Ein Sack voller Erinnerungen

Von Für SPOX in Berlin: Stefan Moser
Eins von vielen Markenzeichen Diegos: Der Kung-Fu-Sprung an der Eckfahne
© Imago

Mit dem DFB-Pokal-Finale in Berlin gegen Bayer Leverkusen (19.45 Uhr im LIVE-TICKER und Internet TV) endet die Ära Diego bei Werder Bremen. Der Brasilianer verabschiedet sich Richtung Italien - und will, nein: muss, unbedingt einen Titel gewinnen. Ein Porträt.

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Bester Feldspieler der Saison 2006/07, fünf Mal Fußballer des Monats, einmal Torschütze des Jahres: Mit insgesamt 56 Treffern in 142 Partien und einer einzigartigen Spielweise ist Diego Ribas da Cunha innerhalb von nur drei Jahren in Bremen zu einer Stil-Ikone geworden.

Der Brasilianer war für das Spiel von Werder derart prägend, dass man sich heute kaum mehr vorstellen kann, dass es an der Weser auch mal Fußball ohne Diego gegeben haben soll. Doch natürlich spielte Bremen auch vor seiner Verpflichtung schon zu elft und natürlich spielte Bremen auch mit einer Raute im Mittelfeld.

1 Tor, 2 Assists - Einstand nach Maß

Johan Micoud trug vor Diego die Nummer 10 auf dem Rücken. Und als der Franzose 2006 zu Girondins Bordeaux wechselte, konnte man sich kaum mehr vorstellen, dass es an der Weser noch mal Fußball ohne Micoud geben sollte.

Doch dann holten die Bremer einen Spielmacher für die damalige Rekordsumme von sechs Millionen Euro von der Ersatzbank des FC Porto - und landeten auf Anhieb einen Volltreffer.

Gleich in seinem ersten Bundesligaspiel gegen Hannover erzielte Diego ein Tor selbst und bereitete zwei weitere vor.

Und spätestens, seit er am 8. Spieltag Oliver Kahn einen Ball aus vollem Lauf unter die Latte hämmerte und Werder zum 3:1-Sieg gegen die Bayern führte, krähte kein Bremer Hahn mehr nach Johan Micoud. Die Ära des Franzosen war Vergangenheit. Die Zukunft gehörte Diego.

Abgang ohne Titel?

Jetzt geht auch seine Ära zu Ende. Das Pokalfinale gegen Bayer Leverkusen wird sein letztes Spiel für Werder sein. Danach verabschiedet sich Diego nach Turin.

Und vom Ausgang dieser einen letzten Partie wird es abhängen, ob die "Ära Diego" als unvollendet in die Bremer Geschichtsbücher eingehen wird. Denn eines hat Micoud - neben einer eklatanten Nase - seinem Nachfolger voraus. Er hat mit Werder Titel geholt: Meisterschaft und Pokal.

Gerade in der Werder-Historie sind fast alle großen Namen mit Trophäen verbunden. Rune Bratseth, Wynton Rufer und Mirko Votava holten gemeinsam mit Klaus Allofs 1992 den Europapokal der Pokalsieger. Andi Herzog wurde deutscher Meister, Ailton und Micoud gewannen 2004 das Double, der heutige Trainer Thomas Schaaf holte als Spieler gleich fünf Titel.

"Der wichtigste Tag in meinem Leben"

Diego hat bisher noch nichts gewonnen. Im UEFA-Cup-Finale gegen Donezk musste er wegen einer dummen Sperre tatenlos mit ansehen, wie am Ende der Pokal in die Ukraine ging.

Entsprechend deutlich formulierte der 24-Jährige nun auch, worum es für ihn in diesem Finale geht: "Der Sieg im DFB-Pokal ist mein Traum. Das ist der wichtigste Tag in meinem bisherigen Leben."

Profi-Debüt mit 16

Das klingt reichlich pathetisch, doch man mag es ihm durchaus glauben. Denn sein bisheriges Leben widmete er ziemlich rigoros dem Fußball. Aufgewachsen ist Diego in einem Stadtteil der Mittelklasse in Ribeirao Preto, 300 Kilometer nördlich von Sao Paulo, wo unter anderem auch Schalkes Marcelo Bordon und Brasiliens enfant terrible Socrates geboren sind.

Mit sechs Jahren begann er beim FC Comercial regelmäßig zu trainieren. "Schon damals übernahm er gerne Verantwortung und war extrem ehrgeizig", erinnert sich seine Mutter Cecilla.

Sechs Jahre später entdeckten ihn Scouts des FC Santos, und Diego wechselte als Zwölfjähriger zum Pele-Klub. Mit 16 gab er sein Profi-Debüt, mit 17 war er der jüngste Spieler in der Geschichte des brasilianischen Fußballs, der eine Meisterschaft feiern durfte.

Sackgasse FC Porto

Im Sommer 2004 überwies schließlich der FC Porto acht Millionen Euro an Santos. Der 19-jährige Diego sollte dort Deco ersetzen, der zum FC Barcelona gewechselt war. Doch die Fußstapfen waren zu groß. Statt hinter den Spitzen fand sich der Spielmacher häufig nur auf der Bank wieder. Sein Ehrgeiz wurde jäh gebremst.

Also ging er nach Bremen - und war fest entschlossen, dort seinen Weg weiter zu gehen. "Ich bin von ihm schon ziemlich beeindruckt", sagte Werder-Manager Klaus Allofs nach seinen ersten Eindrücken: "Er ist für sein Alter extrem professionell. Er weiß, was er will - und er weiß auch, was er dafür tun muss."

Olli Kahn, Sarah Connor, 63-Meter-Tor

Und Allofs sollte Recht behalten: Innerhalb weniger Monate reifte Diego zu einem Topstar der Bundesliga.

Besonders stolz darauf ist heute Pedro Cardelli, sein erster Jugendtrainer beim FC Comercial: "Er hat es sich verdient und ich freue mich für ihn. Der kleine Junge von damals hat mir einen ganzen Sack voller Erinnerungen hinterlassen."

Eine Reihe schöner Erinnerungen wird Diego auch in Bremen hinterlassen. Ein Treffer gegen Olli Kahn, ein Tor des Jahres aus 63 Metern und ein kleiner Flirt mit Popstar Sarah Connor zum Beispiel.

Fehlt eigentlich nur eins: Ein Titel mit Werder - ein Sieg in seinem allerletzten Spiel für Bremen.

Klaus Allofs zur Bremer Zukunft im SPOX-Interview