"Wir haben es einfach verkackt"

Von Interview: Fabian Herbers
Frank Schmidt ist seit sechs Jahren Trainer beim 1. FC Heidenheim und will nun endlich aufsteigen
© getty

Bereits in der letzten Saison schnupperte der 1. FC Heidenheim am Aufstieg in die 2. Liga. Nun steht ein neuer Versuch. Im SPOX-Interview spricht Trainer Frank Schmidt über sein Leben als Bankkaufmann, die vielbeachtete Dokumentation "TRAINER!" und den Labertaschen-Vorwurf eines Trainer-Kollegen.

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SPOX: Herr Schmidt, der 1. FC Heidenheim 1846 ist sehr gut in die Liga gestartet. Wie zufrieden sind Sie mit dem Saisonstart?

Frank Schmidt: So ein Start ist uns in der 3. Liga noch nie gelungen. Das ist natürlich eine schöne Momentaufnahme. Allerdings möchte ich über einen guten oder schlechten Start erst nach zehn Spielen reden. So haben wir das immer gemacht. Noch ist es zu früh, daraus etwas abzuleiten.

SPOX: Letzte Saison war der FCH ständig vorne dabei. Am Ende hat es aber nicht ganz gereicht, der Aufstieg wurde nur knapp verpasst. Wie lange hat es gedauert, das Ganze zu verarbeiten?

Schmidt: In der Rückrunde haben wir durch eine unglaubliche Siegesserie den Anschluss an die Spitzengruppe geschafft und waren vorne mit dabei. Dass es dann nicht gereicht hat, war sehr bitter, wir haben nach der Winterpause nur einmal verloren. Im entscheidenden Spiel gegen Offenbach haben wir es einfach verkackt. Das war in dem Moment sehr bitter, alle hatten noch gehofft, in die Relegation einzuziehen. Direkt danach haben wir den Blick aber schon wieder nach vorne gerichtet.

SPOX: Wie sehen die langfristigen Ziele in Heidenheim aus? Gibt es einen Masterplan, der irgendwann den Einzug in die Bundesliga vorsieht?

Schmidt: Ich sage mal so: Man sollte sich nicht zu viel beschränken. Ich glaube, dass wir realistisch und bescheiden genug sind, zunächst den ersten Schritt machen zu müssen. Und das ist der Schritt in die 2. Liga. Der Verein stellt dafür absolut die nötigen Rahmenbedingungen. In Heidenheim spricht keiner von der 1. Liga, um Gottes Willen. Aber es gibt Beispiele, die zeigen, was passiert, wenn man mit einer guten Philosophie arbeitet. Freiburg ist so ein Beispiel. Die haben es durch eine gute Nachwuchsarbeit geschafft, sich in der 1. Liga zu etablieren.

SPOX: Sie sprechen den SC Freiburg als Vorbild an. Was macht Christian Streich vielleicht besser als andere Trainerkollegen?

Schmidt: Christian Streich nimmt den Verein und dessen Philosophie so, wie sie ist und das zeichnet ihn aus. Er ist nicht der typische, stromlinienförmige Trainer. Ich glaube, jeder nimmt wahr, dass das nicht alltäglich ist.

Tabellenrechner: Wo landet Heidenheim am Saisonende?

SPOX: Sie haben den Trainerposten in Heidenheim 2007 provisorisch übernommen. Wie kam es dazu?

Schmidt: Ich war hier selber Spieler bis zur Oberliga. Eigentlich hatte ich eine andere berufliche Planung, ich habe den Beruf Bankkaufmann gelernt. Aber das hat sich dann schnell zerschlagen, weil der Verein einen neuen Trainer brauchte und mich gebeten hat, für zwei Spiele die Mannschaft zu übernehmen. Das habe ich dann gemacht und es lief gut. Der Verein sagte: 'Ach, mach' weiter.' Ich habe mich dann überreden lassen. Es war eine günstige Fügung zum richtigen Zeitpunkt. Mittlerweile habe ich auch alle Trainerscheine nachgemacht. Es war die richtige Entscheidung, diesen Weg zu gehen. Fußball ist das, was ich am besten kann.

SPOX: Haben Sie lange überlegen müssen, diesen Weg zu gehen?

Schmidt: Ich habe lange gebraucht, meine Frau zu überreden (lacht). In diesem Moment hatte ich nicht so intensiv nachgedacht, aber dann ist die Entscheidung weiter gereift. Ich konnte mir damals vorstellen, mit diesem Verein erfolgreich zu sein und deswegen musste ich nicht sehr lange überlegen.

SPOX: Als Trainer haben Sie einen ganz anderen Blick auf die Mannschaft bekommen. Auch die Mannschaft hat Sie in neuer Funktion erlebt. An was mussten Sie sich neu gewöhnen?

Schmidt: Spielern zu erklären, warum sie nicht spielen oder nicht mal im Kader sind. Aber ich habe mich da schnell eingearbeitet und nie um den heißen Brei herum geredet. Man kann es eben nie allen Recht machen. Ein Trainer muss auch Gespräche führen, die einem Spieler mal wehtun.

SPOX: Wenn Sie auf die Anfangszeit zurückblicken: Was vom damaligen Trainer Schmidt steckt noch im heutigen Trainer Schmidt?

Schmidt: Als Typ bin ich hundertprozentig der Gleiche, das bestätigen mir auch meine Spieler. Sich als Mensch nicht zu verändern ist auch mein Anspruch. Es ist wichtig, nicht zu vergessen, wo man herkommt. Was sich verändert, ist die Arbeit als Trainer. Alles ist viel professioneller geworden, gerade was den taktischen Bereich betrifft. Sonst bin ganz ich der Alte. Hart aber herzlich. Ich glaube, das ist ganz wichtig.

SPOX: Sie sind einer der drei Trainer in der Dokumentation "TRAINER!" von Aljoscha Pause. Wie kam der Kontakt zustande?

Schmidt: Frank Wormuth hatte sich mit Aljoscha Pause unterhalten, wer da mitmachen könnte. Der erste Kontakt war über Wormuth. Dann hat mich Pause angerufen. Ich kannte ihn schon aus meiner Aachener Zeit, als er noch beim "DSF" war. Er ist mir als angenehmer Gesprächspartner in Erinnerung geblieben.

SPOX: Waren Sie zu Beginn skeptisch ob dieser Belastung?

Schmidt: Ich habe mich natürlich auch gefragt, ob ich die Öffentlichkeit an meiner Arbeit teilhaben lassen will. Aber ich wusste: Wenn es einer kann, dann Aljoscha Pause. Wir haben uns nochmal in Heidenheim getroffen und er hat mir die Thematik erläutert. Nach Rücksprache mit dem Verein war alles klar, Skepsis war überhaupt nicht vorhanden.

SPOX: Warum wollten Sie an diesem Projekt mitwirken?

Schmidt: Der ausschlaggebende Punkt war, dass es mich selber interessiert. Was macht so ein Trainer den ganzen Tag? Das kriegt so ja niemand mit. Viele Fans können so sehen, was ein Trainer alles leisten muss. Mein Ziel war, das Verständnis für den Trainerberuf in der Öffentlichkeit zu verbessern.

SPOX: Wie hat die Mannschaft darauf reagiert?

Schmidt: Ich habe mit meinen Führungsspielern wie Marc Schnatterer gesprochen und im Vorfeld gefragt. Die haben sofort gesagt, dass es kein Problem ist. In Heidenheim ist die mediale Wahrnehmung ja nicht so groß. Bei den ersten zwei Szenen war es etwas merkwürdig, aber das Filmteam war schnell integriert und hat nicht gestört. Es war am Schluss eher komisch, wenn sie nicht dabei waren.

SPOX: Sie lassen die Kamera sehr nahe an sich heran, viel intensiver als Stephan Schmidt oder Andre Schubert, die beiden anderen Protagonisten. Pause durfte sogar mit zur Taktikbesprechung. Wie wichtig war Ihnen persönlich, so eine exklusive Sicht auf den Trainerberuf zu erlauben?

Schmidt: Ich bin ehrlicherweise davon ausgegangen, dass alle drei Trainer das in dem Film so machen. Für mich war klar: Wenn ich es mache, dann richtig und zu 100 Prozent. Das war für mich keine Frage. Aljoscha durfte überall mit. Ich habe da keine Vorbehalte gehabt.

SPOX: Wie sah das Feedback von Ihren Trainerkollegen aus?

Schmidt: Es gab relativ wenig Reaktion. Insgesamt war es aber sehr positiv. Was mich am meisten gefreut hat, war, dass alle sagten: 'Du bist gewesen, wie wir dich kennen, alles war sehr authentisch.' Das wäre auch nicht anders gegangen. Ich kann nicht bei so einem Projekt mitmachen und mich dann anders verhalten.

SPOX: In einer Szene nennt Preußen-Münster-Trainer Pawel Dotschew Sie eine Labertasche. Kommt so etwas öfter unter Trainerkollegen vor?

Schmidt: Nein, das alles tut mir auch ein bisschen Leid. So etwas kommt nicht oft vor. Ab und zu fetzt man sich mal oder ist unterschiedlicher Meinung. Der Respekt unter den Kollegen ist aber sehr groß. Dieses Spiel war für beide Mannschaften ein sehr wichtiges. Wenn dann ein Trainerkollege auf dich zukommt, dann sollte man auch gratulieren oder das Spiel gemeinsam analysieren. Und wenn er dich dann empfängt mit: 'Ich wusste gar nicht, was du für eine Labertasche bist', dann bin ich in diesem Moment auch sehr emotional geworden und habe meine Meinung vertreten.

SPOX: Schmidt und Schubert wurden während der Dreharbeiten entlassen. Wie sehr schwebt im Alltag die Angst mit, entlassen zu werden?

Schmidt: Für mich schwebt das überhaupt nicht mit. Heidenheim ist meine erste Trainerstation, ich bin hier jetzt in meiner siebten Saison. Das ist auch nicht alltäglich. Dieses große Vertrauen im Verein ist schon etwas Besonderes. Bei anderen Vereinen ist das mit Sicherheit anders. Wenn es mit Fußball nicht weitergehen sollte, kann ich auch jederzeit was anderes machen.

SPOX: Ist der Trainer generell zu oft der Sündenbock?

Schmidt: Ja. In vielen Vereinen ist es so, dass Menschen die Entscheidungen treffen, die von dem Sport relativ wenig Ahnung haben, auch von den Arbeitsweisen und den Mechanismen in diesem Profigeschäft. Trotzdem: Da spielen viele Faktoren eine Rolle. Der Einfluss von Medien und Sponsoren ist enorm und das ist dann nicht leicht, in kritischen Situationen am Trainer festzuhalten. Der eine oder andere Verein kann sich aber an Heidenheim ein Beispiel nehmen.

SPOX: Schmidt sagte im Film, dass sein Weg über kurz oder lang in die Bundesliga führen soll. Ist das auch Ihr persönliches Ziel?

Schmidt: Auch mein Ziel ist die erste Liga. Wenn man viel erreichen will, ist die Bundesliga das Non-Plus-Ultra. Aber ich bin momentan in Heidenheim gut aufgehoben.