Claus-Dieter "Pele" Wollitz von Energie Cottbus im Interview: "Ich wurde eiskalt von den Fans reingelegt"

Von Max Schrader
Claus-Dieter Wollitz trainiert seit 2016 wieder Energie Cottbus.
© getty

Seit 2016 trainiert Claus-Dieter Wollitz wieder Energie Cottbus. Im Vorjahr stieg der von allen nur "Pele" genannte Wollitz mit Energie am letzten Spieltag aus der 3. Liga ab.


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Im Interview mit SPOX und Goal spricht Wollitz vor dem Pokalspiel gegen den FC Bayern München (20.45 Uhr im LIVETICKER) über seine "typische" Emotionalität, einen per Handy gefilmten Wutausbruch, die Aufstiegsregelung in der Regionalliga und das schlechte Image von Energie Cottbus.

Herr Wollitz, dass Sie ein emotionaler Trainer sind, ist landläufig bekannt. Wie sehr nervt es Sie denn, dass man beim Namen Wollitz immer an einen cholerischen Typen und Wutausbrüche denkt?

Claus-Dieter Wollitz: Das nervt mich schon, weil es einfach schade ist, wenn ich nur auf meine Emotionalität reduziert werde. Ändern kann ich es allerdings ohnehin nicht, so dass ich mich damit arrangieren und leben muss. Ich wundere mich dann nur immer, wieso ich dennoch so lange bei meinen Vereinen arbeite.

Ist es wirklich so, dass man das nicht mehr ändern kann?

Wollitz: Natürlich. Wenn du in Deutschland in eine Schublade gepackt wirst, dann kommst du da so schnell nicht wieder heraus. Ich bin aber nicht nur ein krakeelender Trainer, sondern vor allem einer mit Herz und Liebe für seine Spieler, die Angestellten und den Klub. Wahrscheinlich müsste man komplett von der Fußball-Bildfläche verschwinden, um dieser Schublade zu entfliehen.

SPOX-Mitarbeiter Max Schrader traf Claus-Dieter Wollitz zum Gespräch in Cottbus.
© SPOX
SPOX-Mitarbeiter Max Schrader traf Claus-Dieter Wollitz zum Gespräch in Cottbus.

Worauf führen Sie Ihre Emotionalität zurück?

Wollitz: Jeder hat gottseidank ein anderes Naturell. Im Fußball gehe ich nun mal auf, das ist meine Liebe. Wer mich als Trainer in den 90 Minuten erlebt, der könnte sich schon denken: Was zum Teufel ist denn bei dem Wollitz los? Während eines Spiels lebe ich eben meine Emotionen aus - manchmal mehr, manchmal weniger. Ich würde mir auch wünschen, dass ich früher in der einen oder anderen Situation meine Emotionen anders herübergebracht hätte, denn im Endeffekt hatte davon nur ich den Schaden. Gerade nach den Spielen oder beim Training bin ich allerdings sehr analytisch und gewissenhaft.

Was glauben Sie, wieso standen Sie noch nie in der ersten Bundesliga an der Seitenlinie?

Wollitz: Entweder bin ich zu emotional oder es reicht nicht.

Gab es Anfragen?

Wollitz: Nicht direkt. Nur von einem Verein, der aus der Bundesliga abgestiegen und in der darauffolgenden Saison wieder aufgestiegen ist. Ob das auch mit mir geklappt hätte, weiß ich nicht. Ansonsten waren immer relativ viele Zweitligisten dabei.

Wieso haben Sie diesen Verein nicht übernommen?

Wollitz: Wenn ein Klub zwei mögliche Trainer-Kandidaten auf Augenhöhe sieht, spielt sicherlich meine Emotionalität eine ausschlaggebende Rolle. Man müsste sich mit mir inhaltlich befassen, um die Emotionalität anders zu sehen und besser einordnen zu können.

2013 mussten Sie beim VfL Osnabrück gehen, weil Sie Ihren Rücktritt öffentlich bekannt gaben, bevor es der Verein tat. Kurz danach tauchte bei YouTube ein Handy-Video auf, das Sie in Jeans und roter Jacke vor dem Stadiontor an der Bremer Brücke zeigt. Dort hatten Sie hochemotional mit wartenden Fans diskutiert. Wie bewerten Sie diese Sache im Nachhinein?

Wollitz: Ich habe mich den Fans gestellt und wurde eiskalt hereingelegt. Ich sage eben meine Meinung, wenn man mich danach fragt. Ich finde, dass niemand das Recht hat, mich ohne meine Erlaubnis zu filmen und das dann auf YouTube zu stellen. Leider habe ich keine Chance, dagegen vorzugehen. Heute würde ich sagen, ab diesem Zeitpunkt war meine Karriere eigentlich erledigt.

Was denken Sie denn über Trainer, die am Spielfeldrand total ruhig sind?

Wollitz: Nichts. Da heißt es ja dann auch, dass die mehr aus sich herausgehen könnten. Es gibt in der heutigen Zeit keine Wahrheit mehr. Die einzige Wahrheit, die zählt, ist, dass man am Wochenende gewinnen muss. Dann ist es nämlich auch vollkommen egal, ob du verschlossen bist oder einen Wutausbruch hattest.

Und bei einer Niederlage ist dann alles falsch gewesen?

Wollitz: Ganz genau. Dann ist das Emotionale oder Ruhige an einem zu viel oder man hat schlicht falsch gewechselt. Es wird nur noch alles an Sieg oder Niederlage festgemacht. Dass der Gegner auch einfach mal besser war, wird nie als Diskussionsgrundlage genommen. Das ist jetzt nicht brandneu, aber durch das Internet ist die Kritik deutlich vielseitiger geworden. Früher hätten viele doch gar nicht mitbekommen, was ich gesagt habe. (lacht)

Nach der Zeit zwischen 2009 und 2011 trainieren Sie seit 2016 nun zum zweiten Mal Energie Cottbus. In der letzten Saison sind Sie mit dem Klub in die Regionalliga abgestiegen. Warum sind Sie geblieben?

Wollitz: Weil ich die Verantwortung für die sportlichen Resultate trage und der Verein mich behalten wollte. Man darf nicht vergessen: Noch nie ist ein Klub aus der 3. Liga mit so vielen Punkten wie wir abgestiegen. Natürlich arbeite ich lieber höherklassig, das geht ja auch jedem Spieler oder Mitarbeiter so. Die Menschen hier haben es einfach verdient, dass ich nicht davonlaufe.

Die Aufstiegsregelung in der Regionalliga wird seit langem von vielen Klubs kritisiert. Würde Cottbus in der kommenden Saison Meister in der Regionalliga Nordost, müsste man in die Relegation. Sind Sie der Meinung, dass alle Meister in die 3. Liga aufsteigen sollten?

Wollitz: Natürlich. Ich habe mich vor ein paar Jahren auch vehement dafür eingesetzt, damit die Gerechtigkeit im Fußball siegt. Nun gibt es den Kompromiss, dass nur noch zwei Mannschaften in die Relegation müssen - durch diesen Entschluss sind wir im Vorjahr als Vierletzter abgestiegen. Das akzeptiere ich aber. Wenn am Ende aber einer der Meister in der Relegation verliert, dann hat in meinen Augen weiterhin vor allem der Sport verloren. Es wäre alles so einfach: Fünf steigen ab und fünf steigen auf.

Diese Meinung haben viele, doch außer der leichten Veränderung der Regelung ist nichts passiert.

Wollitz: Ich bin aber auch einer der Wenigen, die das öffentlich äußern. Dazu bin ich langsam aber nicht mehr bereit. Viele stimmen mir hinter verschlossener Tür zu, trauen sich das aber nicht öffentlich zu äußern. Und diese Leute regen sich darüber noch viel mehr auf als ich. Wieso soll ich also immer beinahe allein Alarm machen?

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