"Wir brauchen die deutsche Siegermentalität"

Von Interview: Kevin Bublitz / Mark Heinemann
Wynton Rufer (r.) bei der Verleihung eines Fair-Play-Preises am Rande eines Jugendturniers
© Imago

Seit 1982 hat der neuseeländische Fußball auf die erneute Teilnahme an einer Weltmeisterschaft gewartet. Damals trug auch der ehemalige Stürmer von Werder Bremen, Wynton Rufer, das Trikot der All Whites. 28 Jahre später haben es die Kiwis wieder geschafft und reisen 2010 zur WM nach Südafrika. Mittendrin ist dann auch Wynton Rufer, der bereits seit 1997 eine Fußballschule in Neuseeland betreibt und Talente nach Europa vermittelt. Eines davon ist sein eigener Sohn Caleb.

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SPOX erreichte Ozeaniens Fußballer des Jahrhunderts und seinen Sohn in Wiesbaden. Caleb spielt dort als Stürmer für die Reserve des Drittligisten SV Wehen Wiesbaden in der Regionalliga.

Gemeinsam sprechen die beiden über die anstehende Karriere von Rufer Jr., die Entwicklung des neuseeländischen Fußballs und über die Chancen der neuseeländischen und der deutschen Nationalmannschaft bei der WM 2010.

SPOX: Caleb, wie ist es, Sohn eines so berühmten Vaters zu sein?

Caleb Rufer: Einige Leute reden manchmal darüber. Für mich ist es cool, dass mein Vater hier so bekannt ist. Aber ich bin eben nicht mein Vater, sondern Caleb. Ich will für mich selbst versuchen, so weit wie möglich zu kommen.

SPOX: Aber der berühmte Familienname hilft und motiviert Sie doch sicherlich?

Caleb Rufer: Dass er mir hilft, glaube ich nicht. Aber ich habe natürlich die Motivation, irgendwann mal so gut zu werden wie mein Vater. Er gibt mir viele Tipps und redet mir permanent sein Motto ein: Hart arbeiten! (lacht)

SPOX: Wie sehr ist Vater Rufer denn mit der Karriere des Sohnes zufrieden?

Wynton Rufer: Seine Karriere hat ja gerade erst angefangen. Er könnte vom Alter her eigentlich noch in der A-Jugend spielen. Daher ist es eine schöne Sache, dass er schon einen Profivertrag bekommen hat, und auch für die Zukunft sieht es derzeit nicht schlecht aus. Ich denke, dass ihm insgesamt die Erfahrung in Deutschland gut tut. Es ist natürlich nicht immer einfach, wenn man als junger Mensch fern von der Heimat am anderen Ende der Welt lebt, aber wenn man Profi werden möchte, muss man solche Dinge machen.

SPOX: Sie haben ihm die Grundlagen in Ihrer Fußballschule in Neuseeland selbst beigebracht. Wie wird an der "Wynton Rufer Soccer School of Excellence" trainiert?

Wynton Rufer: Wir achten sehr auf Technik und Koordination, das Läuferische und Taktische interessiert uns weniger. Daher ist bei den Übungen, wie bei den Brasilianern, zumeist der Ball mit dabei. Eine technische Grundausbildung in frühen Jahren ist ungemein wichtig und hilft dann im Seniorenalter. Der Fußball wird immer schneller, dafür braucht man eine gute Technik und eine Vertrautheit mit dem Ball.

Caleb Rufer: Wir spielen dort fast ausschließlich auf dem Kleinfeld. Ich kann beidfüssig spielen, was ein Verdienst der Ausbildung in der Schule meines Vaters ist. Im Bezug auf Schnelligkeit und Kraft kann ich sicherlich noch zulegen.

SPOX: Wie unterscheiden sich die Nachwuchsausbildung in Neuseeland und Deutschland?

Caleb Rufer: In Neuseeland gibt es keine guten Fußballmannschaften, ganz im Gegenteil zu Deutschland. Hier gibt jeder hundert Prozent und kämpft um jeden Ball, die Trainingseinheiten sind intensiver. In Neuseeland war alles sehr locker und es gab keine Herausforderung. Du kannst dich dort kaum verbessern, daher hat mein Vater recht, wenn er sagt, dass junge Neuseeländer nach Europa müssen, um sich persönlich und sportlich weiterzuentwickeln.

Wynton Rufer: Ich denke, dass Deutschland im Nachwuchsbereich in den letzten Jahren große Fortschritte gemacht hat, was sicherlich viel mit der Arbeit von Matthias Sammer zu tun hat. Man braucht sich ja nur die Erfolge der U-Teams anzuschauen. Beim DFB hat sich einiges in Sachen Technik und Spielverständnis getan. Auch die Frauen-Nationalmannschaft ist schon seit Jahren absolute Weltspitze.

SPOX: Auf welchem Weg kommen die Talente aus Neuseeland nach Europa?

Wynton Rufer: Wir organisieren regelmäßig Reisen, bei denen sich die jungen Spieler vorstellen können. Die Förderung geht bei uns ab dem Alter von sieben Jahren los und bezieht natürlich auch die Persönlichkeitsentwicklung mit ein. Ich denke, dass dafür auch die Auslandserfahrungen sehr wichtig sind, daher fangen wir früh an, Kinder für ein Probetraining nach Europa zu bringen. Zuletzt waren wir im Februar mit Zehnjährigen in Bremen und München. Wir nehmen auch mit Mannschaften an internationalen Turnieren teil. Dort können sich die Nachwuchsspieler dann zeigen und präsentieren.

Caleb Rufer: Ich habe auch schon in Japan vorgespielt. Die Spieler sind dort technisch stark, aber im Vergleich zu Europa körperlich unterlegen.

SPOX: Und wie viele Talente bekommen dann einen Vertrag?

Wynton Rufer: Bei West Bromwich Albion, den Blackburn Rovers oder aber den Glasgow Rangers spielen schon seit zwei Jahren Talente, die den Durchbruch noch nicht geschafft haben. Das ist auch ein Prozess, der noch dauert. Man muss immer wieder kleine Schritte machen. Es hängt dann natürlich auch viel mit dem Umfeld zusammen. In England ist das mit der Sprache noch in Ordnung, aber Caleb und Stefan Marinovic, der auch in Wiesbaden spielt, müssen Deutsch lernen. Das ist natürlich nicht leicht.

Caleb Rufer: Es ist gut, dass Stefan auch hier ist, aber in Hannover habe ich alleine bei einer Gastfamilie gewohnt. Das war für mich auch kein Problem.

SPOX: Caleb, welche deutschen Vereine kannten Sie, bevor Sie nach Europa kamen?

Caleb Rufer: Alle in Neuseeland, die sich für Fußball interessieren, kennen die großen Vereine wie Werder Bremen oder Bayern München. Mein Lieblingsklub ist aber der FC Barcelona, weil die einfach richtig schönen Fußball spielen. Außerdem liebe ich es, Lionel Messi zuzuschauen.

SPOX: Wann wollen Sie den Durchbruch geschafft haben?

Caleb Rufer: Ich muss noch viel lernen und hart an mir weiterarbeiten, dann wird meine Zeit hoffentlich bald kommen. Einen Zeitplan, wann ich in der ersten Mannschaft von Wiesbaden spielen will, habe ich nicht.

SPOX: Der Fußball ist in Neuseeland nicht unbedingt ein Volkssport. Was fasziniert Sie daran?

Caleb Rufer: Seit ich fünf Jahre alt bin, spiele ich Fußball. Es macht Spaß zu kicken und zu gewinnen. Natürlich habe ich das auch meinem Vater zu verdanken, zu Hause reden wir fast nur über Fußball und die Fußballschule hat mir sehr geholfen.

Wynton Rufer: Ich lege sehr große Hoffnungen in die WM 2010 in Südafrika. Seit dem entscheidenden Spiel gegen Bahrain ist in Neuseeland eine unglaubliche Euphorie ausgebrochen. Die Kinder und Jugendlichen wollen Fußball spielen und alle fiebern der WM entgegen. Das ist fantastisch und bringt uns wieder einen Schritt weiter. Mich freut es ganz besonders, denn ich arbeite mittlerweile seit 1997 an der Entwicklung des Fußballs in Neuseeland, was nicht immer einfach war, weil der Fußball dort eben kein Volkssport ist und die Mentalität des Spiels auch nicht unbedingt zur etwas lockereren neuseeländischen Einstellung passt.

SPOX: Wo liegen die größten Probleme?

Wynton Rufer: Caleb sagte es bereits, es gibt an sich mit Wellington Phoenix nur einen Verein, der professionell in der australischen A-League beheimatet ist. Ansonsten spielt sich viel auf der Amateurebene ab. Spieler, die ihre Erfahrungen auf hohem Niveau im Ausland gemacht haben, gibt es eigentlich kaum. Doch die WM-Qualifikation begreifen jetzt alle als Chance, sich und den neuseeländischen Fußball zu präsentieren. Ich denke, dass sich mittlerweile einiges in Bewegung gesetzt hat.

Caleb Rufer: Das Spiel gegen Bahrain war in Neuseeland das Größte überhaupt. Es bedeutet einen riesigen Schritt für den gesamten dortigen Fußball und alle hoffen, dass es in den nächsten Jahren so weiter geht.

SPOX: Wie bewerten Sie die Gruppengegner Italien, Paraguay und Slowakei?

Wynton Rufer: Eigentlich ist es egal, gegen wen wir spielen, weil wir einfach froh sind, dass wir dabei sind. Wir wären auch mit einer Gruppe zufrieden, in der Brasilien, Spanien und die Niederlande gewesen wären (lacht). Wenn es möglich gewesen wäre, hätte ich mir Brasilien, Deutschland, die Schweiz oder Griechenland gewünscht, weil ich noch gute Kontakte zu Jorghino, Carlos Dunga, Ottmar Hitzfeld und nach Deutschland, aber natürlich auch zu meinem ehemaligen Bremer Trainer Otto Rehhagel habe. Aber die WM ist ja zum Glück auch kein Wunschkonzert. Ich hoffe, dass wir eine gute Rolle spielen können.

SPOX: Was trauen Sie der deutschen Nationalmannschaft zu?

Wynton Rufer: Dass sie wieder eine sehr gute WM spielen wird. Sie kommen doch eigentlich immer bis ins Halbfinale (lacht). Ich denke, dass sie auch in Südafrika wieder vorne mit dabei sein werden, weil sie einfach auch die Siegermentalität dafür haben. In Deutschland will man immer gewinnen. Ich bin ein Fan der Nationalmannschaft. Wenn wir diese Mentalität auch in Neuseeland hinbekommen, sind wir schon wieder einen Schritt weiter.

Der Kader des SV Wehen Wiesbaden