"Volle Kanne" mit Geheimwaffe Krämer

Von Eugen Epp
Arminia-Urgestein Markus Schuler nach dem 3:0-Sieg gegen Rot-Weiß Oberhausen
© Getty

Zum ersten Mal seit 16 Jahren treffen sich Arminia Bielefeld und Preußen Münster wieder zum Westfalenderby. Mit aller Kraft stemmt sich die Arminia gegen den Absturz ins Bodenlose - mit einem neuen, ungewöhnlichen Trainer.

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Die Rivalität zwischen Arminia Bielefeld und Preußen Münster ist beinahe so alt wie die Klubs selbst. Das letzte Spiel im Jahr 1995 gewann die Arminia mit 2:1. Nachdem die Partie bereits zweimal verschoben wurde, soll es nun am Samstag im Preußenstadion endlich so weit sein: erstmals nach 16 Jahren treffen die beiden Klubs wieder in einem Pflichtspiel aufeinander (Sa., 15 Uhr im LIVE-SCORE).

Während sich die Preußen als Aufsteiger langsam wieder in der 3. Liga etablieren wollen, steckt die Arminia in einer tiefen Krise - und zwar schon seit Jahren. 2009 noch wurde auf der Alm Bundesligafußball gespielt, nach zwei Abstiegen innerhalb von drei Jahren heißen die Gegner nun Burghausen und Babelsberg statt Bayern und Dortmund.

Vor nahezu jeder Saison kam es in den vergangenen Jahren in Bielefeld zum Umbruch, mit vielen neuen Spielern und nicht selten auch neuen Trainern.

Seit Jahren in der Krise

Auch nach dem Zweitligaabstieg im vergangenen Frühjahr sollte wieder ein Neubeginn her: 31 Abgängen in der Sommerpause standen 23 Neuzugänge gegenüber, dazu kam ein neues Trainerteam mit Markus von Ahlen an der Spitze. Doch schon bald erwiesen sich alle Hoffnungen auf eine bessere Zukunft in der dritten Liga als Trugschluss: Von Ahlen, für den die Arminia die erste Profistation war, und seine Mannschaft legten mit elf sieglosen Spielen in Folge einen katastrophalen Fehlstart hin.

Innerhalb von vier Spieltagen befand sich die Arminia wieder dort, wo sie hergekommen war: auf dem letzten Platz, nur eine Liga tiefer. Logische Konsequenz war die Entlassung des Trainers. Für von Ahlen übernahm dessen Assistent Stefan Krämer - der zwölfte Trainerwechsel in viereinhalb Jahren.

Von der Notlösung zum Hoffnungsträger

Eine Lösung, die eher aus der Not geboren wurde, denn für einen Coach mit Namen fehlt der Arminia momentan schlichtweg das Geld. So erhielt der bis dato im Profifußball unbekannte Krämer den Vorzug vor Petrik Sander und Christian Wück. Doch es sieht so aus, als würde der neue Trainer das Vertrauen zurückzahlen. Aus den letzten vier Spielen holte die Arminia unter seiner Leitung zehn Punkte, nur sein Auftaktmatch gegen Heidenheim verlor Krämer. "Im Moment marschieren wir", stellt Krämer, der sich seit letzter Woche auch offiziell Cheftrainer nennen darf, zufrieden fest.

Nach dem 3:0 gegen Rot-Weiß Oberhausen steht Arminia Bielefeld erstmals seit dem zweiten Spieltag nicht auf einem Abstiegsplatz. Doch auch wenn mit Krämer zumindest zeitweise der Erfolg nach Bielefeld zurückgekehrt ist, bleibt der neue Hoffnungsträger loyal: "Die Grundlage für unsere Ergebnisse hat Markus von Ahlen gelegt. Die Arbeit mit ihm war für mich super", sagte er in der "Neuen Westfälischen".

Tabellenrechner zur 3. Liga: Wie geht es weiter mit der Arminia? Wer steigt auf?

"Volle Kanne von Anfang an"

Dennoch hat der neue Coach personell umgestellt. Torwart Patrick Platins verlor nach einer Schulterverletzung seinen Stammplatz an Stefan Ortega, auch Stürmer Eric Agyemang konnte die Erwartungen nicht erfüllen und sitzt nun auf der Bank.

Probleme gab und gibt es genug - die Mängelliste reicht von fehlender Durchschlagskraft in der Offensive über Disziplinlosigkeit (schon fünf Platzverweise) bis hin zu teilweise plan- und lustlosen Auftritten. Da sind Leistungen wie die starke zweite Halbzeit gegen Oberhausen zwar ein Schritt nach vorne, aber nur ein Anfang.

Bei der jungen, größtenteils recht unerfahrenen Mannschaft trifft Krämer offenbar den richtigen Ton. "Der Trainerwechsel hat eine feste Schraube bei uns gelöst", sagt Torwart Ortega. Das neu zusammengestellte Team scheint sich zu finden und plötzlich wissen die Blauen, die nur 14 Treffer in 15 Spielen verzeichnen können, auch wo das Tor steht.

Mit einem offensiven 4-1-4-1 als Spielsystem und frühem Pressing will Krämer auch in Münster antreten: "Wir werden offensiv spielen, volle Kanne von Anfang an."

Kapitän Markus Schuler, der in weit über 100 Bundesliga-Spielen auf der linken Seite für die Arminia rackerte, ist ebenfalls zuversichtlich: "Wir haben Selbstvertrauen getankt und auswärts tun wir uns zurzeit auch noch einen Tick leichter als zu Hause. Ich glaube, es sprechen am Samstag viele Faktoren dafür, dass wir erfolgreich sein werden."

Chronische Geldsorgen

Doch steckt die Arminia freilich nicht nur sportlich in einem Überlebenskampf. Auch finanziell bewegt sich der DSC auf einem schmalen Grat: 30 Millionen Miese stehen zu Buche. Besserung ist nicht in Sicht, da sowohl Zuschauer- als auch Sponsoreneinnahmen gering sind. Derzeit läuft das Nachlizenzierungsverfahren beim DFB, und Geschäftsführer Markus Uhlig kann weder Punktabzüge noch Geldstrafen ausschließen.

Gut möglich also, dass die chronisch leeren Kassen den zarten sportlichen Aufschwung behindern oder gar zunichte machen.

In Bielefeld sind derartige Probleme nichts Neues: Schon in den vergangenen beiden Jahren wurde die Lizenz erst in letzter Sekunde und nach großzügigen Sponsoren-Geldspritzen erteilt. In dieser Saison deutet ebenfalls vieles auf eine Zitterpartie hin, bei der nicht Tore und Punkte, sondern Zahlen und Bilanzen die Hauptrolle spielen.

Auch auf dem Konto von Stefan Krämer macht sich die angespannte Finanzlage bemerkbar. Trotz Beförderung kassiert der neue Chef weiterhin sein Assistentengehalt, gut 4000 Euro laut lokaler Presse. Erst in der Winterpause soll über eine Erhöhung verhandelt werden. Im Millionengeschäft Fußball dürfte diese Summe wohl ein Ausnahmefall sein.

Krämers Geheimwaffe: ein T-Shirt

Das liebe Geld aber spielt zumindest am Samstag keine Rolle. Für die Fans ist das Derby das wichtigste Spiel der Saison. Das weiß auch Mittelfeldspieler Tim Jerat: "Uns Spielern ist allen bewusst, was dieses Spiel bedeutet. Ein Sieg in Münster kann dann auch eventuell einiges der letzten Wochen wieder gut machen."

Der jüngste Aufwärtstrend hat die Euphorie wieder geweckt. Das Gästekontingent von 3500 Karten ist jedenfalls längst vergriffen und auch in Münster freut man sich auf ein volles Haus.

Krämer will den Derby-Dreier auf seine ganz eigene Weise möglich machen. Der abergläubische Coach steht seit Wochen im selben schwarzen T-Shirt an der Seitenlinie, seitdem hat die Arminia nicht mehr verloren. Klar, dass der Glücksbringer auch in Münster dabei ist: "Solange wir nicht verlieren, bleibt das Ding an." Für Samstag sind übrigens neun Grad vorhergesagt.

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