"Wir hauen auch mal dazwischen"

Von Interview: Christian Bernhard
Robin Yalcin träumt von einem Spiel im Aztekenstadion vor 100.000 Zuschauern
© Getty

Wenn es für die deutsche U 17 gegen England (21.45 Uhr im LIVE-TICKER) um den Einzug ins WM-Halbfinale geht, kommt Robin Yalcin seinem großen Ziel wieder ein Stück näher: Einmal vor 100.000 Zuschauern im Aztekenstadion zu spielen. Im Interview spricht der Defensiv-Allrounder vom VfB Stuttgart über den Geist von Mexiko, sein Vorbild Frank Lampard und die Rollenverteilung innerhalb der deutschen Mannschaft.

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SPOX: Robin, Gratulation zum tollen Turnier bisher. Das DFB-Team hat sich mit vier starken Leistungen in den Mitfavoritenkreis gespielt.

Robin Yalcin: Es freut uns, dass wir so gehandelt werden. Aber wir konzentrieren uns immer auf das nächste Spiel und jetzt stehen die schweren 90 Minuten gegen England an. Im Azteken-Stadion vor 100.000 Zuschauern spielen zu können, wäre natürlich ein Traum.

SPOX: Sie haben zusammen mit dem ganzen Team eine tolle Entwicklung genommen. Im Vergleich zum Auftaktspiel wirkt die Mannschaft viel strukturierter. Sie als Sechser können das am besten erklären: Wie hat die Mannschaft diesen großen Schritt gemacht?

Yalcin: Das erste Spiel bei einer WM ist immer das schwierigste. Es ist nie leicht, in ein Turnier reinzukommen. Es stimmt auch, dass wir bis zum 1:1 gegen Ekuador Probleme hatten, aber nach dem 2:1 haben wir aufgrund unserer spielerischen Klasse und Kompaktheit noch verdient gewonnen. Das ist auch der Schlüssel für den Erfolg. In vier Spielen haben wir jetzt 15 Tore geschossen und erst eines bekommen: Das spricht für sich, damit können wir bisher sehr zufrieden sein.

SPOX: Die Defensivstärke spricht auch für Ihre Arbeit auf der Sechs.

Yalcin: Wir zentralen Mittelfeldspieler arbeiten viel mit der Viererkette zusammen. Das Defensivverhalten fängt aber schon ganz vorne an und endet hinten beim Keeper. Die mannschaftliche Geschlossenheit zeichnet uns aus, und für ein, zwei Tore sind wir immer gut. Die alte Fußballerweisheit stimmt: "Spiele gewinnt man in der Offensive, Titel in der Defensive."

SPOX: Wie kam diese Entwicklung zustande?

Yalcin: Diese Mannschaft ist vom Teamgeist her das Stärkste, was ich bisher erlebt habe. Ich glaube nicht, dass die anderen Länder so einen Zusammenhalt haben wie wir. Bei uns steht jeder für den anderen ein. Wenn einer verletzt am Boden liegt, kommen sofort zehn andere mit dem Eisbeutel angerannt. Jeder ist für den anderen da und haut sich für das Team rein. Und das ist nicht erst seit der WM so, sondern schon, seitdem wir zusammen sind.

SPOX: Wie erklären Sie sich diesen starken Zusammenhalt?

Yalcin: Wir haben gewisse Führungsspieler, die dafür sorgen, dass Ordnung herrscht. Außerdem kennen wir uns jetzt schon länger, seit der U 15. Da hat sich mit der Zeit so ein überragender Zusammenhalt entwickelt. Davon könnte ich zehn Minuten schwärmen. Es ist sehr schön, Teil dieser Mannschaft zu sein - auch neben dem Platz.

SPOX: Welche Rolle spielt da Coach Steffen Freund?

Yalcin: Er ist natürlich ein sehr wichtiger Faktor für uns. Aber nicht nur er, sondern auch das ganze Betreuerteam. Wir haben sehr viel Spaß miteinander, arbeiten im Training aber auch hart und konzentriert. Wir haben eine sehr gute Mischung aus Spaß und Konzentration gefunden.

SPOX: Freund hat Sie als "intelligenten Spieler, der in seiner Persönlichkeitsentwicklung schon sehr weit ist" gelobt. Sie sind auch im Mannschaftsrat. Gehen Sie gerne voran?

Yalcin: Das Kompliment des Trainers ehrt mich sehr. Als zweiter Kapitän der Mannschaft gehe ich natürlich mit Emre (Can, Anm. d. Red.) und Odi (Vlachodimos, Anm. d. Red.) voran. Ich übernehme gerne Verantwortung. Wir hauen auch mal dazwischen, wenn es sein muss und wenn ein Spieler Unterstützung braucht, kann er auch zu uns kommen. Wir sind immer da.

SPOX: So wie Klaus Augenthaler stammen Sie auch aus Niederbayern. Wie oft haben Sie diesen Vergleich schon gehört?

Yalcin: Ich habe schon öfters davon gelesen. Das ist für mich eine Ehre, aber Augenthaler ist ein alter Fuchs. Was der in seiner Karriere alles erreicht hat... Ich bin jetzt gerade mal bei einer U-17-WM, er hingegen war Weltmeister und langjähriger Bundesligaprofi. Da muss ich erst mal hinkommen.

SPOX: An wem orientieren Sie sich?

Yalcin: Von der Spielart her ist Frank Lampard mein Vorbild, aufgrund seiner aggressiven Spielweise und seinen Stärken im Zweikampf. Damit kann ich mich auch als Innenverteidiger, den ich im Verein gebe, sehr gut identifizieren.

SPOX: Sie spielen im DFB-Team auf der Sechs und beim VfB Stuttgart als Innenverteidiger. Wo fühlen Sie sich wohler?

Yalcin: Mir gefallen beide Positionen. Es ist allgemein gut, wenn ein Spieler variabel einsetzbar ist und mehrere Positionen spielen kann. Ich habe das Ziel, immer zu spielen und daher ist es gut, dass ich flexibel bin.

SPOX: Wie sehen Sie ihre Perspektive in Stuttgart?

Yalcin: Aktuell bin ich für die A-Jugend eingeplant, aber jetzt gilt meine volle Konzentration der WM. Nach dem Turnier werde ich erstmal ein bisschen abschalten.

SPOX: Ihr Teamkollege Mitchell Weiser hat im Interview mit "dfb.de" erzählt, er sei der Team-DJ. Koray Günter ist ja bekanntlich der Mannschaftsfriseur. Sind Sie zufrieden mit den beiden?

Yalcin: In der Kabine ist Mitchell für die Musik zuständig, er hat viele gute Ideen. Im Bus stelle ich die Musik zusammen. Von Koray habe ich mir mittlerweile auch schon die Haare schneiden lassen. Ich bin mit meiner Frisur zufrieden, wie es bei den anderen Jungs ist, weiß ich nicht. (lacht).

SPOX: Laut Weiser gibt es auch "den einen oder anderen guten Tänzer" im Team. Können Sie das bestätigen?

Yalcin: Da hat er sich selbst verraten, da er eigentlich fürs Tanzen zuständig ist. (lacht) Emre Can und Koray Kacinoglu haben auch einige türkische Tänze drauf. Koray ist die absolute Nummer eins, wenn es darum geht, die Stimmung anzuheizen.

SPOX: Ein Viertelfinal-Sieg gegen England würde Eure Stimmung sicher noch einmal anheizen. Was erwarten Sie sich von den Engländern?

Yalcin: Beim Algarve Cup haben wir vor ein paar Monaten 3:1 gegen sie gewonnen, aber das wird jetzt ein ganz anderes Spiel. Wir sind jetzt bei der WM und es geht ums Halbfinale. Das werden harte 90 Minuten gegen eine große Fußballnation. Deutschland gegen England ist ja ein Klassiker.

SPOX: Ist sich die Mannschaft der großen Rivalität zwischen Deutschland und England bewusst?

Yalcin: Ja, klar. Aber beide Mannschaften haben den nötigen Respekt voreinander und es ist wichtig, dass Fairplay herrscht. Wir teilen uns das Hotel, die Atmosphäre ist sehr gut. Man begrüßt sich und ist stets höflich zueinander.

SPOX: Kleine Notiz am Rande: England hat gegen Deutschland seit 1966 nicht mehr in einer Turnier-K.o.-Runde gewonnen...

Yalcin: Das soll sich auch nicht ändern. Ich gehe davon aus, dass England auch nach Montag seit 1966 kein K.o.-Spiel gegen Deutschland gewonnen hat.

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