"Das ist purer Zufall"

Von Interview: Kevin Bublitz / Mark Heinemann
Dr. Volker Oppitz spielte von 2000 bis 2010 für Dynamo Dresden - jetzt ist er Geschäftsführer
© Getty

Aus der Kabine ins Chefbüro: Ex-Profi Dr. Volker Oppitz hat nach seiner aktiven Karriere nicht nur eine Doktorarbeit fertiggestellt, er ist bei Dynamo Dresden vom Spieler zum Geschäftsführer aufgestiegen. Vor dem letzten Drittliga-Spieltag spricht Oppitz über die Aufstiegschance, Frohnatur Reiner Calmund und den Aufschwung Ost.

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SPOX: Herr Oppitz, wie viel Beruhigungstee haben Sie in letzter Zeit trinken müssen?

Dr. Volker Oppitz: (lacht) Ich bin leidenschaftlicher Teetrinker, aber ich trinke meistens Energietee und nichts zur Beruhigung. Seit einigen Wochen haben wir ja eher positiven Stress. Es ist anstrengend und intensiv, aber wir haben die große Chance, in die zweite Liga aufzusteigen. Da nehme ich das gerne in Kauf.

SPOX: Ihre Mannschaft hat es selbst in der Hand, sich für die Relegation zu qualifizieren. Wie viel Druck bringt das mit sich?

Oppitz: Man spürt eine Art Anspannung. Aber im Endeffekt haben wir ein positives Ziel, die Jungs können etwas Großartiges erreichen. Wenn man sieht, was für eine Euphorie hier herrscht, dann ist das für jeden Spieler ein tolles und wahrscheinlich auch einmaliges Erlebnis. Ich würde also nicht von Druck, sondern lieber von Ansporn sprechen.

SPOX: Herrscht in Dresden Ausnahmezustand, wenn Sie aufsteigen?

Oppitz: Davon gehe ich aus. Es ist etwas ganz Besonderes. Ich habe das selbst schon zweimal geschafft. Das ist toll, von 30.000 Fans im Stadion und von unzähligen Menschen in der ganzen Stadt gefeiert zu werden. So etwas kann einem keiner mehr nehmen.

SPOX: Haben Sie im Winter mit dieser Chance gerechnet?

Oppitz: Ich kann mich noch sehr gut an die Winterpause erinnern, als wir überlegt haben, was noch zu erreichen sein könnte. Da waren wir der Meinung, dass es schwer sein dürfte, nach oben zu kommen. Damals hatte Offenbach sieben Punkte Vorsprung und ein Nachholspiel. Umso bewundernswerter ist, dass es unsere Mannschaft doch noch geschafft hat.

SPOX: Nun geht es nach Offenbach, das den Aufstieg bereits verspielt hat.

Oppitz: Wir brauchen uns nicht der Illusion hinzugeben, dass Offenbach die Beine hochlegen wird. Zum einen ist es für den OFC die letzte Gelegenheit, das heimische Publikum zu versöhnen. Zum anderen geht es für einige Spieler darum, sich für andere Vereine anzubieten. Das wird ein extrem schweres Spiel für uns.

SPOX: Wäre Dynamo im Falle eines Aufstiegs für die zweite Liga gewappnet?

Oppitz: Natürlich müssten wir dann mit dem einen oder anderen Spieler sprechen. Momentan können wir aber nicht mit jemanden verhandeln, der nur für die 2. Liga zu holen wäre. Ich kann ja aktuell keinem glaubhaft vermitteln, dass wir das definitiv schaffen werden. Von daher gestaltet sich die Planung etwas schwierig. Es ist jedoch selbstverständlich, dass die Spieler unserer Mannschaft, die den Aufstieg dann gemeinsam geschafft hätten, unsere ersten Ansprechpartner wären.

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SPOX: Interessant bei Ihrem Profikader ist, dass es keinen Spieler ohne deutschen Pass gibt. Ist das Zufall?

Oppitz: Das ist mir noch gar nicht so bewusst gewesen. Aber wenn ich mir gerade den Kader so angucke, haben sie recht. Halt! Cristian Fiel ist zwar in Deutschland geboren, besitzt aber einen spanischen Pass (lacht). Na ja, es ist auf jeden Fall keine Philosophiefrage, sondern tatsächlich purer Zufall.

SPOX: Der Fußball im Osten Deutschlands unterliegt vielen Klischees, die nicht immer positiver Natur sind. Ist er auf dem richtigen Weg?

Oppitz: Wenn wir den Aufstieg schaffen sollten, wären fünf Traditionsvereine aus dem Osten zumindest wieder in der zweiten Liga. Das verspricht heiße Derbys und würde die Liga noch einmal aufwerten. Die Tendenz zeigt trotz aller Vorurteile nach oben.

SPOX: Sie selbst mussten zu Beginn des Jahres eine krankheitsbedingte Auszeit nehmen. Wie schwer ist Ihr Job?

Oppitz: Es ist schon ein sehr kompliziertes Konstrukt hier in Dresden. Man kann das mit kleineren Vereinen in der 3. Liga gar nicht vergleichen. Unsere Arbeit ist sicher mit dem eines Zweitligisten gleichzusetzen. Als Geschäftsführer war und bin ich für viele Dinge alleine verantwortlich. Es ist eine ziemliche Bank, so einen großen Verein mit so vielen Mitarbeitern zu führen. Aber mir macht die Aufgabe Spaß und ich fühle mich ihr auch gewachsen.

SPOX: War der Sprung vom aktiven Fußballer zum Geschäftsführer zu groß?

Oppitz: Die Krankheit resultierte meiner Ansicht nach schon daraus, dass ich sehr schnell vom Fußballplatz zum Geschäftsführer aufgestiegen bin. Dann kommt zu der rasant ansteigenden Arbeitsbelastung auch hinzu, dass ich nicht die Zeit hatte, um abzutrainieren. Aber jetzt bin ich wieder vollkommen fit.

SPOX: Dynamo Dresden steht Reiner Calmund als Berater zur Seite. Er hat wiederholt Kritik an der Vereinsführung geübt, es gehe oftmals nur um Egoismen und nicht um das allgemeine Wohl des Vereins. Wie stehen Sie dazu?

Oppitz: Grundsätzlich ist es angenehmer, Konflikte, die es in einem großen Verein immer wieder mal geben kann, intern zu klären. Aber Herr Calmund wird eben auch ständig zu Dynamo Dresden befragt und äußert öffentlich seine Meinung, wenn er es für notwendig hält. Das ist in Ordnung. Es kann ja auch dazu führen, dass man sich zusammenrauft und dann versucht, die Dinge zu bereinigen. Er hat uns auch intern sehr viel geholfen.

SPOX: Muss man sich eine Sitzung mit Herrn Calmund wie seine One-Man-Shows im TV vorstellen?

Oppitz: Er ist eine Frohnatur, die aber sehr gut auch anders kann. Ab und zu bringt er Humor mit rein, was bei Unstimmigkeiten ungemein hilft, die Atmosphäre aufzulockern. Das ist sehr wertvoll. Es ist aber nicht so, dass nur Calmund redet. Er hört sich auch andere Meinungen oder Themen an und geht drauf ein.

SPOX: Wie kommt eigentlich ein junger Mann, der bis vor einem Jahr noch selbst als Profi auf dem Fußballplatz stand, zu einem Doktortitel?

Oppitz: Ich habe mein BWL-Studium hier in Dresden absolviert, als ich noch in der zweiten Mannschaft spielte. Nachdem ich dann in die erste Mannschaft gekommen bin, habe ich mir gesagt: 'Okay, du willst jetzt die nächsten zehn Jahre nicht nur Fußball spielen.' Als Profifußballer ist man zeitlich nun wirklich nicht so extrem beansprucht, dass man nicht nebenbei noch etwas in diese Richtung machen könnte.

SPOX: Und dann haben Sie sich entschieden, dass sich ein 'Dr.' vor Ihrem Namen ganz gut machen würde?

Oppitz: So blöd das klingt, aber da kam mir eine zweijährige Verletzungspause zu gute. (lacht) Ich habe mir das ganz gut eingeteilt. In wichtigen Phasen habe ich relativ wenig an der Doktorarbeit gemacht, in anderen Phasen mehr. Letztlich habe ich viereinhalb Jahre dafür gebraucht.

SPOX: Damit entsprechen Sie nicht gerade dem typischen Klischee eines Profifußballers.

Oppitz: (lacht) Das stimmt. Aber es gibt ja immer Ausnahmen von der Regel.

SPOX: Gab es blöde Sprüche in der Kabine?

Oppitz: Das hielt sich in Grenzen. Für manche war ich der Professor. Aber negative Erfahrungen habe ich damit nicht gemacht.

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