Von der Intensivstation in die Reha?

Von Hannes Hilbrecht
Für den FC Hansa Rostock geht es finanziell langsam wieder bergauf
© getty

Der FC Hansa Rostock gehörte einst zu den populäreren Klubs der Bundesliga. Ein rasanter sportlicher Abstieg, verhängnisvolle Endscheidungen in der Vereinsführung, sowie immer wieder kehrendende Fan-Ausschreitungen schädigten den Ruf des Vereins von der Ostsee fast irreversibel. Doch im hohen Norden tut sich was.

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Viele Schritte hat der blaue Teppich, der in der von außen modern anmutenden Geschäftsstelle zum Büro von Michael Dahlmann führt, schon abgedämpft. Das ehemals kräftige Blau ist mit den Jahren deutlich verblichen. Auch das Mobiliar erinnert mehr an ein vernünftig ausgestattetes Schulgebäude, vom ehrwürdig gemusterten Kaffeeservice ganz zu Schweigen.

Von einer gewissen Dekadenz, die man vielleicht von einem ehemaligen Bundesligisten erwartet hätte, ist im hohen Norden beim FC Hansa Rostock nicht mehr viel zu sehen. Schlicht und pragmatisch, vor zehn Jahren vielleicht einmal recht modern, so könnte man die Kulisse in der Schaltzentrale des Klubs zusammenfassend beschreiben, der um die Jahrtausendwende zur Bundesliga gehörte, wie das Fischbrötchen zum maritimen Flair in der Hansestadt.

Michael Dahlmann, der seit gut einem Jahr die Geschicke an der Ostseeküste leitet, kommt dagegen frisch daher. Der 36-Jährige, geboren in Gelsenkirchen und zuvor lange in der Verwaltungsebene von Städten in führender Position tätig, wirkt für einen Vereinschef in diesem stürmischen Metier noch fast studentisch. Dass zurzeit die ein oder andere Falte mehr das Gesicht säumt, hat mit der strapaziösen Phase zu tun, in der sich der Betriebswirt derzeit befindet.

Es ist die Lizensierungszeit, der DFB verlangt nach den Papieren für die kommende Spielzeit. Harte Arbeit für den Finanzfachmann, der die Rostocker Bilanzen wieder in Ordnung bringen will: "Es stimmt schon. Das Arbeitspensum steigt im Vergleich zu einer normalen Arbeitswoche in diesen Phasen erheblich", sagt Dahlmann beim Besuch von SPOX in der Hansestadt.

Im nächsten Jahr positives Betriebsergebnis?

Doch der gebürtige Gelsenkirchener wirkt noch relativ locker. Die Lage habe sich "deutlich entspannt.", nachdem finanzielle Löcher in der Nachlizensierungsphase gestopft werden konnten, erklärt Dahlmann, der noch mutig ergänzt: "Jetzt kann es aufwärts gehen. Das Fundament für die perspektivische Arbeit ist gelegt. Im nächsten Geschäftsjahr erwarten wir ein Plus in den Bilanzen."

Aussagen, die auch mit Zahlen gestützt werden können. So strebt der FC Hansa für die kommende Saison eine Etaterhöhung von bisher 9,7 Millionen auf 10,4 Millionen an. Die neuen Ressourcen fließen dabei komplett in die Infrastruktur, der Lizenzspieler-Etat bleibt konstant bei drei Millionen Euro.

Für Dahlmann eine Selbstverständlichkeit: "Die Schulden, die für die Infrastruktur wie dem Stadion, dem Jugendleistungszentrum oder den Trainingsplätzen aufgenommen wurden, sind lange nicht so schlimm, wie Fehlinvestitionen, die durch teils hochriskante Spielerkäufe getätigt wurden. Im Gegensatz zu infrastrukturellen Ausgaben bleibt beim ablösefreien Abgang der Spieler kein Gegenwert zur Schuldlast übrig."

Rückkehr nach zwei katastrophalen Jahren?

Ein Problem, dass den Verein vor allem zwischen dem letzten Bundesliga-Abstieg und den ersten Absturz in die Dritte Liga oft in die Bredouille brachte. Spielerverpflichtungen wie der erfolglose finnische Stürmer Henry Myntti oder der dänische Ex-Nationalspieler Martin Retov, der vor allem durch seine Sperre von sieben Spielen negativ auffiel, kosteten den Klub jeweils sechsstellige Ablösesummen. Wobei sich Retov, der für 800.000 Euro von Bröndby Kopenhagen gekommen war, als deutlich größerer finanzieller Schaden entpuppen sollte.

Dass in Rostock mittlerweile von Etat-Erhöhungen gesprochen werden kann, grenzt dabei fast an ein kleines Wunder. Nach einer Seuchensaison 2011/12, die sportlich mit dem direkten Wiederabstieg endete, aber vor allem durch die Skandal-Begegnung gegen den FC St. Pauli und das nachfolgenden Geisterspiel gegen Dynamo Dresden in Erinnerung blieb, sollte auch die folgende Spielzeit in der 3. Liga einem Desaster gleichkommen.

Eine katastrophal zusammengestellte Mannschaft, die vor allem durch Individualisten und einen aufgeblähten Pool an Rollenspielern gekennzeichnet war, kämpfte bis zwei Wochen vor Saison-Ultimo um den Klassenhalt. Im Landespokal folgte eine 3:0-Demontage bei dem damals noch mittelklassigen Viertligisten aus Neustrelitz.

Die "Fans", deren Platzsturm von manchen Personen außerhalb des Vereins noch immer euphemistisch als "emotionale Totalentgleisung" beschrieben wird, komplettierten die größte Blamage der Vereinsgeschichte, in der die lethargisch auftretende Mannschaft am Ende sogar nur eine Nebenrolle einnahm.

Personelle Konsequenzen

Doch der Verein sollte sich mit teilweise drastischen Maßnahmen erholen. Im Sachkostenbereich, beispielsweise im Fuhrpark, durch weniger und kostengünstigere Dienstwagen. Initiativen wie die Neuausrichtung von Dienstleistungsverträgen, die Einschränkungen von kostspieligen Ausstattungen im Lizenzbereich, eine starke Reduzierung bei der Vergabe von Freikarten, sowie weitere Maßnahmen sollen zu jährlichen Ersparnissen in Höhe von 200.000 Euro führen.

Der Klub trennte sich von insgesamt acht Vereinsmitarbeitern und löste zudem die Marketingabteilung auf. Der debattierte Verkauf von Stadion-Anteilen oder gar des ganzen Stadions wird aber nach wie vor nicht in Erwägung gezogen, wie von Seiten Dahlmanns bestätigt wird: "Das ist für uns die allerletzte Option. Wenn alle Stricke reißen, dann muss man darüber nachdenken. Momentan sind wir aber auf einem guten Weg, mögliche Ausreißer sowohl nach oben als auch nach unten sind einkalkuliert."

Wichtig für die Moral im Verein sind dagegen die registrierbaren Erfolge, wie der Vorstandsvorsitzende deutlich macht: "Wir haben das erfolgsreichste Merchandise-Ergebnis seit zwölf Jahren erzielt und dank unserer Kampagne "Du bist Hansa", die maßgeblich von unseren Fans mitunterstützt wurde, innerhalb eines Vierteljahres 1500 neue Mitglieder akquiriert. Das ist ein großer Erfolg für uns."

Gläubiger stimmen Schuldenerlass zu

Dabei könnte dem Klub ein letztes Mal, dann aber in entscheidendem Maße, auf die Beine geholfen werden. Wenige Tage nach dem SPOX-Besuch in Rostock wurde publik, dass Hansas Hauptgläubiger (die Ostseesparkasse Rostock und die Deutsche Kreditbank) einem Schuldenerlass von kolportieren 8,2 Millionen Euro zustimmen würden.

Der Haken: Die Bürgschaft (ca. 3,2 Millionen Euro) vom Land Mecklenburg-Vorpommern wäre aller Voraussicht nach in Richtung Banken fällig, kolportiert wird jedoch zeitgleich auch eine geringere Summe.

Auch sportlich ist der FC Hansa wieder besser in Fahrt gekommen. Zwar hat man als Fünfter bei zehn Punkten Rückstand auf Darmstadt die Tuchfühlung zum Relegationsplatz mittlerweile verloren, doch bleibt die Entwicklung gerade im Vergleich zum Vorjahr durchaus positiv. Wirtschaftlich hat sich der Klub so stabilisiert, dass der Sprung in die 2. Bundesliga zwar nicht mehr überlebenswichtig ist.

"Mit viel Geld kann ja jeder"

Eines der Gesichter des sportlichen Erfolges ist dabei der Sportliche Leiter Uwe Vester. Sein Ziel lautet, junge Talente, die sich bei den großen Ausbildungsklubs nicht durchgesetzt haben, gemeinsam mit Cheftrainer Andreas Bergmann weiterzuentwickeln und auf dem zweiten "Bildungsweg" zu fördern.

Ein Weg, der auch im nächsten Jahr eingeschlagen wird, wie Vester gegenüber SPOX berichtet: "Wir sehen keinen Anlass, uns von unserem Weg zu entfernen. Natürlich werden wir aber die richtige Mischung an Routiniers beibehalten, doch wir definieren uns klar als Ausbildungsverein." Die schwierige finanzielle Situation stört Vester dabei nur gelegentlich, sogar im Gegenteil, er zieht daraus die Motivation für seine Aufgabe: "Ich habe ja geahnt, worauf ich mich einlasse. Aber das stört mich nicht. Wissen Sie: Mit viel Geld kann ja jeder."

Dabei winkt Hansa im Sommer sogar ein finanzieller Bonus. Denn ausgerechnet das größte Talent der Rostocker Nachwuchsgeschichte, der Münchner Toni Kroos, könnte seinem Ex-Verein eine kleine Finanzspritze bescheren. Sollte Kroos, dessen Vertragsverhandlungen mit dem Rekordmeister stocken, den Champions-League-Sieger für eine hohe Ablösesumme verlassen, würde der FC Hansa Rostock aufgrund des FIFA-Reglements Anteil an der Ablösesumme erhalten.

Ähnlich wie vor ein paar Jahren, als Rot-Weiß Essen und Schalke am Bremer Özil-Verkauf nach Madrid beteiligt waren. Vielleicht sorgt dann auch ein im Büro hängendes Premier-League Trikot des Mittelfeldspielers für ein wenig mehr Glanz auf der Geschäftsstelle.

Hansa Rostock in der Zusammenfassung