"Stanislawski ist ein Streber"

Von Interview: Kevin Bublitz / Mark Heinemann
Christian Wück ist seit Oktober 2009 Trainer von Holstein Kiel
© Getty

Viele Experten hatten Holstein Kiel im vergangenen Sommer noch als Geheimtipp für den Aufstieg in die 2. Bundesliga auf der Rechnung. Doch wer sich aktuell die Tabelle der 3. Liga anguckt, wird erst ganz weit unten fündig - denn die Störche stecken in akuter Abstiegsnot. Im Interview sucht Trainer Christian Wück nach den Gründen für das Dilemma der Norddeutschen, spricht über den Raubbau am eigenen Körper und sein Vorbild Willi Entenmann.

Anzeige
Cookie-Einstellungen

SPOX: Herr Wück, Sie haben zum Amtsantritt gesagt, dass ihre Mannschaft eine Top-Qualität hat. Sehen Sie das immer noch so?

Christian Wück: Man muss die Qualität, die jeder individuell hat, als Kollektiv auf dem Platz umsetzen. Genau dort liegt unser Problem, und daran muss jeder einzelne arbeiten. Mir fehlt die Homogenität im Team.

SPOX: Michael Holt hat zwölf Tore geschossen, dennoch sind Sie Tabellenvorletzter. Wieso kommen Sie nicht aus dem Keller raus?

Wück: Wir haben einen großen Kader von über 25 Spielern, wovon aber nur sechs getroffen haben. Nur Michael hat mehr als fünf Tore geschossen. Das ist zu wenig.

SPOX: Sie haben sicher schon einige Dinge versucht. Was können Sie noch machen?

Wück: Es ist klar, dass wir mit dem vorhandenen Material auskommen müssen, das ist auch überhaupt kein Problem. Die Jungs müssen ihre Qualität abrufen, daran muss sich auch das Trainerteam messen lassen. Wir versuchen immer wieder etwas Neues, nur die Spieler müssen dahinter kommen, dass Disziplin, Laufbereitschaft und Teamgeist die elementaren Dinge des Fußballs sind.

SPOX: Kiel wurde vor der Saison der direkte Durchmarsch in die 2. Bundesliga zugetraut. War dadurch der Druck zu hoch?

Wück: Ich denke, diese Vorschlusslorbeeren entbehren jeglicher Grundlage. Wenn man die Kaderzusammensetzung sieht, stellt man fest, dass die meisten Spieler ihre Erfahrungen in der Regionalliga gesammelt haben. Wir haben zwei Spieler, die man als Zweitligaspieler bezeichnen kann. Das sind Benjamin Schüßler, der einen Kreuzbandriss erlitten hat, und Fiete Sykora. Wir müssen mit den Einschätzungen der sogenannten Experten, aber vor allem mit der harten Realität leben.

SPOX: Was würde der Abstieg für Kiel bedeuten?

Wück: Ein Abstieg wäre total unnötig. Der Verein ist im Aufbruch und bildet gerade Strukturen, die im professionellen Fußball unablässig sind. Wir müssen alles tun, um diesen drohenden Abstieg zu verhindern, denn das würde den Klub zurückwerfen.

SPOX: Sie standen mit 24 Jahren kurz vor der Sportinvalidität. Sieht man den Fußball nach einer solchen Erfahrung anders?

Wück: Vielleicht insofern, dass ich mit Freude und Dankbarkeit auf meine Karriere zurückblicke. Mein Arzt hat mir damals gesagt, dass ich die Fußballschuhe an den Nagel hängen soll. Ich hatte dann dank der Meniskustransplantation einfach das Glück, noch ein paar Jahre meinem Hobby und Beruf nachzugehen, habe dann aber auch rechtzeitig den Absprung geschafft.

SPOX: Sie waren der erste Profi, der mit einem transplantierten Meniskus gespielt hat. Wie sehen Sie Ihren Raubbau am eigenen Körper heute?

Wück: Als Spieler registriert man das nicht. Man hat Spaß am Spiel und sieht über Schmerzen hinweg.

SPOX: Vor knapp einem Jahr haben Sie Ihren Trainerschein gemacht. Wie war die Zeit an der Schule?

Wück: Hart. Wir waren von montags bis donnerstags in Köln an der Akademie und haben da wirklich gepaukt. Es war schon eine Umstellung, wieder die Schulbank zu drücken.

SPOX: Kennt man die Materie als ehemaliger Profi nicht schon längst?

Wück: Man bekommt noch mal einen ordentlichen Schub an Theorie- und Hintergrundwissen. Aber als Trainer der ersten drei Ligen, und da soll uns ja dieser Lehrgang hinbringen, hat man seine Experten an der Hand. Die moderne Entwicklung zeigt, dass der Cheftrainer inzwischen vielmehr damit beschäftigt ist, seine Experten zu koordinieren. Eine Entwicklung, die ich sehr positiv bewerte. Ich denke Jürgen Klinsmann, auch wenn das mit Bayern schiefgegangen ist, hat da schon den richtigen Weg eingeschlagen. Felix Magath hat Erfolg damit.

SPOX: Muss der DFB umdenken?

Wück: Der DFB schaut über den Tellerrand hinaus und guckt, wie es die anderen Verbände handhaben. Optimal wäre eine Mischung aus Fernstudium, Überprüfung im Verein und eben den Kursen in Köln.

SPOX: Warum?

Wück: Es würde zwar bedeuten, dass die Ausbildung zwei Jahre dauert, aber eben nicht am Stück. Außerdem müssten die Trainer, die schon in einem Arbeitsverhältnis stehen, weiter in ihrem Verein arbeiten können. In diesem Fall wären unangemeldete Besuche vom DFB beim Training und die Vorbereitung auf die schriftlichen Prüfungen per Fernstudium eine Lösung. Gemeinsam mit den Seminaren in Köln wäre das sicher eine gute Alternative.

SPOX: Was ist ihr prägendstes Erlebnis während der Ausbildung?

Wück: Vier oder fünf  Kollegen, mich eingeschlossen, haben ihren Job verloren. Das war immer doof, wenn man dann am Montag zum Lehrgang kam und es hat wieder einen erwischt. Das sind einfach Momente, die würde man am liebsten gar nicht erleben oder so schnell wie möglich vergessen. Ansonsten war es eine harte aber sehr schöne Zeit. Ich habe viele Kollegen wiedergesehen oder kennengelernt und wir sind eine richtig verschworene Gemeinschaft geworden.

SPOX: Wer war denn Ihr Lieblingsmitschüler?

Wück: Christian Hock und Holger Stanislawski, der Streber, waren die zwei, mit denen ich am meisten zu tun hatte. Einfach aus dem Grund, weil wir uns aus unserer aktiven Karriere schon kannten und allesamt Zweitligatrainer sind oder waren.

SPOX: Welcher Trainer ist Ihr Vorbild?

Wück: Willi Entenmann!

SPOX: Eine eher ungewöhnliche Antwort.

Wück: Mag sein. Aber er war mein erster Trainer und hat mir als jungem Spieler eine Chance gegeben und mich ins Bundesligafeuer geworfen. Ein Typ, der immer offen und ehrlich ist und mir in vielen Situationen sehr geholfen hat. Diese ehrliche und offene Art möchte ich auch weiter umsetzen und in meine Arbeitsweise mit einbeziehen.

Die Tabelle der 3. Liga