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Lukas Podolski absolvierte für das DFB-Team 129 Spiele und erzielte dabei 48 Treffer
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Lukas Podolski war in vielerlei Hinsicht einer der prägendsten Spieler des DFB-Teams im bisherigen 21. Jahrhundert. Der Kölner debütierte im Jahr 2004, erlebte bittere Pleiten und mit dem WM-Titel 2014 den großen Triumph. In einer Zeit, als der deutsche Fußball am Boden lag, war Podolski das große sportliche Versprechen. Speziell in den vergangenen Jahren fand er eine neue Rolle im Team. Wichtig war er stets auch als Charakter - nun tritt Podolski mit 31 Jahren zurück.

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"Liebe Fans, bevor die Saison und die Länderspiele bald wieder starten, wollte ich euch etwas mitteilen", tippte Lukas Podolski am Montagnachmittag in seine Computer-Tasten, vielleicht auch in sein Smartphone oder sein Tablet. Als seine knapp acht Millionen Facebook-Fans diese Worte lasen, ahnten sie schon: Da kommt was Wichtiges! Normalerweise verzichtet Poldi in den Sozialen Medien auf solch hochtrabende Einleitungen.

Stattdessen gibt es auf Podolskis Facebook-Seite für gewöhnlich Fotos von Poldi im Pool, Poldi beim Fitnesscheck oder Poldi im Training. Am 29. Juli gab es auch Poldi mit Schweini. Schweini hatte gerade seine Karriere im DFB-Team beendet, Poldi dankte seinem "Bruder, besten Freund, Mannschaftskameraden, Zimmergenossen und Weltmeister" für "mindestens 100 gemeinsame Spiele".

Podolski selbst hatte kurz zuvor noch angekündigt, "auf jeden Fall" weitermachen zu wollen. 129 Spiele absolvierte er bis zu diesem Zeitpunkt bereits für das DFB-Team. Platz drei in der ewigen Bestenliste hinter Miroslav Klose und Lothas Matthäus. 48 Treffer erzielte er. Ebenfalls Platz drei der DFB-Geschichte - hinter Klose und Gerd Müller.

Kaum vorstellbar, fortan Realität

18 Tage sind seit der Verabschiedung Schweinsteigers vergangen. Nun begrüßte Poldi seine Fans mit dem einleitenden Satz also freundlich auf Facebook und schrieb dann: "Ich habe dem Bundestrainer gesagt, dass ich ab sofort nicht mehr für die Nationalmannschaft spielen werde." Es wird also bleiben bei 129 Spielen und 48 Treffern. Lukas Podolski tritt mit 31 Jahren aus dem DFB-Team zurück.

Eine Nationalmannschaft ohne Podolski: Kaum vorstellbar. Fortan Realität.

Künftig wird es vor Länderspielnominierungen also keine der manisch wiederkehrenden Diskussionen mehr geben, bei denen jeder ohnehin wusste wie sie ausgehen werden: "Nominiert Joachim Löw Podolski erneut?"

"Aber sicher doch!" Podolski gehörte schlicht und einfach dazu. Seit 2004, länger als jeder andere aktuelle Nationalspieler. Kaum ein Kicker prägte die DFB-Elf im bisherigen 21. Jahrhundert so sehr wie Lukas Podolski.

Seite an Seite mit Wörns und Brdaric

Am 6. Juni 2004 debütierte Podolski im Freundschaftsspiel gegen Ungarn in der Nationalmannschaft. Gemeinsam mit seinem fortan stetigen Wegbegleiter Bastian Schweinsteiger. Der deutsche Fußball lag zu diesem Zeitpunkt weitestgehend am Boden, betätigt wurde diese Bestandsaufnahme bei der folgenden Europameisterschaft. 0:0 gegen Lettland, Vorrunden-K.o., Podolski spielte Seite an Seite mit Recken wie Christian Wörns und Thomas Brdaric. Eine andere Fußball-Welt.

Gemeinsam mit Schweinsteiger war Podolski zu diesem Zeitpunkt der einzige Hoffnungsschimmer der DFB-Elf. Ein kleiner Lichtblick, der zehn Jahre später zum hell leuchtenden WM-Pokal werden sollte.

Heim-WM, Ohrfeige, Titel

In der Zwischenzeit erlebte Podolski mit dem DFB-Team eine emotionale Reise, mit der sich locker ein Bilderalbum füllen ließe. Da war die Heim-WM 2006, das Achtelfinale gegen Schweden, das Podolski mit seinen zwei Treffern im Alleingang entschied und das so bittere und tränenreiche Halbfinal-Aus in der Verlängerung gegen Italien. Podolski wurde zum besten jungen Spieler des Turniers gekürt. Vor Lionel Messi, vor Cristiano Ronaldo.

Da war die EM 2008, die er fast durchspielte, bei der er fünf Scorerpunkte sammelte. Im Finale unterlag die DFB-Elf Spanien, Podolski fand sich trotzdem im Allstar-Team wieder. In der folgenden WM-Qualifikation verpasste er Kapitän Ballack eine Ohrfeige. Podolski war mittlerweile nicht mehr nur der Jungspund, er tat seine Meinung kund. Auch mit fragwürdigen Mitteln.

Da waren die zwei bitteren Halbfinal-Pleiten bei der WM 2010 gegen Spanien und der EM 2012 gegen Italien. Und dann war da die Nacht von Rio 2014: Podolski durfte den lange ersehnten Pokal in die Luft strecken.

"Eine echte Marke"

Sportlich spielte er zu diesem Zeitpunkt schon keine wichtige Rolle mehr, bei der WM in Brasilien stand er lediglich 53 Minuten auf dem Feld. Der Titel war trotzdem auch seiner - er begleitete die DFB-Elf von ganz unten nach ganz oben.

Podolski war nie ein gewöhnlicher Nationalspieler, er war immer irgendwie mehr als das. "Poldi hat sich auch neben dem Platz zu einer echte Marke entwickelt und ist sich dabei immer treu geblieben", sagte Nationalmannschaftsmanager Oliver Bierhoff zur Verabschiedung. DFB-Präsident Reinhard Grindel wählte ähnliche Worte: "Mit seiner Spielweise, seiner vorbildlichen Einstellung, seiner offenen Art und seinem sozialen Engagement ist er zum Liebling vieler Fans und zur Integrationsfigur geworden."

Integrationsfigur. Ein Wort, das bei der WM in Brasilien, in der Qualifikation zur EM 2008 und ganz besonders bei der folgenden Endrunde Podolskis Schaffen perfekt auf den Punkt bringt. "Die Nationalmannschaft war für mich immer Herzenssache, und das wird sie auch immer bleiben", schrieb Podolski. Man glaubt es ihm. Auch als Podolski sportlich gesehen immer unwichtiger wurde, murrte er nicht, sondern packte an, wo er konnte.

Anders als zu Beginn von Podolskis DFB-Karriere sind talentierte, junge Spieler in Deutschland mittlerweile so häufig, wie die Hymne des 1. FC Köln zu Karneval gespielt wird. Ziemlich häufig. Podolski wusste das und akzeptierte es.

"Besonders hat mich beeindruckt, wie er sich zuletzt bei der EM in Frankreich um die jüngeren Spieler in der Mannschaft gekümmert hat", sagt Grindel. Zum Einsatz kam Podolski in Frankreich lediglich 18 Minuten, als der Achtelfinal-Sieg gegen die Slowakei schon sicher war. Wie bei der WM 2014 sorgte er im Hintergrund für gute Stimmung, schweißte mit Scherzen das Team zusammen.

Die Liebe zu Fußball und Familie

Zu diesem Zeitpunkt war Podolski zweifacher Vater, während der EM-Vorbereitung kam sein zweites Kind zur Welt. Ein Einschnitt in sein Leben, das bei der jetzigen Entscheidung wohl eine mitentscheidende Rolle gespielt hat. "Ich trete kürzer und widme mich mehr anderen Dingen. Am meisten natürlich meiner Familie", schrieb Podolski.

Vor einigen Jahren sagte er: "Die Liebe zum Fußball ist wie zu Familie und Frau. Die ist immer da." Podolskis Prioritäten haben sich zuletzt verschoben. Verdenken kann man es ihm nicht.

Podolski wählt genau wie sein Kumpel Schweinsteiger den Ausgang durch den Haupteingang und erspart Bundestrainer Löw somit Gewissenskonflikte, die im anstehenden zweijährigen Quali-Intermezzo womöglich gegen Podolski ausgefallen wären.

Viel mehr als Rekorde und Siege

In seiner Nationalmannschafts-Karriere trug sich Podolski nicht nur in so gut wie alle Bestenlisten ein und feierte den krönenden WM-Triumph. Seine Zeit im DFB-Team war viel mehr für ihn: "Ich habe auf der ganzen Welt Länder und Städte gesehen, habe auch neben dem Platz viel erlebt. Ich habe tolle Menschen kennen gelernt und viele Freunde gefunden. Es war einfach gigantisch."

Podolski wird in Erinnerung bleiben. Als Hoffnungsschimmer in einer düsteren DFB-Welt Anfang des Jahrhunderts genauso wie als einer der strahlenden Helden von Rio. So wie Podolski seit seinem Abschied aus Köln stets Fan seines Vereins blieb, bei großen Siegen immer mit Fahne von Stadt und Verein ausgestattet, so wird er künftig Fan der DFB-Elf sein.

Poldi mit Deutschland-Schal um den Hals und Schminke an den Wangen beim Grillen im WM-Sommer 2018 - man kann es sich bildlich vorstellen.

Lukas Podolski im Steckbrief

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