Löw und Grindel sprechen über Özil und Gündogan: Zwei Lösungswege - keine Lösung

Bundestrainer Joachim Löw und DFB-Präsident Reinhard Grindel sahen sich auf der PK erneut mit der Causa Gündogan/Özil konfrontiert.
© getty

Auf der ersten DFB-Pressekonferenz nach der Ankunft in Russland kamen am Mittwoch erneut die Pfiffe gegen Mesut Özil und Ilkay Gündogan zur Sprache. Dazu äußerten sich sowohl Bundestrainer Joachim Löw als auch DFB-Präsident Reinhard Grindel. Beide näherten sich dem Thema auf unterschiedliche Weise - doch einer Lösung des Problems kamen sie erneut nicht näher.

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Es schien zunächst eine Auftakt-PK ohne allzu viele neue Erkenntnisse zu werden. Grindel sprach kurz über die WM-Gastgeber 2026 und lobte den Support der deutschen Fans, auf deren Kosten bereits 79.000 Tickets verkauft worden waren. Danach war Löw an der Reihe, den ersten Eindruck aus Russland zu schildern: Man werde ein bisschen brauchen, um sich an alles zu gewöhnen, die Bedingungen seien gut, auch wenn es natürlich kein zweites Campo Bahia geben werde. Der Rasen sei auch gut, nur noch ein paar Millimeter zu lang.

Gleichermaßen werde in dieser Woche im Training nur noch "am Feinschliff im taktischen Bereich" gewerkelt, erklärte der Bundestrainer. Im Trainingslager war noch nicht alles super, aber das sei zu erwarten gewesen. Aufgezeigte Fehler seien schließlich erwünscht. Ab Donnerstag werde man sich mit Auftaktgegner Mexiko beschäftigen, aber zur Aufstellung werde er noch nichts sagen, erklärte Löw - und wich damit der ersten Frage nach einem zu schützenden Mesut Özil gekonnt aus.

Alles wie gehabt eigentlich. Für das ganz große Feuerwerk waren an diesem Tag schließlich die Spanier zuständig. Doch in der Schlussphase einer bis dato recht ereignislosen Pressekonferenz wurde das Thema Özil/Gündogan doch noch einmal angeschnitten.

Löw über die Causa Özil/Gündogan

Löw stellte sich der Frage auf eine sehr pragmatische, ja fast schon "resignierte" Art und Weise. "Für mich als Trainer ist zu diesem Thema alles gesagt in der Öffentlichkeit", eröffnete er, und betonte die vielen Gespräche, die es gegeben habe: Mit dem Trainerstab, mit dem Bundespräsidenten und der Kanzlerin.

"Möglicherweise kann es sein, dass diese Spieler vielleicht auch weiterhin mit einigen Pfiffen begleitet werden. Okay, dann ist das so", sagte er, fast schon abwesend, und fummelte dabei an seinem Wasserglas und der Sponsorenflasche daneben herum. "Ich würde es mir anders wünschen, aber wir können es so nicht beeinflussen." Ein flammender Appell an die Fans sieht anders aus.

Löw scheint sich damit abgefunden zu haben, dass das Thema die Mannschaft begleiten wird. Dass es keinen Schlussstrich geben wird, dass die verschiedenen Taktiken, die der DFB in puncto Krisenmanagement gefahren ist, allesamt nichts an den Pfiffen und der negativen Stimmung in Teilen der Fans geändert haben. Eine neue Dynamik gäbe es nur mit neuen, und zwar aufschlussreichen, Aussagen der beiden Spieler.

Weg von Politik: Löw konzentriert sich auf das Sportliche

Doch Özils selbsternannter Maulkorb ist bekannt und Gündogan scheint ebenfalls alles aus seiner Sicht Nötige gesagt zu haben. Deshalb war es höchst aufschlussreich, wie Löw seine Sätze zu den möglichen Pfiffen einklammerte: "Meine Aufgabe heißt jetzt, beide Spieler, die sicherlich von dieser Situation beeindruckt waren und natürlich auch gelitten haben, soweit in Form zu bringen, dass sie für unsere Mannschaft einen Mehrwert haben, dass sie gut vorbereitet sind."

Und danach: "Meine Aufgabe ist es, mit diesen beiden Spielern so zu arbeiten, dass sie möglichst in diese gute Form kommen, die sie normalerweise bringen können. Dass sie in den Flow kommen und unserer Mannschaft helfen."

Löws Fokus hat sich längst verschoben: Er kann die Situation nicht verbessern. Er kann Gündogan oder Özil auch nicht zwingen, sich noch einmal zu äußern. Also konzentriert er sich nur noch auf die sportliche Realität: Er hat die Spieler mitgenommen, sie sind da und fürs Team wichtig, nun muss er sie in Schuss bringen. Keine leichte Aufgabe übrigens, wie Worte wie "Mehrwert" oder "Leistung, die sie normalerweise bringen", verraten. Löws Lösungsweg: Er klammert die Politik aus.

DFB-Präsident Reinhard Grindel bringt Flüchtlingskrise ins Spiel

Grindels Lösungsweg, mit 14 Jahren Bundestag im Rücken, lautet dagegen: Er klammert die Politik in seiner Analyse ein. Und zwar mit einem Ansatz, der in der öffentlichen Diskussion um Özil/Gündogan bislang noch keine große Rolle gespielt hatte.

"Ich sage Ihnen: Da muss es etwas geben, das wesentlich tiefer liegt von den Ursachen her. Das geht über die beiden Spieler hinaus", erklärte der DFB-Präsident. 2014 etwa sei das Thema Integration "überaus positiv" gesehen, die Chancen der Vielfalt seien angenommen worden. Doch durch die Zuwanderung 2015 habe sich "etwas verändert: Die Menschen sehen Probleme und erwarten Klarheit, in Bekenntnis zu Werten und zu unserem Land."

Grindel betonte, dass "wir es mit einem gesamtgesellschaftliches Problem zu tun haben, das uns natürlich, weil wir im Fußball Spiegelbild der Gesellschaft sind, auch trifft." Auch eine Erklärung Özils wäre kein Allheilmittel, das würden die Pfiffe gegen Gündogan zeigen. Die Vorwürfe, dem DFB sei das Krisenmanagement missglückt, wies er ebenfalls von sich. Man habe mehrfach alle Möglichkeiten diskutiert und festgestellt, dass es so viele überzeugende andere Wege "gar nicht gibt".

Grindel liegt falsch: Gündogan hat keine Fehler zugegeben

Es ist sicherlich ein Ansatz, den es zu diskutieren gilt. Die Flüchtlingskrise hat die Stimmung im Land zweifelsohne verändert - könnte sie auch mit den Pfiffen gegen die beiden Nationalspieler zu tun haben? Hätte es die geballte Ablehnung in dieser Form vor der WM 2014 noch nicht gegeben? Grindel hat Recht, wenn er darauf aufmerksam macht, dass man den gesamtgesellschaftlichen Kontext nicht von vornherein ausklammern darf.

Die Begründung, die er in Vatutinki darlegte, hält einer genaueren Betrachtung allerdings nicht stand. "Gündogan hat sich sofort umfassend geäußert, klargestellt, Fehler eingeräumt", betonte Grindel. Der Nationalspieler habe in seinen Augen "alles gemacht, was man zur Einordnung tun kann. Trotzdem ist er ausgepfiffen worden."

Nur: "Fehler eingeräumt" haben eben weder Gündogan noch Özil. Der Begriff fällt in DFB-Kreisen dieser Tage häufig, wurde von den Protagonisten jedoch tunlichst vermieden. Als Gündogan in seinem gegebenen Interview auf einen möglichen Fehler angesprochen wurde, wich er aus und sagte nur: "Das war eine Erfahrung, die im Nachhinein betrachtete nicht leicht war." Als Bundespräsident Steinmeier gefragt wurde, ob es eine Entschuldigung gab, meinte er: "Das ist eine Interpretationsfrage."

Einordnung des Erdogan-Fotos fehlt bis heute

Es ist diese von Grindel ausgemachte "Einordnung", die viele Fans vermissen. Dass sich Gündogan zu deutschen Werten bekennt, ist gut. Dass die emotionale Verbindung zum "Heimatland unserer Familien", wie er es bezeichnete, vorhanden ist, ist verständlich. Und sogar die Möglichkeit, bei einem Fototermin eine Botschaft zu senden, die man in dieser Form nicht beabsichtigt hat, ist nachvollziehbar - man denke nur an Mohamed Salah.

Doch wie passt das zusammen mit dem Trikot, mit der Widmung, mit der Weigerung, sich in welcher Form auch immer von dem Autokraten Erdogan zu distanzieren? Ein deutliches Bekenntnis zum türkischen Präsidenten wird nicht dadurch eingeordnet, dass man Deutschland, Steinmeier und Merkel explizit auch "gut findet". Es wird dadurch nur noch mysteriöser.

Es mag Kritiker geben, die nur auf die Gelegenheit gewartet haben, einen Nationalspieler mit Migrationshintergrund endlich nach Herzenslust auspfeifen zu können. Aber es gibt wohl auch Pfeifende, die bei Özil und Gündogan den Versuch ausgemacht haben, möglichst unbeschadet auf zwei Hochzeiten zu tanzen. Dass Grindel ihre Motivation aus der Flüchtlingskrise ableitet, dürfte womöglich nicht sonderlich gut ankommen.

In den ersten Minuten der PK war Grindel übrigens auf vermeintliche Standing Ovations für Wladimir Putin beim FIFA-Council angesprochen worden. Es schien fast wie ein Vorgriff auf das eigentliche Thema zu sein, als er entgegnete, man sei lediglich aufgestanden, als der russische Präsident in den Saal gekommen war: "Es war ein Ausdruck der Höflichkeit, das hat nichts mit der Bewertung seiner Politik zu tun."

Doch manchmal ist es eben nicht ganz so einfach.

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