Generalprobe gibt es nicht

Bastian Schweinsteiger feierte gegen Ungarn sein Comeback nach langer Verletzungspause
© getty

Im letzten Testspiel vor der EM 2016 in Frankreich gelingt Deutschland ein glanzloser 2:0-Erfolg gegen Ungarn. Die Achse des DFB-Teams steht, doch wie schon vor der WM 2014 gibt es noch ein paar personelle Unklarheiten. Das sollte jedoch nicht für Beunruhigung sorgen.

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Aus deutscher Sicht muss man sagen: zum Glück. Als Jerome Boateng bereits in der sechsten Minute zur Außenlinie ging und sich von den Betreuern behandeln ließ, war dies wohl die spannendste Szene, die sich während der glanzlosen Partie gegen Ungarn abspielte.

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Boateng kehrte anschließend aufs Spielfeld zurück. "Mein Nerv hat auf den Muskel gedrückt. Es ging aber zum Glück", sagte der Innenverteidiger nach Abpfiff. Nicht auszudenken, wie schwerwiegend ein Ausfall Boatengs für das deutsche Team wäre.

Bundestrainer Joachim Löw hatte nun zwei Testspiele und ein Trainingslager lang Zeit, sich Eindrücke seines Kaders zu verschaffen. Einige Personalien sind unverrückbar in Stein gemeißelt, eine solch starke Achse wie Manuel Neuer-Boateng-Toni Kroos-Thomas Müller etwa hat kaum ein anderes Land zu bieten.

"Es gibt keine Wunschelf"

Während das DFB-Team gegen die Ungarn offensiv zwar nicht auftrumpfte, dafür aber einige einstudierte Angriffe durchspielen konnte, bleibt die Zusammenstellung besonders der Abwehrkette weiter unklar.

Das ist im Falle Deutschlands eine beinahe traditionelle Beobachtung vor Turnieren. Auch vor der WM 2014 - das Ende ist bekannt - wollte sich aufgrund unterschiedlicher Parameter keine eindeutige Stammmannschaft herauskristallisieren.

Am Ende reihte Löw vier Innenverteidiger aneinander und ließ diese den Auftakt gegen Portugal bestreiten. Das überraschte gegen einen solch prominent besetzten Gegner, obwohl er dieselbe Formation bereits im letzten Vorbereitungstestspiel gegen Armenien aufs Feld schickte.

Eine echte und ernst zu nehmende Generalprobe jedoch gab und gibt es nicht. Löw unterstrich dies unter anderem mit folgenden Worten: "Es gibt keine Wunschelf." Eine Woche vor dem deutschen Auftakt gegen die Ukraine in Paris ist somit lediglich klar, dass Boateng den Abwehrchef gibt und Mats Hummels erst im weiteren Turnierverlauf einplanbar sein wird.

Rüdiger wohl Boatengs Partner

Das ist allerdings kein Grund zur Sorge, denn schließlich hat Löw bereits bewiesen, dass dieser Umstand für ihn nicht kontraproduktiv sein muss - und Alternativen für die Positionen neben Boateng hat der Bundestrainer freilich genug. Momentan scheint es, als habe sich der selbstbewusst auftretende Antonio Rüdiger den direkten Platz neben dem Münchner erkämpft.

Wie gewohnt ist vor allem die Besetzung der Außenbahnen diskutabel. Benedikt Höwedes, Joshua Kimmich, Emre Can und Shkodran Mustafi können allesamt Rechtsverteidiger spielen, Höwedes und Can kommen neben Jonas Hector, dem einzigen gelernten Linksverteidiger im Team, auch auf der gegenüberliegenden Seite in Frage.

Wie Rüdiger dürfte auch Hector seinen Platz im Team sicher haben, so ganz sicher wirkte der Kölner im Nationaldress jedoch nur selten. Auch die Ungarn trugen den Großteil ihrer zugegeben wenigen Angriffe über seine Seite vor, Hector musste einige Meter machen, um all dies zu verteidigen. Das könnte sich für Löw gegen individuell stärker besetzte Gegner noch rächen.

Wird Kimmich die Überraschung?

Höwedes, Hectors Gegenüber gegen Ungarn, hat auf der für ihn weiter ungewohnten Position in beide Spielrichtungen noch Luft nach oben. Nach dessen biederen Vorstellung und den lobenden Worten der Verantwortlichen während des Trainingslagers sollten sich die Startelfchancen von Kimmich nicht großartig verringert haben. Gut möglich, dass diesmal der aufmerksame und technisch herausragende Youngster die Überraschung beim deutschen Auftaktspiel sein wird.

"Die Testphase ist für uns vorbei", sagte Co-Trainer Thomas Schneider zwar am letzten Tag in Ascona. Das entsprach in Gelsenkirchen nicht der vollen Wahrheit. Und auch bis zum kommenden Sonntag wird innerhalb des Trainerteams sicherlich noch intensiv daran getüftelt werden, wie man die Mannschaft in Frankreich erstmals ins Rennen schicken wird.

Aufmerksamkeit, Mentalität, Wille, Kampfgeist - all jene Werte also, die Deutschland in den vergangenen Jahrzehnten den Beinamen "Turniermannschaft" einbrachten -, waren in den vermeintlichen Generalproben seit jeher nie besonders ausgeprägt. Sie waren jedoch verantwortlich dafür, dass die deutschen Akteure auf den Punkt da waren, selbst wenn einige Positionen im Vorfeld Unklarheiten mit sich brachten. Es spricht wenig dafür, dass sich dies nun in Frankreich ändern wird.

Deutschland - Ungarn: Die Daten zum Spiel

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