Ein Abend der Enttäuschten

Von Für SPOX bei der Nationalmannschaft: Stefan Rommel
Philipp Lahm war noch einer der Besten in einem schwachen deutschen Team: Philipp Lahm
© Getty

Das Spiel der deutschen Nationalmannschaft gegen Finnland brachte nur Verlierer. Spieler wie Mario Gomez und Thomas Hitzlsperger bleiben ein Rätsel. Zudem gab es noch Zoff mit den Fans.

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Das Kontrastprogramm hätte deutlicher nicht sein können. Am Montagabend zwängten sich 25.000 Fans - vornehmlich Familien mit ihren verzückten Kindern - zu einer fröhlichen Trainingseinheit der deutschen Nationalmannschaft durch die verstopften Straßen Hamburgs und feierten ihre Lieblinge bei jedem handelsüblichen Ballkontakt.

Kusshände und später kleine Fußbälle flogen ins Publikum, es war, als wäre Deutschland bereits Weltmeister geworden.

Nur zwei Tage später blieben die meisten Kinder zu Hause und die Mamis und Papis hatten plötzlich keine Lust mehr, alles und jeden gut zu finden. Und ins Publikum flogen keine Kusshände und kleine Fußbälle mehr, sondern nur noch böse Blicke.

Das Publikum wird böse

Das letzte WM-Qualifikationsspiel gegen Finnland sollte der krönende Abschluss einer fulminanten Woche für den DFB werden, die Verlängerung der großen Party für die Fans und in Millionen von Wohnstuben.

Schließlich hatte die Mannschaft neben dem WM-Ticket mit dem Sieg in Russland auch einen ganzen Batzen Sympathien bei den Fans zurückgewonnen, die das Team vorher das ganze Jahr über vergeblich gesucht hatte.

Marketingexperten sprechen dann von Imagepunkten, und Oliver Bierhoff ist so ein Experte auf diesem Gebiet. Das öffentliche Training war seine Idee, und wenn man ganz nüchtern betrachten will, war es eine schnöde Maßnahme zur Kundenbindung.
Am Mittwoch aber waren die Kunden böse. So böse wie schon lange nicht mehr.

So böse, dass sich die Stadionregie genötigt sah, zur Halbzeit und nach dem Schlusspfiff alle Hemmungen fallen zu lassen und die Mischpultregler bis zum Anschlag aufzudrehen - damit nur die schrillen Pfiffe nicht so sehr auffallen mochten.

Ein kleines Problem

Die Fans waren zutiefst verärgert über eine deutsche Mannschaft, die einmal mehr bewiesen hatte, dass sie mit Spielen ohne Druck dahinter nicht umzugehen vermag. Und der war seit Samstagnacht nicht mehr vorhanden.

"Wir waren nicht so frisch wie in Moskau, aber es ist auch schwer, nach so einem Spiel die Kräfte zu bündeln", sagte Bundestrainer Jogi Löw, entgegnete den kritischen Nachfragern aber auch: "Ich weiß, dass wir eine gute Mannschaft haben, die da ist, wenn es darauf ankommt."

Nun gibt es da nur ein kleines Problem: Bis zur WM-Endrunde im Juni kommenden Jahres wird es keine Pflichtspiele mehr geben. Löw wird dann wie gegen die Finnen weiter ausprobieren müssen, sowohl taktisch als auch personell.

Einigen Spielern fehlt das Niveau

Gegen die Skandinavier versuchte er sich mit einem 4-3-3 und im Vergleich zu Moskau mit sechs Neuen in der Startelf und musste erkennen, dass seine Mannschaft so viele fehlende Stammkräfte nicht ersetzen kann und dass einige Spieler noch nicht das Niveau mitbringen, das Löw im Hinblick auf die WM als Minimalanforderung erwartet.

"Eine wichtige Erkenntnis ist, dass manche Spieler in dem System nicht so zurecht kommen. Mit der Umstellung zur Pause wurde es dann besser", musste Löw auch einen kleinen Fehler in der gewählten Taktik eingestehen. "Gegen ganz defensiv ausgerichtete Mannschaften müssen wir in Zukunft noch zulegen."

Westermann, Hitzlsperger und Gomez ein Rätsel

Eine weitere Erkenntnis für den Bundestrainer dürfte sein, dass er abgesehen davon mal wieder keine neuen Erkenntnisse gewinnen konnte. Manche seiner Spieler bleiben ein Rätsel. Heiko Westermann etwa, der gegen die Russen eine vernünftige, gegen Finnland plötzlich eine ganz schwache Leistung ablieferte.

Oder Thomas Hitzlsperger, der wie im Verein in Stuttgart merkwürdig abwesend war und seiner Mannschaft damit eine unfreiwillige Unterzahlsituation bescherte.

Oder Mario Gomez, der nach einer einzigen missglückten Aktion die restliche Spielzeit nur noch damit beschäftigt scheint, mit sich und der Welt zu hadern.

Kartenvorverkauf läuft schleppend

Der deutschen Mannschaft fehlt es noch immer etwas an Konstanz. Und es fehlt noch der zweite Anzug. Das ist in der Findungs- und Experimentierphase kein Problem, spätestens mit den kommenden beiden Testspielen gegen Chile und Ägypten fällt der Startschuss zum WM-Countdown.

Seit wenigen Tagen läuft für beide Spiele der Kartenvorverkauf. Zuletzt in Leverkusen und gegen Hannover lief der Verkauf schon schleppend, nach der Leistung von Hamburg ist ähnliches auch für die Spiele im November zu erwarten.

Kritik am Publikum

Zumal sich Teile der Mannschaft nach der Partie noch mit den Fans angelegt hatten. Nachdem das Team das Spielfeld grußlos verlassen hatte, schimpfte Teammanager Oliver Bierhoff auf das seiner Meinung nach zu kritische Publikum.

"Ich kann mir die frühen Pfiffe der Fans nicht erklären. Außerdem finde ich es sehr unglücklich, wenn sich die Pfiffe gegen spezielle Spieler richten. Das ist ungerecht."

Auch Michael Ballack wollte den Unmut der Fans nicht so recht verstehen. "Es ging ja schon nach 20 Minuten los - dafür habe, ich wie meisten anderen Spieler auch, kein Verständnis. Das hat die Mannschaft nicht verdient. Die Mannschaft hat sich in der gesamten Qualifikation gut präsentiert und sich deshalb mehr Applaus und Geduld der Fans verdient. Das war leider in Hamburg nicht so und das ist ein bisschen schade." (Das komplette Interview mit Michael Ballack)

Kein Gewinner - nur Verlierer

So blieben am Ende im Prinzip nur Verlierer. Die Neuen, die sich beim Bundestrainer nicht für höhere Aufgaben aufdrängen konnten.

Die Mannschaft, die neu gewonnenen Kredit zum Teil wieder verspielte - und die Fans, die sich eine gemeinsame Party gewünscht hatten und am Ende enttäuscht nach Hause gehen mussten.

Deutschland - Finnland: Die Analyse