EM

"Auf dieses Spiel wartet ganz Griechenland"

SID
Gegen Russland schafften die Griechen um Samaras (r.) sensationell den Einzug ins Viertelfinale
© Getty

Vielleicht liegt es daran, dass Georgios Samaras den gleichen Familiennamen wie Griechenlands künftiger Ministerpräsident trägt. Auf hartnäckige Journalisten-Fragen auf einer Pressekonferenz vor dem EM-Viertelfinalspiel zwischen Griechenland und Deutschland reagierte der bärtige Angreifer am Dienstag jedenfalls mit beinahe staatsmännischer Gelassenheit.

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"Der Fußball ist nicht mit der Politik zu vergleichen. Wir werden spielen, weil wir den Fußball lieben. So einfach ist das. Wir spielen nicht für uns, sondern für elf Millionen Griechen. Wir wollen, dass sie lächeln", sagte der 27-jährige Profi vom schottischen Spitzenklub Celtic Glasgow.

Da untertreibt Samaras wohl ein wenig. Als sein Mannschaftskollege Georgios Karagounis am vorigen Sonnabend im abschließenden Gruppenspiel gegen Favorit Russland kurz vor dem Halbzeitpfiff das goldene Tor erzielte, wurden nicht nur unter den Zuschauern im Stadion Erinnerungen an den sensationellen EM-Triumph der Hellenen im Sommer 2004 in Portugal wach.

EM-Triumph macht Krise vergessen

Auch auf den Straßen und Plätzen in ganz Griechenland feierten die Griechen den Einzug ins EM-Viertelfinale. Für einen Moment waren die riesigen Probleme vergessen, die die Hellenen in der schlimmsten Krise der Nachkriegszeit plagen.

Und noch bevor der Viertelfinalgegner Deutschland endgültig feststand, tönte die meinungsbildende Athener Zeitung "Sportday" in beinahe schon vergessener mediterraner Ausgelassenheit: "So kommen die eine Runde weiter, die Schulden bei euch haben!" Das Blatt "Goal News" titelte gar ganz unverblümt: "Bringt uns Merkel!"

Fest steht: Die bevorstehende EM-Viertelfinalpartie zwischen Griechenland und Deutschland ist emotional hoch aufgeladen - auf beiden Seiten, in beiden Ländern. Kein Wunder: Das letzte Aufeinandertreffen fand im März 2001 im Athener Olympiastadion im Rahmen der Qualifikation für die WM in Japan und Korea statt. Deutschland besiegte Griechenland mit 4:2.

Zeitungen heizen die Stimmung an

Doch damals war das Verhältnis zwischen beiden Ländern noch unbelastet. Von der späteren Krise, die Griechenland seit Ende 2009 in seinen Grundfesten erschüttert, oder gar von einem EU-Rettungsschirm, den vor allem der deutsche Steuerzahler zu finanzieren hat und der mit harten Sparauflagen verbunden ist, konnte damals niemand etwas ahnen.

Denn das Gros der Griechen verachtet das Krisenmanagement in der Eurozone und insbesondere in seinem Land als aufgebürdetes Spardiktat der Deutschen - mit verheerenden Auswirkungen für das traditionell gute Verhältnis zwischen beiden Völkern.

Schon seit einiger Zeit kursieren Karikaturen in griechischen Zeitungen, die Bundeskanzlerin Angela Merkel oder Finanzminister Wolfgang Schäuble in SS-Uniform zeigen. Auch renommierte Analysten wie Georgios Delastik von der Athener Tageszeitung "Ethnos" schreiben unverhohlen von einem "Vierten Reich", das die Griechen unterjoche.

"Keine Frage: Die Sympathie für die Deutschen ist auf dem Tiefpunkt angelangt", sagt dazu Prof. Thomas Maloutas, Sozialgeograph an der Athener Charokopio-Universität und Leiter des angesehenen Griechischen Nationalen Forschungsinstituts für Sozialfragen (EKKE).

"Die Deutschen wollen unsere Würde verletzen"

So sehr sich Samaras und Co. um Gelassenheit bemühen: Die Griechen verfolgen sehr genau die Veröffentlichungen in der deutschen Presse. Griechen-Kapitän Karagounis, der für das Spiel am Freitag ist, nahm im privaten Athener Fernsehsender "Mega Channel" kein Blatt vor den Mund: "Ich habe das Gefühl, dass die Deutschen unsere Würde verletzen wollen. Dazu kann ich nur sagen: Wir stecken zwar in einer schweren Krise. Aber in Griechenland wurde die Demokratie geboren."

Ob das gegen die Deutschen reicht? Klar ist: Gegen das Löw-Team wollen die Griechen wie die Löwen kämpfen. Gelingt den Defensiv-Spezialisten die Überraschung, dann wäre die Freude zu Füßen der Akropolis besonders groß.

Zeitungshändler Kostas Stefanopoulos im nördlichen Athener Vorort Halandri trifft die Stimmung, wenn er sagt: "Auf dieses Spiel wartet ganz Griechenland. Vielleicht verlieren wir 0:5. Falls wir aber weiterkommen, dann ist hier der Teufel los."

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