EM

Zu viel Laissez-faire

Schon mehrfach kam es in und außerhalb der EM-Stadien zu Ausschreitungen
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Prävention in den EM-Städten

Die Präsenz der Sicherheitskräfte in den Städten ist optischen Eindrücken und Schilderungen nach unzureichend - zumindest an einigen Brennpunkten. Es fehlt schlichtweg an Mannstärke, sodass viele große Areale und Menschenansammlungen nicht einmal im Ansatz kontrolliert werden.

Wer Verhältnisse wie in einem Polizeistaat erwartet hatte, sieht sich geirrt. Die Überwachungen der Sicherheitskräfte halten sich zumindest im öffentlichen Raum im Rahmen dessen, was man von solchen Großereignissen kennt. Es wird nicht schärfer, mehr oder intensiver kontrolliert als zum Beispiel bei vorausgegangenen Turnieren. Das gilt auch für die Flughäfen und Bahnhöfe.

Stattdessen stellt man sogar eine gewisse Lässigkeit fest, viele sprechen gar von Nachlässigkeit. Gerade in der Anfangsphase der EM führte das in einigen der EM-Städten zu Tumulten auf offener Straße. Vor allem für die Randalierer aus England und Russland war diese Fehlplanung der französischen Regierung eine willkommene Einladung, um zu zeigen: Wir sind da.

Zu viel Laissez-Faire

Ganze Straßen wurden demoliert, insbesondere in den teils verwinkelten Gassen in Nizza, Marseille und Lille trafen rivalisierende Hooligan-Gruppierungen auf sehr kompaktem Raum aufeinander. Trotz wiederholter Ausschreitungen änderte sich am Sicherheitskonzept wenig. Gegen (zum Teil angekündigte) Straßenschlachten wurde nicht präventiv vorgegangen. Man ließ die Chaoten erst einmal gewähren. Das war definitiv zu viel Laissez-faire, Deeskalation klappte fast gar nicht.

Entsprechend waren einige EM-Innenstädte deutlich verletzlicher als die Stadien selbst. Selbst vor sogenannten 'Hochsicherheitsspielen' war an öffentlichen Plätzen selten erhöhte Polizeipräsenz sichtbar, was angesichts des bedrohlichen Hooligan-Aufmarschs zumindest Fragezeichen hervorrief. "Bis kurz vor dem Stadion war eigentlich fast keine Polizei zu sehen. Lediglich eine Pferdestaffel mit vier bis fünf riesigen Pferden", beschreibt auch Selcuk Ören aus Gelsenkirchen, der mit Freunden die Partien der Türkei im Parc des Princes und in Lens besuchte.

Natürlich lag der Sicherheitsschwerpunkt dieser Europameisterschaft aufgrund der Pariser Terroranschläge vom November von vornherein woanders. Dennoch kam vor allem in den ersten Tagen der EM das starke Gefühl auf, dass die zuständigen Organisationen und Verbände in Sachen Fan-Vandalismus zu blauäugig geplant haben. Die Vorbereitung hätte deutlich besser sein können, wenn nicht sogar müssen.

Will man überhaupt totale Kontrolle?

Dennoch muss man die Thematik wieder differenziert betrachten: Nicht jeder Straßenzugang kann kontrolliert werden. Wie sollte das auch gehen? Und wollen die Zuschauer das überhaupt wirklich? Die nicht überall sichtbare Polizeipräsenz hat so immerhin den Effekt, dass Frankreich Frankreich sein kann - und die Zuschauer das Flair dieses Landes, speziell natürlich der Hauptstadt, genießen können.

Die Polizisten, die man vor allem in den Metros oder an Bahnhöfen sieht, wirken nicht bedrohlich. Sie grüßen freundlich und helfen den vielen internationalen Fans gerne weiter. Immerhin versucht man so den Spagat und beweist, dass sich Wachsamkeit und Freundlichkeit nicht ausschließen müssen.

Fazit: Durch weitreichendes Vorausdenken und Absicherung der offensichtlichen Gewalt-Hotspots hätte es weniger unrühmliche Szenen, Wasserwerfer-Einsätze und letztlich auch Straftäter sowie Verletzte gegeben. So aber war erkennbar, wie angreifbar diese Europameisterschaft bleibt. Totale Sicherheit ist ohnehin unmöglich, jedoch zeigt das Frankreich an einigen Stellen offensichtlicher als nötig. Der Einschüchterungsfaktor durch sichtbare Aufrüstung bleibt für die Menschen immerhin aus.

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