"War das mehr Toni oder Rooney?"

Grimaldi zog sich gegen Aue einen Jochbein-, einen Jochbeinbogen- und einen Augenbogenbruch zu
© getty

Adriano Grimaldi ist Osnabrücks bester Torschütze und kämpft mit dem VfL um den Aufstieg in die 2. Bundesliga. Im SPOX-Interview spricht der Deutsch-Italiener über den Unterschied zwischen Thomas Tuchel und Norbert Meier, Existenzängste im Profi-Fußball und Zlatan Ibrahimovic.

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SPOX: Adriano Grimaldi, Sie kommen aus einer sehr sportbegeisterten Familie, aus der nicht nur Sie als Profi-Sportler hervorgingen, auch Ihr Bruder Marco Grimaldi ist Point Guard bei der Basketballgemeinschaft 74 Göttingen. War es schon früh absehbar, in welcher Sportart die Stärken innerhalb Ihrer Familie lagen?

Adriano Grimaldi: Meine Brüder und ich haben von klein auf Fußball und Basketball gespielt. Natürlich war damals schon erkennbar, dass wir unterschiedlich ausgeprägte Fähigkeiten hatten. Viele Jahre später hat Marco mir gesagt, dass er sich auch für den Basketball entschieden hat, weil es ihm im Winter zu kalt auf dem Fußballplatz war.

SPOX: Ihr Einstieg in den Profi-Fußball lief nicht ganz gewöhnlich ab - der FSV Mainz holte sie damals von Sachsen Leipzig auf Empfehlung eines Journalisten.

Grimaldi: Das ist richtig. Guido Schäfer war damals für die "Bild"-Zeitung in Leipzig tätig und oft bei unseren Spielen, in denen ich ihm aufgefallen bin. Er hat mich dann in Mainz vorgeschlagen, woraufhin der Wechsel dann auch relativ fix zu Stande kam.

SPOX: Über die zweite Mannschaft des FSV fanden Sie den Weg in den A-Kader von Thomas Tuchel, kamen am 12. September 2009 gegen Hertha BSC auch sofort zum Ihrem ersten Bundesliga-Einsatz und hatten maßgeblichen Anteil am Sieg. Was für Erinnerungen haben Sie an diesen Tag?

Grimaldi: Ich bin damals sehr überraschend in den Kader gerückt, wurde Mitte der zweiten Hälfte zum Warmmachen geschickt und stand dann in der 70. Minute plötzlich auf dem Platz. Ich war nervös, habe mir dann aber vorgenommen, einfach Vollgas zu geben.

SPOX: Thomas Tuchel war Ihr erster Trainer im Profi-Bereich. Wie haben Sie ihn kennengelernt?

Grimaldi: Er ist ein Fußballverrückter, der sich und die Mannschaft wahnsinnig akribisch auf ein Spiel vorbereitet. Sowas kannte ich bis dahin nicht. Man musste immer hellwach sein, immer aufpassen. Ich habe viel von ihm gelernt.

SPOX: In Düsseldorf arbeiteten Sie später mit Norbert Meier, der im Vergleich zu Thomas Tuchel einer anderen Trainer-Generation entstammt. Welche Unterschiede konnten Sie feststellen?

Grimaldi: Natürlich haben wir uns auch in Düsseldorf auf den Gegner vorbereitet, aber anders. In Mainz haben wir in jedem Training neue Übungen gemacht, die ausschließlich auf das nächste Spiel ausgerichtet waren.

SPOX: Dafür profitiert man doch sicher vom großen Erfahrungsschatz eines Trainers der "Alten Schule", oder?

Grimaldi: Das auf jeden Fall. Trainer wie Norbert Meier haben schon viele Jahre Erfahrung auf dem Buckel und schon fast alles erlebt. Da gibt es viel Lob, aber auch mal den ein oder anderen Spruch, wenn man sich einen Patzer erlaubt.

SPOX: Was meinen Sie?

Grimaldi: Während meiner Zeit in Düsseldorf habe ich in einem Interview gesagt, ich sei die Mischung aus Luca Toni und Wayne Rooney. In einer der nächsten Trainingseinheiten habe ich einen Ball aus kurzer Distanz weit über das Tor geschossen. Norbert Meier rief dann damals über den gesamten Platz, ob das jetzt mehr Luca Toni oder Wayne Rooney war. Da habe ich gelernt, mit solchen Aussagen vorsichtiger zu sein. Wenn man Pech hat, kriegt man sie kurze Zeit später um die Ohren.

SPOX: Thomas Tuchel sagte damals nach Ihrer Einwechslung gegen Berlin: "Ich hab den Adriano gebracht, weil der Lust hat, dahin zu gehen, wo es weh tut." Im Pokalspiel gegen Aue haben Sie dies ebenfalls unter Beweis gestellt, als sie den Torhüter des Gegners energisch anrannten. Das Resultat waren schlimme Kopfverletzungen mit mehreren Frakturen. Sind Sie seit diesem Vorfall vorsichtiger geworden?

Grimaldi: Meine Familie würde sich wünschen, dass ich nun vorsichtiger wäre. Aber ich kann es einfach nicht lassen, ich spiele auch heute noch wie vor dem Zusammenprall. Ich denke in solchen Situationen auch nicht nach, ich gehe einfach rein. Gedanken mache ich mir immer erst, wenn es schon geknallt hat (lacht).

SPOX: In Düsseldorf riet man Ihnen damals nach knapp einem Jahr, sich einen neuen Verein zu suchen, weil man in der Zukunft nicht mehr mit ihnen plane - ähnlich, wie es Ihnen schon in Mainz passierte. Hatten Sie Angst, dass Ihre Profi-Karriere nicht mehr weiter gehen könnte?

Grimaldi: Angst nicht direkt, aber es ist natürlich ein Scheiß-Gefühl, wenn man so eine Nachricht erhält. Man ist umgezogen, hat seine Frau mitgenommen und plötzlich wird man nicht mehr gebraucht und gewollt. Das ist schon hart. Aber deswegen habe ich nicht aufgegeben.

SPOX: Mit der Rivalität zu Münster und Bielefeld konnten Sie nach ihrem Wechsel zum VfL Osnabrück nicht viel anfangen. Hat sich das inzwischen verändert?

Grimaldi: Nein, ich kann mich mit so etwas generell nicht identifizieren. Nur weil ich in Osnabrück spiele und lebe, habe ich keinen Hass auf Münster oder Bielefeld. Die Spiele gegen die beiden Vereine sind etwas besonderes, klar - da kribbelt es schon ein bisschen mehr. Die Stadien sind ausverkauft und die Stimmung kocht, aber deshalb werde ich nicht zur Bestie.

SPOX: Sie haben in dieser Saison bereits elf Tore geschossen und zwei Vorlagen zu Treffern Ihrer Mannschaftskollegen gegeben. Ist das die erfolgreichste Spielzeit Ihrer Karriere?

Grimaldi: Ich denke schon. Ich fühle mich einfach wohl in Osnabrück. Wir haben eine tolle Mannschaft und ich bin froh, meinen Teil dazu beitragen zu können.

SPOX: Hat der VfL noch Chancen auf den Aufstieg in die 2. Bundesliga?

Grimaldi: Bis zum zweiten Platz ist die Liga offen. Heidenheim ist zwar weg, aber Leipzig hat Federn gelassen und viel Vorsprung eingebüßt. Wir haben auf jeden Fall das Potential, bis zum Ende oben mitzuspielen.

SPOX: Ihr Vertrag läuft im Sommer aus. Spielen Sie auch in der kommenden Saison im Trikot des VfL Osnabrück?

Grimaldi: Das wird sich in den nächsten Monaten entscheiden. Derzeit stehen wir aber noch beim ersten Schritt und werden bald Gespräche führen. Der Rücktritt des Präsidenten beschleunigt so einen Vorgang natürlich nicht gerade.

SPOX: Was sind Ihre persönlichen Ziele?

Grimaldi: Natürlich ist es immer noch mein Traum, wieder in der Bundesliga zu spielen und den werde ich nicht loslassen, auch wenn es seit meiner Zeit in Mainz keinen Kontakt zu einem Erstligisten mehr gab. Andere Spieler haben den Sprung auch erst mit 25 oder 26 Jahren geschafft.

SPOX: Ist auch ein Engagement in Ihrer zweiten Heimat Italien vorstellbar?

Grimaldi: Ja, auf jeden Fall. Irgendwann möchte ich gerne für ein paar Jahre in Italien spielen und leben, um das Land, die Kultur und die Sprache besser kennenzulernen.

SPOX: Für die deutsche U19 sind Sie bereits aufgelaufen. Für welche Nation würden Sie spielen, wenn Sie in drei Jahren Einladungen des deutschen und des italienischen Verbandes bekämen?

Grimaldi: Das entscheide ich dann (lacht). Wahrscheinlich aber für Italien.

SPOX: Und wem halten Sie die Daumen, wenn Italien und Deutschland aufeinander treffen.

Grimaldi: Ganz klar Italien.

SPOX: Ihr Vorbild ist allerdings ein Schwede, Zlatan Ibrahimovic.

Grimaldi: Ja, Zlatan ist mein absoluter Lieblingsspieler. Mir gefällt sein Stil, da versuche ich mir schon etwas abzuschauen. Ich lese gerade sein Buch und kann schon sagen, dass wir uns auch menschlich sehr ähnlich sind. Ich mag an Zlatan, dass er sich nie verstellt, sondern immer sagt, was er denkt. Auch wenn der ein oder andere Spruch mal über das Ziel hinausschießt, finde ich, dass er sich das leisten kann.

Adriano Grimaldi im Steckbrief

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