EM

Ibrakadabra beendet Frankreichs Serie

Von Norbert Pangerl / Fabian Huwe
Zlatan Ibrahimovic (r.) brachte Schweden mit einem Traumtor in Führung
© Getty

Schweden verabschiedete sich mit einem verdienten Sieg von der EM 2012. Die Elf von Trainer Erik Hamren fügte der Equipe Tricolore beim 2:0 (0:0) die erste Niederlage nach 22 ungeschlagenen Spielen zu. Frankreich steht trotzdem im Viertelfinale. Am Samstag geht es in Donetsk gegen Weltmeister Spanien.

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Die Equipe Tricolore verlor zum Abschluss der EM-Vorrunde nach einer indiskutablen Leistung in Kiew mit 0:2 (0:0) gegen Schweden, was aber trotzdem zum Weiterkommen genügte, da die Ukraine gegen England mit 0:1 verlor. Als Zweiter der Gruppe D treffen die Franzosen nun in der Runde letzten Acht nicht auf die vermeintlich schwächeren Italiener, sondern am 23. Juni in Donezk auf den Turnierfavoriten Spanien.

Torjäger Zlatan Ibrahimovic (54. Minute) erzielte vor 55.000 Zuschauern den sehenswerten Führungstreffer für die bereits zuvor ausgeschiedenen Schweden, Sebastian Larsson (90.+1) besiegelte die erste Niederlage der Franzosen nach 23 Länderspielen. So hielt sich die Freude der Franzosen, erstmals nach sechs Jahren wieder in ein Viertelfinale bei einem großen Turnier eingezogen zu sein, doch arg in Grenzen.

Reaktionen:

Laurent Blanc (Trainer Frankreich): "Das Ergebnis interessiert mich nicht. Wir wollten weiterkommen. Klar ist, dass wir uns erheblich steigern müssen, wenn wir das Halbfinale erreichen wollen. Mir hat heute wirklich vieles nicht gefallen. Ich denke, dass Schweden verdient gewonnen hat. Sie spielten für die Ehre - und das hat gegen ein sehr durchschnittliches Frankreich gereicht. Schweden hatte einen großartigen Spieler in seinen Reihen, der das Spiel entschieden hat - Zlatan Ibrahimovic. Wir wurden in jedem Areal des Platzes geschlagen, da kann man nicht gewinnen."

Hugo Lloris (Torhüter Frankreich): "Wir müssen gegen Spanien bei Null anfangen."

Zlatan Ibrahimovic (Torschütze Schweden): "Es tut weh, so nach Hause fahren zu müssen. Wir haben sehr gut gespielt. Wenn wir so auftreten, können wir gegen die besten Teams gewinnen. Es ging auch darum, Respekt gegenüber den anderen Mannschaften zu zeigen und alles zu geben."

Erik Hamren (Trainer Schweden): "Wir wollten unbedingt noch ein Spiel gewinnen, daher sind wir sehr glücklich, auch für unsere Fans. Wir wären gerne länger im Turnier geblieben. Unsere Vorstellung heute war sehr gut."

Der SPOX-Spielfilm:

Vor dem Anpfiff: Bei Schweden rückt der 24-Jährige Mittelfeldmann Emir Bajrami für Rasmus Elm in die Startelf. Für Elmander erhält Toivonen den Vorzug als einzige Sturmspitze. Bei den Franzosen müssen die beiden Torschützen aus dem Spiel gegen die Ukraine, Cabaye und Menez, auf der Bank Platz nehmen. M'Vila und Ben Arfa stehen stattdessen von Beginn an auf dem Rasen.

3.: Erste dicke Möglichkeit für die Schweden. Bajrami flankt von links und findet den Kopf von Toivonen. Der steht völlig frei und setzt den Ball am Kasten vorbei. Erst dann sieht man, dass die Fahne des Assistenten oben ist - Abseits.

10.: Riesen-Fehler von Mexes! Er unterschätzt einen Ball und plötzlich ist Toivonen frei vor Lloris, umkurvt ihn, schießt vor dem leeren Tor aber nur an den Außenpfosten.

18.: Clichy spielt auf links Ribery frei, der dann noch ein zwei Schritte macht und in die Mitte flankt. Benzema nimmt den Ball direkt, trifft aber nicht richtig und jagt die Kugel in den Himmel.

44.: Ribery setzt sich zentral vor dem Tor durch und probiert es aus 15 Metern. Der Ball wird aber leicht abgefälscht und geht neben den Kasten. Die anschließende Ecke bringt nichts ein.

54., 1:0, Ibrahimovic: Larsson setzt sich auf rechts durch und flankt die Kugel in die Mitte. Eigentlich keine gefährlich Flanke, weil sie wie eine Bogenlampe in den Sechzehner kommt. Ibrahimovic nimmt dann 15 Meter vor dem Tor maß und haut den Ball per weltklasse Seitfallzieher in die linke untere Ecke. Mexes kann nur zusehen. Ein Wahnsinns-Tor!

64.: Jetzt mal wieder die Franzosen: Nasri kommt aus 10 Metern frei zum Schuss. Er verzieht aber ganz knapp. Links am Tor vorbei.

84.: Giroud ist keine 20 Sekunden auf dem Platz, da hat er die erste große Möglichkeit. Nach einem Eckball kommt er frei zum Kopfball, setzt die Kugel aber knapp über das Tor.

90.+1, 2:0, Larsson: Wilhelmsson flankt über rechts den Ball in die Mitte. Holmen nimmt die Kugel direkt, trifft aber nur die Latte. Den Abpraller zimmert dann Larsson aus sechs Metern unter die Latte!

Fazit: Schwaches Spiel in Halbzeit eins, danach ein verdienter Sieg von aktiveren Schweden. Frankreich zeigte zu keiner Zeit, warum es als Mitfavorit auf den Titel gehandelt wird.

Der Star des Spiels: Christian Wilhelmsson. Der Saudi-Arabien-Legionär zeigte nach seiner Einwechslung sofort, dass er keinesfalls zum alten Eisen zählt und wetzte auf der linken Seite auf und ab. Hätte Hamren den 32-Jährigen im Turnierverlauf einmal von Beginn an gebracht, wer weiß, ob Schweden sich dann bereits vorzeitig von der EM verabschiedet hätte.

Der Flop des Spiels: Philippe Mexes. War in der insgesamt unsicheren Defensive der Franzosen der größte Schwachpunkt. Bei seinem Fauxpas in der 10. Minute hatte er noch Glück, danach mit weiteren Unsicherheiten im Stellungsspiel und im Zweikampf. Kam schließlich auch bei Ibrahimovics Traumtor den entscheidenden Schritt zu spät und holte sich zudem für ein völlig überflüssiges Foul in der gegnerischen Hälfte Gelb ab. Sein Fehlen im nächsten Spiel ist nach dieser Leistung für die Franzosen aber keine Schwächung.

Der Schiedsrichter: Pedro Proenca. Der Portugiese hatte mit der leicht zu leitenden Begegnung keine Probleme. Verteilte zwar in der zweiten Hälfte einige gelbe Karten, lag jedoch bei allen absolut richtig. Ansonsten ein unaufälliger Spielleiter, auch, als sowohl Schweden als auch Frankreich einen Handelfmeter forderten.

Die Trainer:

Erik Hamren gab in der Offensive Bajrami den Vorzug vor Elm, was sich nur in den Anfangsminuten auszahlte. In der Halbzeit korrigierte er diese Entscheidung und brachte den offensivstarken Wilhelmsson. Ein klasse Schachzug. Schnell, dribbelstark und mit Zug zum Tor beschäftigte Wilhelmsson die behäbige Abwehr ein ums andere Mal und band Debuchy stärker in der Defensive.

Laurent Blanc hatte die linke Seite der Schweden, mit Neuling Bajrami und Martin Olsson als großen Schwachpunkt ausgemacht. Rechtsverteidiger Debuchy und Ben Arfa machten über diese Seite zwar ordentlich Dampf, was fehlte war die Genauigkeit im letzten Abspiel. Seine Maßnahme Cabaye und Menez auf der Bank zu lassen zahlte sich in der ersten Halbzeit überhaupt nicht aus. Vor allem im Spielaufbau krankte das französische Spiel und es fehlte an Präzision und strukturiertem Passspiel. Sah trotz mäßiger erster Halbzeit keinen Anlass seine Elf zu ändern.

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Das fiel auf:

  • Schweden versuchte es zu Beginn immer wieder über die linke Seite. Dort agierte der französische Rechtsverteidiger Debuchy sehr offensiv, so dass sich immer wieder Gelegenheiten zum Kontern ergaben.
  • Im Gegensatz dazu hielt sich Clichy auf der linken Seite vornehm zurück, wodurch Ribery oft auf sich allein gestellt war und seine Schnelligkeitsvorteile gegen Granqvist nur selten ausspielen konnte.
  • Die französische Defensive kam gegen die gut gestaffelten Schweden überhaupt nicht in die Zweikämpfe und hatte im Umschaltspiel dadurch einige Mühen. Bezeichnend: Beide Innenverteidiger hatten nach 15 Minuten noch keinen einzigen Zweikampf gewonnen.
  • Im Spielaufbau fehlte der Equipe Tricolore nach der Herausnahme von Cabaye jedoch Passsicherheit und Struktur. Die Skandinavier hielten mit einer gut organisierten und aufmerksamen Defensive dagegen und versuchten immer wieder schnell in die Spitze zu spielen. Dadurch ergaben sich aber auch viele Räume für die Franzosen. Der letzte Pass von Ribery und Co. landete aber häufig im Nichts. Benzema ließ sich zuweilen bis zur Mittellinie fallen, da er vorne einfach zu wenig Bälle bekam.
  • Die Schweden machten im Rückwärtsgang den Strafraum konsequent zu. Vor allem das robuste Innenverteidiger-Duo Mellberg und J. Olsson räumte im Strafraum mächtig auf und zwang Frankreich so zu vielen Abschlüssen aus der zweiten Reihe. Aber auch dort waren Nasri, Ribery und Co. zu ungenau.

Schweden - Frankreich: Daten zum Spiel

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