Winter is coming

Bastian Schweinsteiger beendet seine Nationalmannschaftskarriere nach 120 Länderspielen
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So mangelte es auf der Insel - zugegeben, neben einer Schar an Anhängern alter Fußball-Romantik - nicht an Kritikern. Während Manchester mit Michael Carrick bereits einen defensiv orientierten Spieler fürs Zentrum hatte, fehlte es den Red Devils an Explosivität, Tempo und Zug zum Tor aus dem zentralen Mittelfeld heraus. Schweinsteiger war an diesem Punkt seiner Karriere in gewisser Weise das Gegenstück dazu.

So nahm das Schicksal seinen Lauf. Der Mittelfeldmann hatte zunehmend große Probleme mit der eigenen Fitness, seit dem WM-Titel verpasste er zusammengerechnet 248 Tage aufgrund diverser Verletzungen. Er wurde der Rolle als Taktgeber und Bindeglied im Mittelfeld nie gerecht, was sich medial spätestens nach dem Europa-League-Aus gegen den FC Liverpool entlud.

Die Stimmen zum Schweinsteiger-Rücktritt: "Kann mich nur bedanken"

Als Sinnbild für den tiefen Fall wurde er in der nicht gerade für ihre Zimperlichkeit bekannten, englischen Presse bezeichnet, sein Abstieg sei "spektakulär" und der Independent spottete: "Nach seinem Gewicht zu urteilen, wird er mit Kuchen bezahlt."

Es ging so weit, dass sich selbst sein großer Lehrmeister van Gaal öffentlich gegen ihn stellte und konstatierte, dass das nicht der Spieler sei, den er aus München kenne.

Nach außen hin ließ Schweinsteiger all das kalt, ihn berühre die mediale Kritik nicht und sein Niveau sei ohnehin auf dem gleichen Level wie bei der WM 2014. Damals seien die Stimmen schließlich nach dem Finale ebenfalls verstummt.

Aussortiert oder nicht aussortiert?

Die Nachricht von seinem Saisonaus wurde in England zur Randnotiz, die kritischen Stimmen aber folgten ihm in die Heimat. Schnell wurde klar, dass der wieder einmal verletzte Schweinsteiger bis zum EM-Start mutmaßlich nicht auf 100 Prozent kommen würde. Bundestrainer Joachim Löw hielt dennoch an ihm fest: "Wenn er auf dem Platz ist, gibt er dem Team Stabilität."

So kämpfte sich Schweinsteiger einmal mehr durch ein Turnier. In Frankreich war er auf dem Platz weder desolat noch herausragend, meist fiel er am ehesten in die "Kategorie Unauffällig" - und doch wurde eine Sache schmerzhaft auffällig: Schweinsteiger war nicht mehr gut genug, um auf allerhöchstem europäischen Niveau einem Spiel seinen Stempel aufdrücken zu können. Ähnlich wie in München ein Jahr zuvor hatte das Spiel den Routinier überholt.

Das dürfte auch van-Gaal-Nachfolger Jose Mourinho im Kopf gehabt haben, als er den Mittelfeldmann Berichten zufolge auf eine Art Streichliste setzte. Der Wahrheitsgehalt dieser Meldung ist zwar noch offen - Schweinsteiger trainierte am Donnerstagnachmittag nach kurzer Fitness-Einheit mit der U21 schon wieder mit den Profis - klar ist allerdings auch dem Letzten: Der 31-Jährige ist im Spätherbst seiner Karriere angekommen und der Winter schickt ihm bereits erste kalte Winde entgegen.

Der Gladiator bleibt

Schweinsteiger selbst hat das ebenfalls erkannt, und so gilt es für Fußball-Deutschland, den Hut zu ziehen vor seiner Entscheidung, die Karriere in der Nationalmannschaft zu beenden. Kein krampfhafter Versuch, die WM in Russland noch zu spielen, kein verzweifeltes Festhalten am eigenen Platz in der DFB-Auswahl.

Das Halbfinal-Aus gegen Frankreich, eingeleitet ausgerechnet durch Schweinsteigers Handspiel, ist nicht das Bild, das der Öffentlichkeit im Gedächtnis bleibt. Genauso wenig dürfte das Bild des Schweinsteigers, der nach der WM einen rapiden Leistungseinbruch hinnehmen musste.

Was bleibt, ist vielmehr das Bild des blutenden Gladiators vom Maracana. Daran wird sich auch nichts ändern, sollte Mourinho vor der Saison Schweinsteiger noch abschieben.

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