EM

Russland nach Schmach vor Neubeginn

SID
Der griechische Jubel kannte nach dem 1:0-Erfolg gegen Russland kaum Grenzen
© Getty

Nach den wohl bittersten 90 Minuten seiner Karriere und dem überraschenden Vorrunden-Aus Russlands bei der EM fand Dick Advocaat seine Fassung bereits Sekunden später wieder. Händeschütteln mit dem Betreuerteam, den Ersatzspielern und zu guter Letzt dem Schiedsrichtergespann - es war der Abschied nach nur zwei Jahren als Nationaltrainer der "Sbornaja".

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Ein unrühmliches Ende als Trainer einer Mannschaft, die nach Ansicht des Niederländers vor dem 0:1 gegen Griechenland doch eigentlich noch das "beste Team der EM" war. Ein Scheitern in der Vorrunde stand auf keiner Agenda. Bohrend die Fragen der Journalisten auf der Pressekonferenz im Warschauer Nationalstadion nach den Gründen.

Ausweichend die Antworten des "Generals". Flapsig flüchtete er sich in Phrasen: "Wenn du gewinnen willst, dann musst du Tore schießen. Wenn du keine Tore schießt und der Gegner trifft, dann verlierst du." Warum dies denn ausgerechnet dem vermeintlich besten Team der EM passierte - Advocaat ließ die Frage unbeantwortet.

Gute Chancen reihenweise vergeben

Einem spielerisch biederen Griechen haushoch überlegenem russischem Team gelang es trotz drückender Überlegenheit in der ersten Halbzeit nicht, die Führung zu erzielen. Gleich reihenweise vergaben Andrej Arschawin, Alexander Kerschakow und Juri Schirkow beste Einschussmöglichkeiten.

Stattdessen nutzte Griechenlands "Oldie" Giorgos Karagounis in seinem 120. Länderspiel einen kapitalen Abwehrfehler von Sergej Ignaschewitsch in der Nachspielzeit der ersten Hälfte zur völlig überraschenden Führung.

Russland hatte in der Folge trotz technisch brillant agierender Akteure wie Kapitän Arschawin oder seinem Pendant auf dem rechten Flügel, Alan Dsagojew, keine Antworten parat. Das griechische Abwehrbollwerk stand. Unterstützt von gelegentlichen Entlastungsangriffen von dem bis an seine physischen Grenzen gehenden Giorgos Samaras auf dem linken Flügel.

Schön ist anders, aber bereits der FC Chelsea hat im Champions-League-Finale 2012 bewiesen, wie erfolgreich eine effektive Abwehrarbeit sein kann. Da nutzte es auch nichts, wenn Advocaat auf die vergangenen 16 Spiele ohne Niederlage hinwies und der Sieg doch eigentlich verdientermaßen an seine Mannschaft hätte gehen müssen.

Junge Spieler braucht das Land

Für Russland beginnt nun eine neue Zeitrechnung. Das Kapitel Advocaat ist geschlossen, der 64-Jährige verlässt das Team und übernimmt in der kommenden Saison den niederländischen Erstligisten PSV Eindhoven. Warm geworden ist er mit dem russischen Verband nie.

Dieser sucht nun einen neuen Trainer. Es soll ein Top-Mann sein, ein Ausländer mit internationaler Erfahrung und Klasse. Ein Russe, wie ihn sich die Medien wünschen, scheint unwahrscheinlich. Seit 2006 saß kein Einheimischer auf dem russischen Trainerstuhl.

Die Mannschaft ist mit einem Durchschnittsalter von über 28 Jahren eine der ältesten des EM-Turniers 2012. Acht Spieler im Kader sind über 30, der Innenverteidigung mit Sergei Ignaschewitsch und Alexej Beresuzki fehlt es an Klasse.

Die Nachwuchsarbeit stockt, lediglich Lokomotive und Spartak Moskau fördern junge Spieler nachhaltig. Meister Zenit St. Petersburg und ZSKA Moskau setzen auf ausländische Akteure. Talentierte Spieler wie Dsagojew, Tarat Burlak oder die derzeit verletzten Artjom Dsjuba oder Alexander Kokorin stehen bereit - doch das ist bei weitem nicht genug, um international ganz vorne mitzumischen.

Für den neuen Coach gibt es jede Menge zu tun: Zum einen mit dem allgegenwärtigen Verbandspräsidenten Andrei Fursenko klar kommen und zum anderen Spieler finden, die mehr als nur "gut spielen und sich viele Chancen erarbeiten", wie zuletzt unter Advocaat.

Griechenland - Russland: Daten zum Spiel