EM

Sigurdsson, Sigthorsson, Sensatsson!

Von Johannes Raif
Sie sorgten für Englands EM-Brexit: Ragnar Sigurdsson (Mitte) und Kolbeinn Sigthórsson (rechts)
© getty

Neuer geht die Arbeit aus, Griezmann wird zum Mini-Kopfballungeheuer und Sigthorsson zum Muster an Effizienz. Hier sind die Zahlen und kuriosen Statistiken nach dem Achtelfinale der EM.

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Die Null steht wie seit 50 Jahren nicht mehr: Vor dem Duell gegen Angstgegner Italien zeigt La Mannschaft der Squadra Azzurra schon einmal wie Catenaccio richtig geht: Die DFB-Auswahl kassierte als einziges Team im Wettbewerb noch kein Gegentor und behielt damit zum ersten Mal überhaupt in vier EM-Spielen in Folge eine Weiße Weste. Nimmt man die EM-Generalprobe gegen Ungarn hinzu (2:0) spielte die DFB-Auswahl sogar erstmals seit 50 Jahren in fünf Länderspielen in Serie zu Null. 1966 stellte Deutschland mit sechs Spielen ohne Gegentor einen Verbandsrekord auf. Da heißt es wohl Daumen drücken, dass diese Bestmarke nach einem halben Jahrhundert im Viertelfinale fällt. Nicht ganz unbeteiligt an der Serie ist natürlich Manuel Neuer, der in den vergangenen fünf Länderspielen zwischen den Pfosten stand. Obwohl, so viel zu tun gab es für ihn ja auch wieder nicht. Insgesamt musste Neuer nur sieben Paraden zeigen - das kann man als Welttorhüter schon einmal stemmen. Geht es so weiter, nähert sich Neuer (450 Minuten ohne Gegentor) schon bald dem deutschen Rekord an - diesen hält Jens Lehmann, der vor gut acht Jahren ganze 681 Minuten lang nicht im deutschen Tor bezwungen werden konnte.

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Sigurdsson, Sigthorsson, Sensatsson: Wortspiele über den Brexit sparen wir uns an dieser Stelle, England hatte in den letzten Tagen ohnehin genug zu verdauen. Daher konzentrieren wir uns ganz auf die sensationellen Isländer, die mit einer gehörigen Portion Leidenschaft und Kaltschnäuzigkeit die wohl größte EM-Überraschung seit den Griechen 2004 darstellen. Von ihren ersten elf Schüssen auf den gegnerischen Kasten bei dieser EM zappelten sechs im Netz. Danach ließen die Isländer die Zügel etwas schleifen und erlaubten dem demoralisierten Joe Hart drei Paraden. Zu diesem Zeitpunkt hatte Siegtorschütze Kolbeinn Sigthórsson sein Tagwerk ja bereits verrichtet - das 2:1 war übrigens sein erster Schuss aufs Tor im ganzen Turnier (nach insgesamt 263 Einsatzminuten), eiskalt eben diese Eisländer. Da stört es auch nicht, dass den Underdogs oft die spielerischen Mittel fehlen. Mal zum Vergleich: Alleine Toni Kroos spielte bei dieser EM mehr erfolgreiche Pässe im gegnerischen Angriffsdrittel (175) als die komplette Auswahl Islands (155).

Good Bye, Gabor! Während Island die Sensation feiert, muss mit Ungarn ein anderes Überraschungsteam dieser Europameisterschaft die Heimreise antreten. Damit ist wohl auch die EM-Karriere unseres Lieblings-Jogginghosenträgers Gabor Kiraly vorbei. Der EURO-Methusalem stemmte sich aber mit aller Macht gegen die Niederlage und zeigte im zarten Alter von 40 Jahre und 86 Tagen zehn Paraden gegen Belgien - Bestwert bei der laufenden Europameisterschaft. Man ist eben immer so jung, wie man sich fühlt.

Griezmann wird zum Mini-Hrubesch: Antoine Griezmann erzielte beim 2:1 gegen die Iren sein zweites Kopfballtor bei dieser Europameisterschaft und schaffte damit, was lediglich Michel Platini (1984) für Frankreich bei einer EM-Endrunde gelang. Sein prominenter Landsmann hat Griezmann aber etwas voraus - genauer gesagt zwei Zentimeter Körpergröße. Platini misst 177 Zentimeter, Griezmann "nur" 175 - der Atletico-Stürmer ist also mehr Asterix als Obelix. Seit Antonio Cassano hat kein so kleiner Spieler mehr zweimal per Kopf bei Europameisterschaften getroffen. Dem ebenfalls 1,75 Meter großen Italiener gelang dies bei den Endrunden 2004 und 2012. Rekordhalter seit detaillierter Datenerfassung ist übrigens Paul Scholes, der trotz nur 1,68 Meter Körpergröße sowohl bei der EM 2000 als auch bei der EM 2004 jeweils einmal mit dem Kopf zur Stelle war.

Kubas Ein-Mann-Armee: Man kennt die Floskeln: Portugal besteht nicht nur aus Cristiano Ronaldo, Fußball ist keine One-Man-Show, jaja... Die Realität sieht da ganz anders aus - zumindest in Polen. Der Alleinunterhalter im polnischen Team heißt aber nicht Robert Lewandowski, der sich bei dieser EM ja noch vornehm zurückhält (acht Torschüsse, kein Tor), sondern Jakub Blaszczykowski. An fünf der sechs Treffer, die die Polen in ihren insgesamt zehn Partien in der EM-Historie erzielt haben, war Kuba direkt beteiligt (drei Tore, zwei Vorlagen). Darunter fallen auch alle drei Treffer bei der Endrunde in Frankreich. Wenn das keine Abhängigkeit von einem einzelnen Spieler ist.

Özil und Belgrads Nachthimmel: Elfmeter, so denkt man zumindest, sind ja eine sichere Angelegenheit für den Schützen. Aktuell stimmt das aber nicht wirklich. Von zehn Strafstößen bei EURO 2016 wurden nur sechs verwandelt - das ist die schwächste Quote seit 28 Jahren (1988 waren es nur 50%). Besonders in den letzten Spielen zitterten den Schützen die Knie, womit vier der letzten sechs Elfer bei der EM nicht verwandelt wurden. Als bisher letztem Schützen versagten Mesut Özil beim 3:0 über die Slowakei die Nerven. Erstmals seit Uli Hoeneß' Fehlschuss in den Belgrader Nachthimmel im Finale 1976 vergab ein Deutscher einen Elfmeter bei einer Europameisterschaft - inklusive des Elfmeterschießens gegen England im Halbfinale 1996 hatten danach alle neun deutschen Schützen verwandelt.

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