EM

Bierhoff reloaded & Matthäus' Jünger

Von Johannes Raif
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© getty

Nach 20 Jahren trifft wieder ein deutscher Joker bei der EM, Ronaldo wird zum Rekordspieler und Ibras Schweden legen sich auf die faule Haut. Wir schauen auf Zahlen, Fakten und kuriose Statistiken der ersten zwölf EM-Spiele zurück.

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Wo bleiben die Tore? In Sachen Tore schießen hielten sich die Teams am ersten Spieltag vornehm zurück - mit durchschnittlich 1,83 Toren pro Partie steuert die diesjährige Europameisterschaft auf einen neuen historischen Tiefstwert hin. Dachte man vor der EM noch, dass die vermeintlichen Fußball-Zwerge nach der Aufstockung der Endrunde defensiv den arrivierten Nationen nicht standhalten werden können, zeigt sich nun ein anderes Bild. Nur fünf Teams erzielten bisher mehr als einen Treffer, Deutschland Italien und Ungarn feierten jeweils mit einem 2:0 die höchsten Siege.

Die Aussicht, sich auch mit einem dritten Platz für die K.o.-Phase qualifizieren zu können, ließ einige Nationen wohl auf allzu großes Risiko verzichten. Nur 24,2 Torschüsse wurden durchschnittlich in den zwölf bisherigen Spielen abgegeben, was den geringsten Durchschnittswert bei einer EM-Endrunde seit detaillierter Datenerfassung 1980 darstellt. Wer jetzt meint, dass die Teams schon immer eher verhalten in die EM gestartet sind, sieht sich nicht bestätigt: Bei den vergangenen vier Endrunden lag der Schnitt am ersten Spieltag immer bei über zwei Toren pro Partie - letztmals bei der Euro 1996 darunter (1,63).

Schweinsteiger macht den Bierhoff: Für Weltmeister Deutschland verlief der Start in das Turnier etwas holprig. Zwar blieb die DFB-Auswahl auch in ihrem zwölften Auftaktmatch bei einer Europameisterschaft unbesiegt (sieben Siege, fünf Unentschieden), gerade in der Defensive offenbarten sich aber noch einige Abstimmungsprobleme. Stellvertretend dafür war, dass Deutschland gegen die Ukraine zwölf Ecken zuließ. So viele waren es zuvor nur in einer EM-Partie der Deutschen seit Datenerfassung 1980, als sie bei der EM 1992 ebenfalls als amtierender Weltmeister beim 2:0 gegen Schottland in der Gruppenphase etwas ins Schwimmen gerieten (14 gegnerische Eckbälle).

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Dank Teilzeitkraft Bastian Schweinsteiger reichte es aus deutscher Sicht aber zumindest auf dem Papier noch zu einem anständigen Ergebnis. Der DFB-Kapitän erzielte das erste deutsche Jokertor bei einer EM-Endrunde seit Oliver Bierhoffs Doppelpack im EM-Finale 1996 gegen die Tschechen.

Lass mal die anderen die Arbeit machen: Warum sich selbst abrackern, wenn das auch andere übernehmen können? Das dachten sich vielleicht auch die Schweden, die im Auftaktspiel gegen Irland erstmals in ihrer EM-Historie ohne Schuss auf den gegnerischen Kasten blieben. Dass es dennoch zu einem Punkt reichte, hatten die Schweden dem Iren Ciaran Clark zu verdanken, der den Ball in der 71. Minute im eigenen Tor versenkte. Damit wurde Schweden zum ersten Team seit detaillierter Datenerfassung 1980, das einen Torerfolg in einem EM-Spiel bejubeln konnte, ohne selbst einen Abschluss auf den Kasten des Gegners abgegeben zu haben.

Ähnlich sparsam gingen die Nordiren am ersten Spieltag vor, die bei ihrer EM-Premiere nur zwei Torschüsse abgaben - dies unterbot keine Nation bei einer Europameisterschaft seit Beginn der Datenerfassung. Da Gegner Polen Nordirland aber nicht den Gefallen tat, ebenfalls ein Eigentor zu erzielen, endete für die Green & White Army mit der 0:1-Pleite eine beeindruckende Serie von zwölf Spielen ohne Niederlage. Keine andere Nation war zur diesjährigen Endrunde mit einem solch imposanten Lauf angereist.

Ronaldo rackert vergeblich: Cristiano Ronaldo muss mit seiner Rekordejagd bei der diesjährigen EM noch etwas warten. Trotz 10 Torschüssen in der Partie gegen Island - Höchstwert im bisherigen Turnierverlauf - blieb der Portugiese am ersten Spieltag torlos und konnte so auch keine Plätze in der ewigen Torjägerliste der Europameisterschaft gut machen.

Naja, ganz ohne Rekorde machte es ein CR7 auch nicht. Gegen Island kam er zu seinem 127. Einsatz für die Nationalmannschaft Portugals und zog damit mit Rekordhalter Luis Figo gleich. Und schon am zweiten Spieltag könnte er mit seinem dann 16. Einsatz bei einer EM-Endrunde mit den Rekordhaltern Lilian Thuram und Edwin van der Sar gleichziehen.

Aller Anfang ist schwer: Jung und hochtalentiert - die Erwartungen an die Auswahl Englands vor dem Auftaktmatch waren groß. Mit einem Durchschnittsalter von 25 Jahren und 293 Tagen schickte England gegen die Russen auch gleich seine bisher jüngste Startelf bei einer EM-Endrunde ins Rennen, doch selbst die jungen Wilden verfielen in alte englische Muster. Auch im neunten Anlauf gab es keinen Sieg für die Three Lions in ihrem Eröffnungsspiel bei der EM (fünf Remis, vier Niederlagen) - kein anderes Team war so oft dabei und gewann nie im ersten Spiel.

Dabei sah es bis in die Nachspielzeit so aus, als könne die junge englische Mannschaft Historisches schaffen. Doch dann traf Vasili Berezutski in der 92. Minute zum 1:1-Ausgleich. So spät wurden die Engländer bei einer EM-Endrunde (abgesehen von der Verlängerung) übrigens erst einmal bezwungen. 2004 - na, klar - im Eröffnungsspiel führte das Team von der Insel bis in die Nachspielzeit gegen Frankreich mit 1:0, dann schenkte Zinedine Zidane den Three Lions einen Doppelpack ein (90.+1, 90.+3).

Wie man es besser macht, zeigte Nachbar Wales. Bei ihrer EM-Premiere gelang es der Elf um Superstar Gareth Bale als erstem britischem Team, ihr EM-Auftaktspiel zu gewinnen (2:1 gegen die Slowakei). Neben England (acht Versuche) war dies auch Schottland (zwei Versuche) und Nordirland (ein Versuch) nie gelungen.

Matthäus' Jünger: Den Gegenentwurf zu den Engländern legten die abgezockten Italiener beim 2:0 über Belgien hin. Neben Jungspund Matteo Darmian (26 Jahre) tummelten sich drei 29-Jährige und sonst nur noch Ü-30-Spieler in der Startelf der Squadra Azzura, die mit einem Durchschnittsalter von 31 Jahren und 169 Tagen die älteste war, die jemals in einem EM-Spiel auflief.

Angeführt von Kapitän Gianluigi Buffon, der im Alter von 38 Jahren und 137 Tagen Dino Zoff als ältesten italienischen EM-Spieler aller Zeiten ablöste, zeigten die Italiener, dass sie ihr defensives Handwerk nicht verlernt haben. Bei den zahlreichen belgischen Angriffen hatte fast immer ein Italiener einen Fuß dazwischen. Insgesamt blockte Italien 9 Torschüsse der Roten Teufel, das war der Bestwert im bisherigen Turnierverlauf.

Und dann war da ja noch Ungarns Gabor Kiraly, der beim 2:0 über Österreich mit 40 Jahren und 74 Tagen zum ältesten Spieler der EM-Historie wurde und damit keinen Geringeren als Lothar Matthäus ablöste (39 Jahre, 91 Tage). Trotz hohen Alters war es die EM-Premiere des ehemaligen Herthaners, der sich so auch noch den Rekord von Ivica Vastic krallte, der 2008 im Alter von 38 Jahre und 257 Tagen für Österreich bei der EM debütierte. Wenn Kiraly jetzt noch trifft...

Spanische Serientäter: In zehn Stunden kann man mal richtig ausschlafen oder beispielsweise von Deutschland nach Thailand fliegen - im Falle von Spanien kann man aber auch einfach einmal zehn Stunden ohne Gegentor bleiben. Exakt 600 Minuten liegt der letzte Gegentreffer von La Roja bei einer EM-Endrunde zurück, womit die Spanier den EM-Rekord nach dem 1:0 über Tschechien noch einmal ausgebaut haben.

Da verwundert es auch nicht, dass die Iberer keines der letzten 13 EM-Spiele verloren haben (zehn Siege, drei Remis) und auch hier die längste Serie der EM-Historie weiter ausgebaut haben. Bei all diesen 13 Partien kamen übrigens sowohl Andres Iniesta als auch Cesc Fabregas zum Einsatz und können so als einzige Spieler der EM-Historie von sich behaupten, 13-mal bei der Endrunde aufgelaufen zu sein, ohne auch nur ein einziges Spiel verloren zu haben.

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