Sekt oder Selters

Von Hannes Hilbrecht
Ralf Loose (l.) sitzt seit September 2013 bei Preußen Münster auf dem Trainerstuhl
© getty

Als großer Aufstiegsfavorit in die Saison gegangen, spielt der SC Preußen Münster in der 3. Liga eine bisher durchweg verkaterte Runde. Statt vom Aufstieg zu träumen, müssen sich die Münsteraner mit dem unliebsamen Abstiegskampf beschäftigen. Doch mittlerweile stimmt die Tendenz und ausgerechnet die Tabelle macht Hoffnung.

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Im Vergleich zur vergangenen Spielzeit ist vieles anders beim Münsteraner Traditionsklub, der immerhin als Gründungsmitglied der Bundesliga in die Annalen einging.

Was an der Seitenlinie mit dem neuen Trainer Ralf Loose beginnt, der im September die Geschicke von seinem Vorgänger Pavel Dotchew übernahm, setzt sich mit der misslichen Tabellensituation fort und endet schließlich bei den enttäuschten Fans.

Aus dem einstigen Aufstiegsaspiranten, der im vergangenen Jahr mit Hurra-Fußball die Liga fast im Sturm eroberte und letztendlich nur aufgrund einer Schwächephase im Schlussspurt die Aufstiegsränge verpasste, ist zumindest laut Tabelle ein Abstiegskandidat geworden.

Dabei sehen die Statistiken der Münsteraner auf den ersten Blick alles andere als abstiegsverdächtig aus. Der Tabellendreizehnte besitzt die viertbeste Offensive der Liga, das Torverhältnis ist positiv und mit sechs Niederlagen aus zwanzig Spielen finden sich die Preußen eigentlich im oberen Tabellendrittel wieder.

Schon neunmal Unentschieden

Blickt man allerdings auf die Anzahl der Unentschieden, kommt langsam ein wenig Licht ins Dunkel. Hauchdünn vor Holstein Kiel holen sich die Münsteraner bisher den Titel des Remiskönigs. Münster ging bereits neunmal mit einem Punkt vom Platz, Holstein folgt knapp dahinter mit acht Punkteteilungen.

Dabei sind die Kieler nicht nur statistisch mit den Westfalen verbunden, sondern bereits zum jetzigen Zeitpunkt untrennbar mit dem ganzen Saisonverlauf der Preußen verbandelt.

Das 0:3 am fünften Spieltag gegen die damals in Bestform agierenden Norddeutschen leitete nämlich das Ende der Ära Dotchew ein. Zwar musste der Bulgare erst zwei Wochen später nach einer erneuten Heimniederlage gehen, jedoch kann dieses Heimdebakel als Niederschlag gewertet werden, von dem sich die Mannschaft vorerst nicht erholen konnte.

Sportvorstand Carsten Gockel erklärte damals, wie schwer seinem Verein die Entscheidung fiel: "Wir haben uns lange ausgetauscht. Eigentlich ticken wir nicht so, dass wir sofort handeln", bekannte dann aber: "Wir befinden uns im freien Fall. Irgendwie müssen wir ihn stoppen."

Loose mit Startschwierigkeiten

Besonders kurios dabei: Wahrscheinlich machte erst der Einzug in die zweite Pokalrunde, den Dotchew mit dem Erfolg gegen St. Pauli noch selbst zu verantworten hatte, die relativ zeitige Entlassung möglich. Schließlich hatte das Preisgeld aus der ersten Runde die nicht immer leichte pekuniäre Lage sichtlich entspannt.

Doch auch Dotchews Nachfolger Ralf Loose, der vor zweieinhalb Jahren Dynamo Dresden famos in die 2. Bundesliga führte, biss sich zunächst die Zähne an seiner neuen Mannschaft aus. Erst im vierten Spiel in der Ära Loose gelang der Befreiungsschlag, mit 4:0 wurden die ebenfalls kriselnden Chemnitzer in deren Stadion demontiert.

Als dann der nächste 4:0-Sieg gegen die Dortmunder Amateure folgte, schien der Weg zurück in die Erfolgsspur gefunden. Zwei darauffolgende Niederlagen und ein Remis bei Kellerkind Saarbrücken konterkarierten den positiven Eindruck aber prompt.

Nur ein schmeichelhaftes 1:0 gegen die Stuttgarter Kickers, wobei der Treffer aus einem individuellen Schnitzer der gastierenden Stuttgarter entsprang, sorgt im Nachhinein dafür, dass die Preußen derzeit über dem Strich stehen.

Verjüngungskur nicht erfolgreich

Dabei setzte Loose bereits einige Akzente: So versuchte der 50-Jährige in seiner Anfangszeit die Mannschaft der Preußen deutlich zu verjüngen. Während die Startelf unter Dotchew im Durchschnitt knapp 30 Jahre alt war, versuchte der neue Mann an der Seitenlinie einzelne Routiniers wie Kapitän Stefan Kühne durch jüngere Spieler zu ersetzen.

Wahrscheinlich auch eine Reaktion auf die Vorwürfe, mit denen man seinen Vorgänger konfrontiert hatte. Die Kritiker warfen diesem nämlich eine zu erstarrte Hierarchie innerhalb der Mannschaft vor. Mittlerweilte stellte Loose die Verjüngungskur weitestgehend ein, diagnostizierte jedoch auch andere Probleme, die ihm hinterlassen wurden.

Bereits zu Dienstantritt beklagte der frühere Dresden-Coach Schwächen in der Mannschaftsdisziplin und wartet in dieser Hinsicht mit harten Maßnahmen auf.

Eine Fülle von Spielern wurde in den vergangenen Wochen suspendiert, darunter ehemalige Leistungsträger wie Mehmet Kara, Dominic Schmidt oder der für seine Eskapaden nicht unbekannte Kevin Schöneberg.

Bäumer: "Loose ist der Mann unseres Vertrauens"

Die Vereinsführung stützt den harten Kurs, wie der Aufsichtsratsvorsitzende Thomas Bäumer Ende November in der "Münsterschen Zeitung" bekannte: "Der Trainer ist der Mann unseres Vertrauens."

Er machte zusätzlich deutlich, dass sich die Führungsetage nicht in die Mannschaftspolitik einmischen wird: "Die Kaderzusammensetzung ist ganz allein Looses Sache. Er ist verantwortlich dafür, dass das Teamgefüge funktioniert."

Der Trainer selbst sieht im Status Quo derweil bereits Fortschritte: "Ich versuche im Interesse der Spieler natürlich vom ersten Tag an hier Einfluss zu nehmen. Und ich habe auch schon eine deutliche Verbesserung festgestellt."

Während sich die Mannschaft noch in der Phase der Disziplinierung befindet, konnte Loose zumindest einen größeren Teilerfolg erzielen. Die Stabilisierung der Mannschaft in der Defensive verläuft erfolgsversprechend, die Gegentorquote wurde erheblich gesenkt. In sieben der zwölf Ligaspiele unter Loose hielt sich die Preußen-Abwehr schadlos in der Defensive.

Siege fast ausschließlich zu Null

Diese Null ist jedoch auch zwingend notwendig. Nicht nur, dass die Offensive aufgrund der etwas defensiveren Ausrichtung etwas abgeflaut ist, sondern vielmehr die Tatsache, dass die Preußen bisher fast nur Spiele zu Null gewinnen konnten. Allgemein fällt auf: Bei den Münsteranern geht es bisher, was das Gewinnen angeht, nach der Devise: "Sekt oder Selters".

Drei der fünf Siege wurden deutlich und zu Null gewonnen, knappe Spiele konnten bisher nur beim bereits erwähnten Duselsieg gegen die Kickers und beim Last-Minute Erfolg zuhause gegen Duisburg gewonnen werden. Doch gerade dieses kann den Westfalen Mut machen.

Gelingt es in der Zukunft, umkämpfte Partien öfter für sich zu entscheiden, kann der Anschluss nach oben innerhalb von einigen Spielen hergestellt werden, schließlich beträgt der Abstand zu Platz drei "nur" zehn Punkte.

Schon Rostocks Trainer Andreas Bergmann gelang es, die fast auf Grund gelaufene Hansa-Kogge innerhalb von sieben Spielen zum Aufstiegskandidaten zu formen, der in nicht einmal zwei Monaten von Tabellenplatz 15 auf den Relegationsplatz sprang.

Großes Potenzial vorhanden

Die Vorzeichen für einen ähnlichen Weg sind in Münster durchaus gegeben. Die Mannschaft besitzt in fast allen Mannschaftsteilen großes Potenzial, zudem kann Loose sogar, anders als Trainerkollege Bergmann, auf die Verlässlichkeit der gesamten Vereinsführung bauen und nicht nur auf das sportliche Ressort.

Nach zuletzt fünf ungeschlagenen Spielen und acht Punkten, darunter ein beachtliches Remis gegen Leipzig, ist der Anfang gemacht. Ein Sieg bei Schlusslicht Burghausen könnte eine insgesamt enttäuschende Vorrunde versöhnlich abschließen.

Allerdings könnte eine Niederlage beim nicht zu unterschätzenden Abstiegskandidaten den Wellengang schlagartig erhöhen, schließlich beträgt der Abstand zu Platz 18 nur zwei Punkte.

Umbruch steht bevor

Wenngleich Münster aufgrund der personellen Situation wohl kaum bis zum Schluss um die Klasse fürchten muss, nimmt dieses Jahr eine schicksalhafte Bedeutung an. Es ist vielleicht die vorerst letzte Chance ganz oben mitzuspielen.

Insgesamt acht Spieler der erweiterten Stammmannschaft sind bisweilen weit über 30, darunter Säulen wie Torhüter Daniel Masuch oder Sturmstar Matthew Taylor. Großes Entwicklungspotenzial gibt es nur vereinzelt, ein Umbruch in den kommenden Jahren scheint unausweichlich. Mit jedem Spieltag wird die vielleicht vorerst letzte Chance ein wenig kleiner.

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