Und es hat Klick gemacht

Von Adrian Franke
Daniel Caligiuri hat sich im Wolfsburger-Mittelfeld zur festen Größe etabliert
© getty

Einst als schlampiges Genie abgestempelt, hat Daniel Caligiuri es beim VfL Wolfsburg zu einer festen Größe gebracht. Der langjährige Freiburger glaubt, dass die Verpflichtung von Andre Schürrle ihm sogar noch geholfen hat und ist Christian Streich bis heute dankbar. Sein Selbstvertrauen ist ungebrochen, seinen Worten folgen Taten - und jetzt soll der Pott her.

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Erst wenige Sekunden waren gespielt, als Daniel Caligiuri den Pass von Ilkay Gündogan abfing. Direkt schickte er Kevin De Bruyne steil auf dem linken Flügel, der Belgier legte die Kugel vorbei an Erik Durm und am Fünfer musste der durchgestartete Caligiuri nur noch einschieben. 41 Sekunden waren auf der Uhr gerade abgelaufen. Der Traumstart war perfekt.

Gleichzeitig war der Führungstreffer im letzten Saison-Heimspiel gegen den BVB ein Mini-Kosmos des Wolfsburger Erfolgsrezepts, welches dem VfL die Vizemeisterschaft bescherte. Aggressives Pressing, schnelles Flügelspiel, Effizienz im Strafraum - und Caligiuri mittendrin. Doch der Weg dahin war für den 27-Jährigen nicht ohne Stolpersteine.

"Wolfsburg war schon eine Umstellung für mich", gab er jüngst in der Bild zu: "Aber jetzt habe ich mich eingelebt und bin voll da. Ich habe mich immer Schritt für Schritt entwickelt. Und das geht auch in Wolfsburg so weiter."

Geläutert unter Streich

Insgesamt acht Jahre hatte sich Caligiuri vor seinem Wechsel zum VfL beim SC Freiburg, nahe an seiner Heimat Villingen-Schwenningen, entwickelt. 100 Profi-Einsätze, 19 Torbeteiligungen sprangen im Breisgau heraus. Keine desolaten Zahlen für einen Spieler, der frisch aus der Jugend kam, und doch hinterließ es einen Beigeschmack: Der Mittelfeldmann hatte stets den nagenden Eindruck hinterlassen, dass er eigentlich viel mehr kann.

"Nach ein, zwei guten Spielen habe ich gedacht: So, jetzt bin ich drin in der Mannschaft. Keine Ahnung, was da in meinem Kopf los war", so Caligiuri in einem Interview mit der BZ vor zwei Jahren: "Jedenfalls war ich dann ganz schnell wieder draußen. Ich wusste, dass ich Qualität habe. Inzwischen denke ich aber nicht mehr, dass nach einer guten Aktion alles von alleine läuft."

Der Stempel des "schlampigen Talents" wurde immer wieder mit Caligiuri in Verbindung gebracht. Doch unter dem neuen Trainer Christian Streich machte es Klick: "Er hat mir sein Vertrauen geschenkt, auch wenn ich mal nicht so gut gespielt habe. Früher habe ich andere angemeckert, obwohl der Fehler bei mir lag. Ich habe die Schuld oft bei anderen gesucht. Wenn ich heute Fehler mache, halte ich meine Klappe und versuche, sie sofort zu korrigieren."

Stolperstart und der "blinde Pickel"

Und so hatte Caligiuri in der Saison 2012/13 entscheidenden Anteil an Freiburgs Sensations-Jahr, das den Sportclub am Ende in die Europa League führte - und Caligiuri nach Wolfsburg. Dennoch wartete beim ambitionierten Klub aus der Autostadt alles andere als ein Bilderbuchstart.

Eine Sprunggelenksverletzung warf ihn beim VfL in der Saisonvorbereitung sowie zum Saisonstart zurück, über den Großteil seiner ersten Wolfsburger Saison kam er über die Joker-Rolle nicht voraus. Und auch sein Temperament ging gelegentlich noch mit ihm durch. Gegen Schalke flog er in der Rückrunde mit glatt Rot vom Platz, er soll Schiri-Assistent Mike Pickel als "blind" bezeichnet haben.

Caligiuri bestreitet das zwar, doch gleichzeitig wusste er, dass er sich bei der "ärgerlichen" Szene cleverer hätte verhalten können: "Wenn ich nichts sage, passiert auch nichts." So spricht ein Spieler, der erwachsen geworden ist und der weiß, wie sich ein Profi zu verhalten hat.

Direkt nach abgesessener Sperre erzielte er den Siegtreffer bei Hertha BSC - sein erster Treffer für den VfL. "Ich habe am Sonntagabend mein Tor noch ein-, zweimal auf Video zu Hause angesehen", gab er anschließend erleichtert zu: "Ich habe nie daran gezweifelt, dass ich es noch kann. Ich habe in Freiburg auch ewig gebraucht, um mein erstes Tor zu schießen. Aber danach kamen einige weitere nach."

"Wusste immer, was ich draufhabe"

Das Versprechen sollte nicht uneingelöst bleiben. Caligiuri gelangen in dieser Saison wettbewerbsübergreifend 18 Torbeteiligungen, er war über weite Strecken aus der Stammformation nicht wegzudenken. "Ich hatte anfangs ein bisschen Schwierigkeiten und hatte Pech, weil ich verletzt war. Aber ich wusste immer, was ich draufhabe", erklärte Caligiuri gegenüber Bundesliga.de.

Gegen Bremen und Freiburg gelang ihm jeweils ein Doppelpack, ausgerechnet gegen seinen Ex-Klub schoss er die Wölfe so zum ersten Auswärtssieg der Saison. Seine Erklärung ist relativ simpel: "Ja, ich habe eine große Entwicklung genommen, ich bin jetzt konstanter. Wenn ich den Ball habe, ist es immer gefährlich - und ich will nicht mehr nur mit dem Kopf durch die Wand." Trotzdem war sein Stammplatz plötzlich alles andere als sicher.

Schürrle? "Tat mir gut!"

Für 32 Millionen Euro holte Wolfsburg in der Winterpause Weltmeister Andre Schürrle vom FC Chelsea, die meisten Experten wähnten Caligiuri schnell wieder auf der Bank. Doch der Deutsch-Italiener spielte, und spielte, und spielte. Caligiuri, der einst für 2,5 Millionen Euro gekommen war, ist weiter gesetzt. Weil er die beste Saison seiner Profi-Karriere spielt.

"Klar habe ich mir Gedanken gemacht, als er kam", gab er später zu, betonte aber: "Wenn so ein Spieler wie Andre für 30 Millionen Euro kommt, ist man selbst vielleicht erst mal außen vor. Aber mir hat das nichts ausgemacht. Im Gegenteil: Es tat mir gut." Trainer Dieter Hecking erklärte: "Andre ist in guter Verfassung. Aber Perisic und Caligiuri machen es derzeit überragend."

Konkreter heißt das: Im Wolfsburger Flügelspiel sind Caligiuri und Ivan Perisic von elementarer Bedeutung. Die Wölfe brauchen auf den Außenbahnen Spieler, die ins Pressing gehen, gleichzeitig aber auch lange Seitenwechsel verarbeiten können. Hecking baut auf viele Rochaden und das Konterspiel läuft oft über die Flügel. Auch Variabilität ist entscheidend. Und Caligiuri ließ mehr als einmal hier keine Wünsche offen.

Kommt der Pott nach Wolfsburg?

Der Lohn ist neben dem Kader-Platz vor einem Weltmeister auch die Chance zum Länderspiel-Debüt: Der große Milan-Fan, der die Serie A noch immer verfolgt, wurde in den vorläufigen Kader der italienischen Nationalmannschaft für die anstehenden Quali-Spiele berufen. Caligiuri ist klar und fokussiert und auch wenn er nicht immer im Fokus steht, wissen die Wölfe, was sie an ihm haben - und Squadra-Azzurra-Coach Antonio Conte offenbar ebenfalls.

Am Samstag steigt aber zuvor das nächste Duell mit dem BVB, dieses Mal steht ein Titel auf dem Spiel. "Der Final-Einzug ist einfach überragend", hatte Caligiuri nach dem Halbfinal-Sieg in Bielefeld, als er drei der vier Tore vorbereitet hatte, klargestellt: "Jetzt werden wir alles versuchen, um den Pott nach Wolfsburg zu holen." Ein erneuter Traumstart würde dabei sicher nicht schaden.

Daniel Caligiuri im Steckbrief