Doping-Agentur WADA gemeldet werden: Eine Vertuschung von Dopingvergehen wäre damit unmöglich.

Doping im Fußball unterschätzt

Mauscheleien "möchte ich niemandem unterstellen", sagte Andrea Gotzmann, Vorsitzende der NADA und Mitglied im Anti-Doping-Beratergremium der UEFA. "Mein Eindruck ist, dass dort gute Arbeit geleistet wird. So transparent ist das System." Allerdings sieht auch sie Verbesserungsbedarf: "Wir in Deutschland fordern, dass die nationalen Verbände sowohl Test- als auch Ergebnismanagement an die neutralen Institutionen abgeben. International ist das nicht der Fall. Diese Interessenskonflikte müssen aufgelöst werden."

Die UEFA selbst verweist auf SID-Anfrage auf die "umfangreichsten" Dopingkontrollen, die es je in einer Mannschaftssportart gegeben habe. Insgesamt 800.000 Euro lässt sich die UEFA das Anti-Doping-Programm bei der EM kosten. Auch habe sie eine Einladung an die WADA geschickt, diese habe allerdings abgelehnt, eigene Beobachter nach Frankreich zu schicken. Nach Angaben der UEFA habe die WADA "volles Vertrauen in das Anti-Doping-Programm" und fokussiere "ihre Ressourcen auf die Olympischen Spiele in Rio".

Für Sörgel reichen die Anstrengungen allerdings keinesfalls aus. "Das gesamte Management des Dopingtests gehört keineswegs, auch nicht in Teilen!, in die Hände eines Verbandes. Das ist für mich eigentlich nicht akzeptabel, dass die UEFA das Ergebnismanagement im Griff hat", sagte er: "Ich hatte gedacht, dass wir diese Zeiten hinter uns gelassen hätten. Von der UEFA muss man auch erwarten, dass sie das an eine kompetente und vor allem unabhängige Anti-Doping-Agentur gibt." Der Fußball unterschätze dabei das Dopingproblem keinesfalls: "Im Gegenteil: Sie nehmen es sehr ernst. Deswegen wollen sie das alles selbst im Griff behalten - damit nichts Unvorhergesehenes passiert."

Selbst das IOC will einen eigenen Interessenkonflikt ausräumen. Präsident Thomas Bach spricht sich seit längerem für eine komplett unabhängigen Kontrollinstanz aus. Allerdings steht das IOC auch seit den massiven Dopingvergehen russischer Sportler verstärkt unter Druck. Solch spektakuläre Fälle fehlen im Fußball noch.

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