Mario Balotelli: Der Großkotz

Von Stefan Rommel
Mario Balotelli erzielte in 32 Spielen für Inter Mailand 11 Tore
© Getty
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Balotellis Art passt nicht ins Kollektiv. Der schale Geruch der Selbstüberschätzung, der viele seiner Aktionen begleitet, wirkt befremdlich.

Die Mehrzahl seiner Tore feiert er mit jener aufgesetzten Coolness wie Thierry Henry früher beim FC Arsenal. "Ich bin euch allen überlegen", will er damit ausdrücken. Die entsprechende Antwort der gereizten Abwehrraubeine lässt dann nicht lange auf sich warten.

Aber auch hier will er das letzte Wort haben. Zehn Gelbe Karten hat er sich schon eingehandelt in lediglich 33 Meisterschaftsspielen für Inter, zumeist durch völlig sinnlose Fouls oder eine lebhafte Diskussion mit dem Schiedsrichter.

Antonio Cassano: der Bruder im Geiste

Es kann kein Zufall sein, dass Antonio Cassano, in jungen Jahren von der "Gazzetta" als "Kobold auf Extasy" getauft,  immer mehr zu seinem Bruder im Geiste wird und seinem größten Fürsprecher wird. Auch Cassano hatte ein gespaltenes Verhältnis zu Autoritäten, lediglich 15 Länderspiele sprechen eine deutliche Sprache.

"Er ist ein Meister und eine große Persönlichkeit. Er soll sich nicht verbiegen lassen und weiter unbeirrt seinen Weg", sagt Cassano. Aber will man wirklich jemandem Glauben schenken, der sich selbst einen "Hurensohn von der Straße nennt" und mehr Hotelzimmer zertrümmerte, als er Länderspiele auf dem Buckel hat?

Also entwickelt Balotelli weiter seinen Stil, und der bleibt undurchsichtig. Vor allem außerhalb des Platzes. Da hat der 18-Jährige längst seine eigene  Sport- und Modekollektion auf den Markt geworfen.

SMB45, SuperMarioBalotelli45, heißt der Entwurf. Die 45 steht für seine Rückennummer bei Inter. Die Anlehnung an den weitaus berühmtereren Claim CR7 ist nicht zu übersehen.

Das Scheitern in Barcelona

Vor drei Jahren spielte er in der La Masia in Barcelona vor. Im womöglich besten Jugendinternat der Welt "habe ich alle überzeugt, wirklich alle", beteuert Balotelli noch heute mit einer Mischung aus überbordendem Stolz und zorniger Wut.

Das Problem damals: Er war noch kein italienischer Staatsbürger.

Balotelli hätte sich bei einem Engagement in Katalonien auch noch für einen spanischen Pass bewerben können. Um die internationalen Interessen zu wahren und keinen Streit mit dem italienischen Verband anzuzetteln, verzichtete Barca deshalb auf einen Vertrag und schickte Balotelli nach einer Woche wieder zurück nach Italien.

Wenig später nahm ihn Inter unter Vertrag. So jedenfalls besagt es die Legende, verfasst von Balotelli selbst.

Soziales Engagement: Balotellis weicher Kern

Der hat hinter seiner schillernden und rauen Macho-Fassade aber auch ein weiches Herz. Seit einigen Jahren betreut er zusammen mit seinem Bruder und Berater Corrado das "Mata Atlantica Project". Sein Weg führt ihn dann jährlich nach Brasilien, in die Favellas, zu den Ärmsten der Armen. Dort spendet er ein wenig Trost und sehr viel Geld.

Mit dem World Wild Fund For Nature (WWF) bietet er auf Sizilien Camping- und Adventure-Urlaube für Waisenkinder an. Balotelli nimmt selbst daran teil. Während seine Teamkollegen in der Sommerpause in Monte Carlo oder auf den Bahamas die Füße in den Swimming Pool halten und Cocktails trinken, schläft Balotelli mit einer Handvoll Teenies unterm Moskitonetz auf einer Luftmatratze.

Balotellis Kindheit: Krankheit und Armut

Er weiß selbst am besten, wie schwer das Leben am äußeren Rand der Gesellschaft sein kann. Eigentlich heißt er mit Nachnamen auch noch Barwuah. Seine Familie kam 1988 aus Ghana nach Palermo. Zwei Jahre später wurde Mario geboren. Eine schwere Darmerkrankung zeichnete dann sein Schicksal.

Seine Eltern waren arm wie Kirchenmäuse und konnten die kostspielige Behandlung nicht finanzieren, also gaben sie ihren Sohn zur Adoption frei. So lautet zumindest die Version seines Vaters Thomas. Nur ein paar Kilometer entfernt nahm ihn die Familie Balotelli aus Brescia auf. Nach einigen Jahren riss der Kontakt zu seinen leiblichen Eltern ab.

Ritterschlag von Ibrahimovic, Ärger mit Mourinho

Mit 15 Jahren und 289 Tagen läuft er für den AC Lumezzane erstmals im Profi-Fußball auf und wird zum jüngsten Spieler aller Zeiten der Serie C. Zwei Jahre später wechselt er zum FC Internazionale. Ein paar Monate später wird Zlatan Ibrahimovic über ihn sagen: "Balotelli ist besser, als ich es mit 18 Jahren war!"

Es ist Balotellis Glück, dass er Jose Mourinho zum Trainer hat - auch wenn er das nicht immer einsehen will. "Mit mir zu arbeiten ist entweder sehr einfach oder sehr schwierig. Einfach für diejenigen, die gewinnen wollen, an das Team denken und sich verbessern wollen. Sehr schwierig hingegen für den, der glaubt, der Beste der Welt zu sein, der nicht gerne arbeitet und der glaubt, dass alle ihm etwas schuldig sind, er aber niemandem."

Der Portugiese hatte Balotelli einige Spiele lang nicht mehr berücksichtigt. "Er ist weder auf und noch viel weniger neben dem Platz 'high profile', auch wenn jemand das so verkaufen möchte. Er ist noch nicht reif genug. Aber eines Tages wird er verstehen, dass ich es nur gut mit ihm meinte."

So lange wird Mario Balotelli noch lernen müssen. Sehr viel sogar. Auf und außerhalb des Platzes.

"Vor zwei Jahren hat mir Cristiano Ronaldo sein Trikot gegeben", erinnerte er sich neulich in einem Interview. Und dann, mit ernster Miene: "Das war sehr klug von ihm: Eines Tages wird er mich nach meinem fragen."

Mario Balotelli im Steckbrief