Der FCB mahnt trotz Kantersieg in Paderborn und Pokalfinal-Kurs: Die Sammer-Bayern

Wirklich ausgelassen feierten die Bayern trotz des 6:0-Siegs im Pokal-Viertelfinale nicht
© getty

Der FC Bayern München hat mit dem 6:0-Schützenfest im DFB-Pokal-Viertelfinale beim SC Paderborn einen weiteren Schritt in Richtung Berlin gemacht. Zwar sind die Münchner zufrieden mit dem Ergebnis und den ansehnlich herausgespielten Toren, allerdings gab es erneut Grund, den Finger in die Wunde zu legen und in Sammer-Manier zu mahnen.

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Spätestens Dante hat den Gesang zum Kult gemacht. Nach dem Triplegewinn 2013 nahm der Brasilianer ein legendäres Video auf.

Das über beide Ohren strahlende Gesicht des Brasilianers schaute in die Handykamera und sang den Gassenhauer aus der Südkurve: "Wir holen die Meisterschaft und den Europacup und den Pokal, den holen wir noch einmal." Und das auf sympathisch-lustige Art und Weise. "Und Pokal auch" wurde Kult. Dante war es ja sowieso schon.

Am Dienstagabend sorgten die Fans des SC Paderborn für große Momente während des DFB-Pokal-Viertelfinals gegen den FC Bayern München. Am lässigsten war dabei, als die Ostwestfalen minutenlang in bemerkenswerter Lautstärke ihre eigene Interpretation des Gassenhauers durch die Benteler-Arena schmetterten.

"Wir holen die Meisterschaft und den Westfalencup und der Pokal, der ist uns scheißegal!"

Ein bisschen Galgenhumor, ein bisschen Selbstironie, aber auch eine ganze Menge Selbstvertrauen lagen in den Zeilen. Das Selbstvertrauen ist angesichts der sehr guten Ausgangsposition in der 3. Liga berechtigt. Und erst recht angesichts dessen, wie achtbar sich der SCP gegen den Rekordpokalsieger schlug.

Viel Lob für den SC Paderborn

"Paderborn hat nicht gespielt wie eine Drittligamannschaft", befand Bayerns Niklas Süle nach der Partie in der Mixed Zone und legte in flapsigem Ton nach: "Wie die da rausgezockt haben, war schon richtig gut. Die haben das überragend gemacht. Ich bin mir auch sicher, dass sie aufsteigen werden."

Eigentlich ist es paradox. Am Ende stand es nämlich 6:0 für die Bayern. Ein Ergebnis, das vorher viele erwartet hatten. Im vierten Pflichtspiel gegen den SCP erzielte der Rekordmeister zum vierten Mal mindestens vier Tore. Dennoch waren die Paderborner nicht unzufrieden mit ihrer Leistung und holten sich reihenweise Komplimente vom Gegner ab.

Zu Recht, denn auf dem sehr schwierig bespielbaren Platz spielte der Drittligist sehr mutig, zeigte zeitweise ansehnlichen Kombinationsfußball und war ganz nah dran, mindestens einen Treffer zu erzielen. Einmal verhinderte einen solchen die Flagge des Schiedsrichterassistenten, einmal der Pfosten - es sollte einfach nicht sein.

Dass Paderborn seit Leverkusen im Frühjahr 2015 in einem Pokalspiel gegen die Bayern die meisten Torschüsse abgab, hat zumindest Anerkennung verdient. Immerhin haben die Münchner seitdem schon dreimal im Pokal gegen den BVB gespielt.

FC Bayern leistet sich erneut Pausen

"Auch wenn sie sich davon nichts kaufen können, muss man den Hut vor ihnen ziehen", befand Joshua Kimmich im Bauch der Arena: "Als Drittligamannschaft so einen Fußball auf diesem Platz zu zeigen, finde ich beeindruckend."

Möglich wurden die vielen Gelegenheiten für Paderborn allerdings auch dadurch, dass sich der FC Bayern einmal mehr seine schöpferischen Pausen nahm. Beim Abseitsgegentor stimmte die Zuordnung nicht, Mats Hummels und Niklas Süle wirkten beizeiten unkonzentriert.

Süle fand kritische Worte: "In der zweiten Hälfte hatten wir wieder so ein kleines Loch, in dem wieder gefühlt jeder ein Tor schießen wollte und wir hinten deswegen viele Wege machen mussten. Das müssen wir als Team besser machen. Da muss eine bessere Kommunikation stattfinden, damit wir nicht in so viele Konter laufen. Auch wenn wir 4:0 führen, müssen wir besser stehen."

Sein Innenverteidiger-Kollege Hummels war während des Spiels zwischenzeitlich fuchsteufelswild, meckerte seine Teamkollegen lautstark an und bekam sich über zwei, drei Minuten überhaupt nicht mehr ein.

Sammers Mahner-Rolle ausgelagert

Seit Wochen verteilt sich die einstige Sammer-Rolle des Mahners auf mehrere Schultern. Bloß nicht auf dem Vorsprung in der Liga oder in dem Fall auf der Favoritenrolle im Pokal ausruhen. Die Befürchtung, dass solche unkonzentrierte Phasen gegen Teams auf Champions-League-Niveau bestraft werden, geht im rot-weißen Lager seit Wochen weite Wege.

Die nicht gerade überschwängliche Freude in den Gesichtern der Spieler, als sie nach Abpfiff in die Kurve gingen und sich bei den mitgereisten Zuschauern bedankten, sprach ebenfalls Bände.

Nichtsdestotrotz gefiel Trainer Jupp Heynckes ein Großteil dessen, was seine Mannschaft anbot: "Wir haben die Bodenverhältnisse angenommen und haben auf dem schweren Geläuf auch sehr gut kombiniert und wunderschöne Tore herausgespielt."

Besonders das Tor von Joshua Kimmich nach einem feinen Außenrist-Pass von Hummels und Arjen Robbens Schlenzer in den Winkel verdienten sich das Attribut Extraklasse.

Heynckes rotiert nach Mainz alle Stars wieder ins Team

Sowieso zeigte sich einmal mehr die qualitative Breite im Kader der Bayern: Alle Tore wurden von unterschiedlichen Spielern vorbereitet, mit Ausnahme des Robben-Doppelpacks in den Schlussminuten auch von jeweils anderen Torschützen markiert.

Heynckes hatte nach der Rotation in der Bundesliga gegen den 1. FSV Mainz 05 im Pokal die volle Kapelle auf den Rasen geschickt und zumindest offensiv lieferte diese. "Es war für mich vor dem Spiel in Mainz schon klar, dass wir so ungefähr in dieser Formation hier spielen wollten. Wir wollen ins Pokalendspiel einziehen. Man darf in solchen Spielen kein Risiko eingehen", erklärte Heynckes, warum er trotz des unterklassigen Gegners auf eine A-Elf setzte.

Da es beim verletzt ausgewechselten Thomas Müller leichte Entwarnung gab, waren die zwischenzeitlichen Unkonzentriertheiten also der einzige Wermutstropfen auf einem sonst gelungenen Abend für die Münchner.

Süle: Gier auf das Pokalfinale in Berlin "riesengroß"

Denn dem Finale in Berlin ist man durch den 6:0-Erfolg in Ostwestfalen einen weiteren Schritt näher gekommen. Für Süle wäre das Endspiel eine Premiere. Deshalb gestand er: "Die Gier ist riesengroß. Ich habe nur Gutes gehört. Deswegen werden wir hart arbeiten. Das Ziel ist ganz klar, den Pokal zu holen. Aber schon Berlin wäre für mich persönlich eine Riesengeschichte."

Weil die Bayern mit RB Leipzig und Borussia Dortmund bereits zwei ihrer größten Konkurrenten aus dem Wettbewerb gekegelt haben, wäre alles andere als der Pokalsieg der Heynckes-Truppe eine große Überraschung.

Das wussten an diesem Dienstagabend auch die Paderborner Anhänger. Deswegen dichteten sie "Und Pokal auch" kurzerhand um und riefen womöglich einen neuen Kultgesang ins Leben.

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