Deutschlands 1:2-Niederlage gegen Österreich: Nur eine WM-Baustelle ist geschlossen

Joachim Löw nach der Niederlage gegen Österreich: "Gibt viele Punkte, an denen wir arbeiten müssen."
© getty

Joachim Löw hat sich nach 1:2-Niederlage der deutschen Nationalmannschaft im Test gegen Österreich verärgert ob der schlechten Leistung gezeigt. Manuel Neuer dürfte nach seinem Comeback endgültig in Russland dabei sein, die übrigen Wackelkandidaten konnten sich nicht empfehlen. Das macht die Entscheidung über den finalen WM-Kader nicht einfacher.

Anzeige
Cookie-Einstellungen

Nur ein einziges Mal lichtete sich die Miene des Bundestrainers, als er im ZDF die schwache Leistung seines Teams erklären musste. Als Katrin Müller-Hohenstein auf den Besuch von Kanzlerin Angela Merkel im Trainingslager in Eppan zu sprechen kam, lächelte Löw: Man freue sich auf den Besuch von zwei oder drei Stunden, seine Spieler würden ein paar Fragen stellen, die Kanzlerin womöglich auch.

Danach, so ließ er noch einfließen, würde es darum gehen, die endgültigen Entscheidungen für den finalen 23-Mann-Kader zu treffen, den er am Montag der FIFA und danach der deutschen Öffentlichkeit präsentieren wird.

Entscheidungen, die nach der Niederlage gegen die nicht für die WM qualifizierten Österreicher nur in einem Punkt leichter wurden.

Manuel Neuer mit gelungenem Comeback

Die gute Nachricht zuerst: Manuel Neuer wird dabei sein. Nur über Nacht auftretende Probleme mit dem mehrfach operierten linken Fuß könnten eine WM-Teilnahme noch verhindern, doch dafür gibt es keinerlei Anzeichen. In sportlicher Hinsicht wusste der 32-Jährige das Vertrauen des Trainerstabs am Samstagabend vollständig zu bestätigen. Gleich mehrere gute Paraden zeigte Neuer nach 259 Tagen Pause, darunter eine Weltklasse-Aktion gegen Florian Grillitsch, als er dessen Versuch aus kurzer Distanz aus dem kurzen Eck kratzte.

Den berühmten mitspielenden Neuer gab es ebenfalls zu sehen: Angesichts weniger Anspielstationen ging der Ball der Innenverteidiger oft zurück zum Torwart, auch die eine oder andere Kopfballablage nahm Neuer auf. Stolze 68 Ballaktionen waren der fünftbeste Wert des Teams. Wobei es zumindest in dieser Hinsicht noch Luft nach oben gab: In Halbzeit eins spielte Neuer einen Ball zum Gegner, entschärfte den folgenden Schuss aber ohne Probleme.

"Das war ein sehr zufriedenstellendes Comeback bei Manuel Neuer", bestätigte Löw auf der Pressekonferenz. Die alte und neue Nummer eins habe keine Probleme gehabt, der Fuß mache alles mit. Er betonte, dass es am Sonntag noch einmal ein abschließendes Gespräch geben werde, doch die Torwart-Baustelle im Kader dürfte endgültig geschlossen sein.

Löw von DFB-Leistung gegen Österreich "verärgert"

Die übrigen Baustellen traten gegen selbstbewusst und giftig auftretende Österreicher dagegen noch einmal in den Vordergrund: Zu pomadig und entscheidungsschwach im Spiel nach vorn, zu unaufmerksam und fehlerbehaftet im Spiel nach hinten präsentierten sich die insgesamt 16 eingesetzten Feldspieler, fast ohne Ausnahme. So sprang am Ende trotz fast 65 Prozent Ballbesitz eine verdiente Niederlage heraus. 14:8 Torschüsse für die Austria, mehr Ecken, mehr Flanken, mehr Kampfgeist.

Das ließ die Lippen des Bundestrainers doch etwas schmal werden. "Wir waren immer einen Schritt zu spät, haben sie gewähren lassen", kommentierte er etwa den DFB-Geleitschutz vor dem 1:2 von Alessandro Schöpf. "Schlampig" habe man sich präsentiert, sagte er, und listete die Litanei der Fehler sogleich auf: zu offen, zu wenig Ordnung, zu wenige Abschlüsse, zu viel Raum für den Gegner.

Und vor allem: viel zu viele Ballverluste. Teilweise an und im eigenen Strafraum, womit man den Gegner zu Abschlüssen einlud. Alles nur ein Trick, um Neuer in WM-Form zu schießen? Wohl kaum. "Wenn wir so spielen, haben wir keine großen Chancen", betonte Löw. Joshua Kimmich allein kam auf 21 Ballverluste, oft tief in der eigenen Hälfte.

Finaler WM-Kader: Was ist der Test gegen Österreich wert?

Trotz der klar angesprochenen Fehler und einer in seiner Ära einzigartigen Serie von fünf Spielen ohne Sieg wollte Löw von Alarmstimmung nichts wissen: "Wir lassen uns nicht verrückt machen und bleiben ruhig." In zwei Wochen werde die Mannschaft ein anderes Gesicht zeigen, garantierte er.

Damit hat er zweifelsohne Recht. Gegen Österreich fehlten mit Hummels, Boateng, Kroos und Müller gleich vier Stamm- und Führungsspieler, aus dieser Reihe ist lediglich Boateng bislang nicht für den Auftakt am 17. Juni gegen Mexiko in Stein gemeißelt. Dazu kommt das anstrengende Trainingslager und die Tatsache, dass der Anstoß aufgrund der vielen Regenschauer über 100 Minuten verschoben worden war. Alles keine perfekten Vorzeichen für eine gute Leistung, wenngleich der Bundestrainer keine Ausreden akzeptieren wollte.

Deutschlands Vorrundengegner

DatumGegnerUhrzeitSpielort
17.06.2018Mexiko17 UhrMoskau
23.06.2018Schweden20 UhrSotschi
27.06.2018Südkorea16 UhrKasan

Es gebe durchaus "eine Menge aufzuarbeiten", gab er zu, und entschwand nach kurzer Pressekonferenz schon in Richtung Flieger - in Bozen darf nach Mitternacht nämlich nicht mehr gelandet werden.

Mit der Frage im Gepäck, wie die Leistungen der möglichen Streichkandidaten angesichts dieser Vorzeichen denn nun zu bewerten sind.

Test gegen Österreich: Ungünstige Vorzeichen für Wackelkandidaten

Viel zu loben gab es bei den Sebastian Rudys, Julian Brandts und Nils Petersens dieser Welt zugegebenermaßen nicht. "Wenn ich mal die Feldspieler nehme, hat sich ohnehin niemand aufgedrängt", wischte er auf der PK das Thema Einzelkritik beiseite.

Doch Löw betonte im Vorfeld nicht umsonst immer wieder, dass der vorletzte Test nur eines von vielen Puzzleteilen sei. Eine absolute Topleistung unter diesen Umständen zu erwarten, ist eben schwer. Man erinnere sich an das Spiel Ende März gegen Brasilien, als eine zusammengewürfelte Elf verlor und Spieler wie Ilkay Gündogan oder Leroy Sane nicht gut aussahen.

Dabei ist doch die eigentliche Frage nicht, ob die "B-Elf des Kaders" so gut ist wie der erste Anzug ist - das ist sie natürlich nicht -, sondern ob einzelne Spieler ohne (großen) Qualitätsverlust in eine eingespielte und gut funktionierende "A-Elf" integriert werden könnten.

Wer fährt mit zur WM? Entscheidung wird am Montag verkündet

Um diese Frage zu beantworten, wird Löw die Niederlage mit seinem Trainerteam noch einmal genau analysieren, gepaart mit den Trainingsleistungen der letzten Tage. In die Karten schauen ließ er sich nach Abpfiff nicht, und auch wenn er ganz klassisch im 4-2-3-1 aufstellte, wurde auf dem Feld doch ein bisschen experimentiert: Da tauschten Jonas Hector und Kimmich in der ersten Halbzeit mal für einige Minuten die Seiten, da beackerte Timo Werner in der Schlussphase den rechten Flügel, während Mario Gomez im Zentrum lauerte.

Ob sich einer der Wackelkandidaten am Samstag nun aus dem Kader spielte, oder ob im Gegenteil die nicht eingesetzten Jonathan Tah, Matthias Ginter und Marvin Plattenhardt die schlechtesten Karten haben, das weiß nur Löw allein.

Die Spieler nehmen es ohnehin sportlich. "Natürlich will man unbedingt dabei sein", sagte Petersen. "Aber jetzt kann man daran nicht mehr groß rütteln. Wenn man nicht unter den Top 23 ist, geht das Leben auch weiter."

Artikel und Videos zum Thema