Moral und absoluter Glaube

Von Für SPOX.com in Berlin: Thomas Gaber
FC Bayern München, DFB-Pokal, Lukas Podolski
© Getty

Berlin - Als alles vorbei war, suchte Oliver Kahn für einen Moment die Einsamkeit.

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Während seine Kollegen vom FC Bayern, allen voran Franck Ribery, den Sieg im DFB-Pokal-Finale gegen Borussia Dortmund (2:1 n.V.) wie eine Horde losgelassener Teenager beim Spring-Break feierten, schlenderte Kahn ohne Begleitung über den Rasen des Berliner Olympiastadions.

Dabei stand Kahn dem Patent-Inhaber dieser Art der Triumph-Verarbeitung, Franz Beckenbauer, in nichts nach.

Die Highlights des Spiels in Bildern!

"Extrem anstregende" 120 Minuten 

Kahn gewann in Berlin zwar nicht den WM-Titel, aber immerhin zum sechsten und letzten Mal den DFB-Pokal. Da möchte man mit seinen Gedanken auch mal allein sein. Zudem war der 120-Minuten-Thriller gegen den BVB laut Kahn "extrem anstrengend". 

Dass es überhaupt zu der im Vorfeld kaum erwarteten Anstrengung kam, hatten sich die Bayern selbst zuzuschreiben. Der Rekord-Pokalsieger (14 Titel) spielte eine glänzende erste halbe Stunde und dominierte einen anfangs komplett verunsicherten BVB.  

Bayerns Spielverlagerung war exzellent, alle Mann waren stets in Bewegung und auf den Außenbahnen wirbelten die Pärchen Lahm/Ribery (links) und Lell/Schweinsteiger (rechts).

K.o.-Schlag der Bayern bleibt zunächst aus

Luca Tonis Führungstreffer (13.) war logische Konsequenz. Der Italiener schloss einen fantastischen Spielzug ab, eingeleitet von Mark van Bommels chirurgisch genauem 40-Meter-Pass auf Franck Ribery. "Das war ein Weltklasse-Tor", schwärmte auch Vorstandsboss Karl-Heinz Rummenigge.

Doch im Gegensatz zum 5:0 vor einer Woche versäumten es die Bayern anschließend, den Dortmundern frühzeitig den K.o.-Schlag zu versetzen.

So gelang es dem BVB allmählich, sich aus der Umklammerung zu befreien.

"Wir haben ganz schlecht begonnen, aber ab der 30. Minute hat man gesehen, welches Potential in dieser Mannschaft steckt", sagte Florian Kringe.

Kahn macht Teamkollegen heiß

Dortmund fightete sich ins Spiel, hatte noch in Hälfte eins zwei gute Chancen durch Kringe und Tinga und wurde durch Mladen Petric in der Nachspielzeit mit dem Ausgleich belohnt. Der Kroate stocherte den Ball nach einer vom ansonsten überragenden Martin Demichelis verschuldeten Ecke über die Linie.  

"Diese ominöse 90. Minute verfolgt mich jetzt schon seit 20 Jahren. Aber wenn man das oft erlebt, wird man robust", sagte Kahn. Und deshalb ergriff der 38-Jährige vor der Verlängerung die verbale Initiative und hauchte seinen paralysierten Vorderleuten neues Leben ein.

Doch kurze Zeit musste Kahn selbst sein ganzes Können zeigen. Einen 20-Meter-Schuss von Kringe lenkte er mit einer unglaublichen Parade um den Pfosten. "Ich dachte kurz, der Ball geht rein. Doch dann kam plötzlich noch eine Hand", sagte Kringe im Gespräch mit SPOX.com.

Kahns Reflex gegen Kringe - eine Schlüsselszene. Es sollte die letzte Chance sein, die Dortmunds Coach Thomas Doll, über dessen Zukunft kurz vor Anpfiff wild spekuliert wurde, von seiner Mannschaft sah.

 Und zu allem Überfluss für den BVB schlug das Phänomen sechs Minuten später erneut zu. Luca Toni hielt seine linke Sohle in einen Schuss von Lukas Podolski und erwischte BVB-Keeper Marc Ziegler auf dem falschen Fuß (das Siegtor im SPOX-Replay).

"90 Prozent Können, 10 Prozent Glück"

"Bei den meisten Stürmern ist das 10 Prozent Können und 90 Prozent Glück. Bei Toni ist es umgekehrt", sagte "ZDF"-Experte Jürgen Klopp.

Toni, der gegen den BVB seinen vierten Doppelpack in Folge erzielte, hat den meisten Stürmern in Europa eines voraus: die unwiderstehliche Gabe, dort zu stehen, wo der Ball hinkommt.

Kein Angreifer entwickelt soviel Gefühl für die Situation wie Toni. Das Resultat ist beeindruckend: 35 Tore in 41 Spielen für Bayern.

Seine eigene Leistung wollte Toni wie gewohnt nicht überbewerten. Vielmehr jubelte der Weltmeister ausgelassen über seinen ersten Titel im Vereinsfußball: "Das ist der Hammer! Jetzt versuchen wir, das Triple perfekt zu machen."

Nach diesem erneuten "Sieg der Moral und des absoluten Glaubens" (Ottmar Hitzfeld) ist Teil I der Mission schon mal erfüllt. 

 Gleich nach dem Spiel diskutierten die mySPOX-User über den Sieg der Bayern 

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