EM

Extra dicke Eier und ein Versager

Von Thomas Gaber
Duell zwischen Sergio Ramos und Cristiano Ronaldo: Zu Recht kein Elfmeter für Portugal
© Getty

Dank einer Bombenabwehr und Mut im Elfmeterschießen steht Spanien erneut im EM-Finale und greift nach dem historischen Triple. Gegner Portugal hat vieles richtig gemacht - im entscheidenden Moment hat aber der Kapitän versagt.

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Antonin Panenka erlebt derzeit glückliche Tage. Seine tschechischen Landsleute erreichten unverhofft immerhin das Viertelfinale der EM 2012 und in gleich zwei K.o.-Spielen hintereinander wurde seine "Erfindung", der geschaufelte Elfmeter in die Tormitte, wieder salonfähig gemacht.

Dass Andrea Pirlo mit seinen Zauberzehen Panenkas Kunststück aus dem EM-Finale 1976 zwischen der damaligen CSSR und Deutschland erfolgreich kopieren kann, ist erwähnenswert, aber nicht unbedingt überraschend. Dass sich aber auch Sergio Ramos an diesem Experiment versucht, ist hinsichtlich seiner jüngeren Elfmeter-Vorgeschichte eine der bemerkenswertesten Aktionen dieser EURO.

Ramos: "Ich bin halt ein bisschen verrückt"

Ramos' Elfer hatte vielleicht nicht die Geschmeidigkeit des Originals oder des Pirlo-Lupfers. Aber ein Spieler, der für seinen Fehlschuss im CL-Halbfinale zwischen Real Madrid und dem FC Bayern München tagelang durch den Kakao gezogen wurde, muss "extra dicke Eier" (Marca) haben, um einen Elfmeter auf diese Art zu schießen.

"Ich musste nach meinem Schuss gegen Bayern viel Häme einstecken. Aber das hat mich nicht umgehauen. Ich bin ein Spieler, der sehr gerne Verantwortung übernimmt, weil ich viel Selbstvertrauen habe. Deshalb bin ich wieder angetreten und habe mich für diese Variante entschieden. Ich bin halt ein bisschen verrückt, aber der Trainer weiß das", sagte Ramos.

Vicente del Bosque war trotzdem mit den Nerven durch: "Es war ohnehin schon sehr anstrengend. Und dann schießt Sergio noch diesen Elfmeter. Wenn das schief geht, zerreißen sie ihn und uns in der Luft. Aber es ist gut gegangen und es hat mir auch gut gefallen."

Ronaldo hat "versagt"

Dass der Titelverteidiger überhaupt ins Elfmeterschießen kam, hatte er Cristiano Ronaldo zu verdanken. Portugals Kapitän hatte in der 90. Minute den Siegtreffer für seine Mannschaft auf dem Fuß, drosch den Ball aber frei vor Iker Casillas weit am Tor vorbei.

"Er hat sich 120 Minuten in den Dienst der Mannschaft gestellt. Aber im entscheidenden Moment hat er versagt. Diese Dinger macht er doch normalerweise im Schlaf", schrieb die Zeitung "A Bola".

Ronaldo konnte seinen Fauxpas nicht mehr gutmachen, im Gegenteil. Ganz am Ende war er zur Untätigkeit gezwungen. Bevor er seinen Elfmeter als fünfter Schütze ausführen konnte, war Portugal schon ausgeschieden. "Ungerecht, ungerecht", sagte Ronaldo unmittelbar nach dem für Spanien siegbringenden Elfer von Cesc Fabregas.

In der regulären Spielzeit waren die Portugiesen dem Welt- und Europameister absolut ebenbürtig, wenn nicht sogar einen Tick überlegen. Mit enorm hoher Laufbereitschaft und beeindruckender taktischer Disziplin hielten sie die Spanier vom eigenen Tor weg und erzwangen eine ungewöhnlich hohe Anzahl spanischer Fehlpässe und langer Bälle.

"Wir haben das Konzept des Trainers sehr gut umgesetzt. Verdammt schade, dass es nicht gereicht hat. Wir hätten den Finaleinzug verdient gehabt", so Innenverteidiger Pepe.

Casillas' unglaubliche Serie

Zum dritten Mal seit der EM 2000 war für Portugal bei einem großen Turnier im Halbfinale Endstation, hinzu kommt das verlorene Finale bei der Heim-EM 2004. "Irgendwann sind wir dran. Irgendwann dreht sich die Geschichte zu unseren Gunsten", sagte Trainer Paulo Bento trotzig.

Die Spanier dagegen sind nur noch einen Schritt vom historischen Titel-Hattrick entfernt. "Ich habe schon vor der EM 2008 gesagt, dass wir in der Lage sind, eine erfolgreiche Ära hinzulegen. Spanische Teams sind immer wieder als Mitfavorit in ein Turnier gegangen, sind aber oft früh gescheitert. Aber diese Mannschaft hat einen besonderen Geist, ein Sieger-Gen. Ich bin sehr stolz, Kapitän dieser Mannschaft sein zu dürfen", sagte Iker Casillas.

In keinem der neun K.o.-Spielen seit dem WM-Achtelfinale 2006 gegen Frankreich (1:3) hat Casillas ein Tor in der regulären Spielzeit inklusive Verlängerung kassiert.

"Ich habe noch unsere Kritiker im Ohr, die vor dem Turnier gesagt haben, wir hätten keine gute Abwehr. Ich denke, wir haben die passende Antwort gegeben. Wir lassen kaum Chancen zu und haben außerdem den besten Torhüter der Welt", sagte Sergio Ramos.

Spanien macht's wie Deutschland

Im Finale am Sonntag in Kiew gibt es ein Wiedersehen; entweder mit Vorrundengegner Italien oder mit Deutschland, 2008 EM-Final- und 2010 WM-Halbfinalgegner.

Dass eine Mannschaft hintereinander zwei EM- und dazwischen ein WM-Finale bestritten hat, gab es übrigens schon einmal.

Deutschland holte 1972 den EM-Titel (3:0 gegen die UdSSR), 1974 den WM-Titel (2:1 gegen Holand) und war auch bei der EM 1976 bis zum Schluss dabei. Das letzte Finale ging bekanntlich verloren. Antonin Panenka erlebte damals glückliche Tage.

Portugal - Spanien: Daten zum Spiel

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