Fanforscher Pilz: "Fischer-Eigentor" vermeidbar

SID
Helene Fischer wurde vom Publikum ausgepfiffen
© getty

Das heftige Pfeifkonzert beim Halbzeitauftritt von Helene Fischer während des DFB-Pokalfinales hat einmal mehr die schwierige Beziehung zwischen den Fans und dem DFB widergespiegelt.

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Dieses Eigentor war vermeidbar! Hätte der DFB auf seinen eigenen Experten gehört, wäre dem Verband die Halbzeit-Peinlichkeit beim Pokalfinale in Berlin in Person von "Frustableiter" Helene Fischer erspart geblieben. "Ich hätte auf jeden Fall davon abgeraten. Aber mich hat ja keiner gefragt. Ich werde dem DFB aber mein Befremden über diese Entscheidung mitteilen", sagte Gunter A. Pilz dem SID.

Für Deutschlands renommiertesten Fanforscher war der Halbzeitauftritt des deutschen Superstars in der Pause des Pokalfinales zwischen Borussia Dortmund und Eintracht Frankfurt (2:1) ein weiteres Beispiel für die fehlende Sensibiliät der Verantwortlichen im Umgang mit der Anhängerschaft: "Wenn man ein bisschen sensibler ist, weiß man um die aktuelle Stimmung unter den Fans. Dort herrscht verstärkt die Meinung, dass der Fußball immer weiter Richtung Kommerzialisierung treibt und sich am US-Sport orientiert."

Die Fan-Initiative FC PlayFair! erwartet deshalb auch weitere ähnliche Proteste in der Zukunft. Ihr Gründer Claus Vogt sagte MDR Aktuell: "Ich glaube, das wird nicht die letzte Aktion in die Richtung sein. Da bin ich mir ganz sicher." Fischer sei Opfer des ausufernden Fußball-Kommerzes geworden: "Ich glaube, da haben eher die Funktionäre etwas verbrochen." Sie hätten versucht, die Show des Superbowl in den USA zum DFB-Pokal-Finale zu holen "und haben vergessen, dass bei uns doch noch mehr der Sport im Mittelpunkt steht als nur der Kommerz."

Pilz, der den DFB seit mehr als 20 Jahren beratend zur Seite steht, sagt klipp und klar, dass man den Sport in Deutschland und den USA nicht annähernd vergleichen könne. "Der DFB besteht fast 120 Jahre, die meisten Vereine stehen für eine lange Tradition. Da zählen Werte wie Zuverlässigkeit, Leidenschaft, Identifikation", betont der 72 Jahre alte Soziologe. All dies spiele in Nordamerika keine Rolle: "Das sind alles Retortenvereine, die nicht mit einer Stadt verbunden sind. Da ist Sport Show und Business, meistens ohne Auf- und Abstieg. Wechselt der Geldgeber, zieht der Zirkus weiter. Das ist reines Event."

DFB um Dialog bemüht

Und das wollen die deutschen Fans nicht, wie Pilz weiß: "Die Angst nimmt zu, dass sich der Fußball immer weiter von der Basis entfremdet. Und mit so einer Showeinlage wie in Berlin fühlen sie sich in ihren Vorurteilen bestätigt." Plakate mit Slogans wie "Krieg dem DFB" oder ähnlichen Statements seien aber nicht zu rechtfertigen und würden auch von einem Großteil der Ultra-Szene verurteilt.

Der DFB ist offensichtlich um einen Dialog bemüht und auch selbstkritisch, wie Vizepräsident Peter Frymuth in der Rheinischen Post (Dienstagausgabe) deutlich machte. "Es gibt sicherlich unterschiedliche Gedanken, wie man das Format gestalten kann. Wir müssen versuchen, alle Interessen in unsere Überlegungen einzubeziehen."

Hinsichtlich der harschen Kritik von großen Teilen der organisierten Fans gegen den DFB ("Krieg dem DFB") ist Frymuth um eine differenzierte Aufarbeitung bemüht. "Wer ganz genau erklärt hier eigentlich wem den Krieg und warum? Ist damit die ganze Arbeit des DFB gemeint? Also auch die Arbeit an der Basis? Oder wird hier auf generelle Entwicklungen im bezahlten Fußball abgehoben? Werden damit Strafen wegen Verfehlungen der Fans kritisiert?", fragte sich Frymuth und sagte weiter: "Niemand kann ernsthaft an einer Entfremdung zwischen Verband und Fans Interesse haben."

Freiburgs Trainer Christian Streich hatte bereits nach dem Ligafinale seines SC bei Bayern München und dem fragwürdigen Halbzeit-Act mit Popröhre Anastacia kritisch angemerkt: "Wir müssen schauen, dass wir das Rad nicht überdrehen."

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