Jena entlässt Coach Bürger

SID
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© Getty

Drittligist FC Carl Zeiss Jena hat angesichts der sportlichen Talfahrt die Reißleine gezogen und Trainer Henning Bürger mit sofortiger Wirkung suspendiert.

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"Das Trainergespann ist mit sofortiger Wirkung beurlaubt", verkündete Geschäftsführer Andreas Wiese nach dem 0:6-Debakel gegen den VfB Stuttgart II.

Bürger, dessen Team mit nur fünf Punkten auf den 18. Platz abrutschte und erstmals auf einem Abstiegsplatz steht, hatte Jena am 22. Dezember 2007 als Vorletzter der 2. Liga übernommen und damals den Klassenverbleib verpasst.

Die Nachfolger für Bürger und seinen Assistenten Thomas Matheja sollen in der kommenden Woche präsentiert werden. Bürger ist nach Edgar Schmitt vom VfR Aalen bereits der zweite Drittliga-Coach, der seinen Hut nehmen musste.

Desolate Leistung der Jenaer

Der Zweitliga-Absteiger zeigte eine desolate Leistung und blamierte sich im eigenen Stadion. Vor 6041 Zuschauern sorgte Johannes Rahn (4./8.) mit seinen beiden ersten Saisontreffern für einen optimalen Start der Gäste.

Marco Riemer (37.) besorgte mit einem Eigentor die 3:0- Halbzeitführung der Schwaben. Erneut Rahn (56.), Sebastian Hofmann (86.) und Julian Schieber (88.) machten den Kantersieg perfekt.

Die verletzungsgeplagten Jenaer - Bürger standen lediglich 14 Spieler zur Verfügung - wirkten nach dem Doppelschlag geschockt und agierten verunsichert. Vor allem die Abwehr produzierte Fehler am Fließband. Erst nach einer Viertelstunde versuchten die Gastgeber, ein Spiel nach vorne aufzubauen.

Fans mit Pfeifkonzert

Die beste Chance hatte Sebastian Hähnge (30.), der aber um Zentimeter das Tor verfehlte. Für Entsetzen sorgte dann sein Teamkollege Riemer, als er eine flache Eingabe der Gäste ins eigene Tor lenkte. Den schwachen Auftritt quittierten die Jenaer Fans mit einem gellenden Pfeifkonzert und Protesten. Trotz der zahlreichen Paraden von Schlussmann Carsten Nulle ging Jena in Halbzeit zwei regelrecht unter.

"Das Präsidium hat einhellig entschieden", sagte Wiese auf der Pressekonferenz, zu der Bürger schon nicht mehr erschien. Auch der derzeit im Urlaub in Italien weilende Präsident Peter Schreiber war per Telefon in die Entscheidung einbezogen.

Schreiber hatte vorher angekündigt, seinen Urlaub in dringenden Notfällen zu beenden und von Sardinien zurück nach Thüringen zu kommen. Dies war nun jedoch nicht nötig, da der Verein nach der höchsten Niederlage in den vergangenen zehn Jahren keine andere Möglichkeit sah, als Bürger von allen seinen Aufgaben zu befreien, so Wiese.

Athletik-Trainer als Interimslösung

Nach der Beurlaubung soll Athletik-Trainer Mark Zimmermann vorerst die Übungseinheiten des Traditionsklubs leiten. "Wir befinden uns ab sofort auf der Suche nach einem neuen Trainer", sagte Sportdirektor Carsten Linke.

Den Unmut der eigenen Fans zog sich die Jenaer Mannschaft schon während der ersten Halbzeit zu. Nach dem Eigentor von Verteidiger Marco Riemer zum 0:3 drehte sich die gesamte Südkurve mit dem Rücken zum Spielfeld und zeigte stillen Protest.

Mit einem gellenden Pfeifkonzert schickten sie ihr Team dann in die Kabine. Nach dem Abpfiff umzingelten die aufgebrachten Anhänger das Pressezentrum. Stürmer Sebastian Hähnge versuchte mit einem Megafon die Fans zu besänftigen.

"Bei Gegentoren hat mindestens einer geschlafen"

"Ich bin komplett leer", sagte Torhüter Carsten Nulle, der trotz der sechs Gegentreffer als einziger ansatzweise Normalform erreichte. Für den Jenaer Schlussmann war die klare Niederlage unerklärlich. "Das ist jetzt ganz, ganz bitter. Bei den Gegentoren hat immer mindestens einer von uns geschlafen."

Vergangenes Jahr habe er mit seinem alten Verein SC Paderborn 1:6 in Mainz verloren, eine Begegnung wie die am Sonntag habe er in seiner Karriere aber noch nicht erlebt.

Saisonziel bleibt bestehen

Vom Saisonziel, einem Platz im oberen Drittel, wollte die sportliche Leitung um Linke trotz des desolaten Auftritts und der dritten Niederlage im sechsten Spiel noch nicht abrücken. "Die nächsten Schritte werden jetzt beschlossen und dann sehen wir weiter", erklärte Linke.

Ob neue Spieler verpflichtet werden, machte der Sportchef von den Wünschen des neuen Trainers abhängig.

Der 38-jährige frühere Bundesligaprofi Bürger, der einst aus Zeulenroda zum Jenaer Sportgymnasium kam, spielte zu Beginn seiner Laufbahn sieben Jahre für den FC Carl Zeiss. Er bestritt 99 Bundesliga- und 176. Zweitliga-Spiele unter anderen für Schalke 04, den 1. FC Nürnberg, Eintracht Frankfurt und den FC St. Pauli sowie 53 DDR-Oberliga-Partien.