Warten auf neue Gesichter

Bundestrainer Joachim Löw hat vor kurzem seinen Vertrag bis 2018 verlängert
© getty

Das Jahr 2015 ist aus Sicht des DFB-Teams eine Zwischenstation ohne großes Turnier. Im Mittelpunkt steht die Qualifikation für die EM 2016 in Frankreich, aber auch die spielerische Entwicklung der Mannschaft. Richtig Fahrt kann das Projekt aber erst im zweiten Halbjahr aufnehmen - aber auch dann nur mit Hindernissen.

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Natürlich hat Joachim Löw Lukas Podolski nominiert. Der Angreifer hat zwar zuletzt weder beim FC Arsenal noch bei Inter Mailand oder in der Nationalmannschaft herausragende Leistungen abgerufen, aber der Bonus des Kölners ist noch immer so groß, dass es für die beiden Partien gegen Australien (Mi., 20.30 Uhr im LIVE-TICKER) und Georgien (So., 18 Uhr im LIVE-TICKER) gereicht hat.

Der Bundestrainer hat aber auch betont, dass die Errungenschaften der Vergangenheit nicht für alle Ewigkeiten einen Platz im Kader der Zukunft sichern. Eine Berufung Podolskis gehört also noch nicht zur Satzung des DFB.

In dieser Phase gab es aber keinen Grund auf den 121-maligen Nationalspieler zu verzichten. Die ersten beiden Spiele des Länderspieljahres 2015 sind nicht in dem großen Kontext zu betrachten, in dem Löw und die gesamte sportliche Führung die nächsten Monate sehen.

Wichtige Veränderungen stehen an

Da geht es zum einen um die erfolgreiche Qualifikation für die EM 2016. Deutschland hat in der ersten Post-WM-Ära einige Punkte liegen lassen und ist vor den Auswärtsspielen in Tiflis, Faro, Dublin und Glasgow etwas unter Druck geraten.

Und da geht es zum anderen um den nächsten sportlichen Entwicklungsschritt. Deutschland ist Weltmeister und hat in Brasilien eine bei diesem Turnier einzigartige mannschaftliche Geschlossenheit gezeigt. Aber es gibt Strömungen im Weltfußball, die der Bundestrainer gerne in seine Mannschaft einfließen lassen will.

Es sei "unheimlich wichtig, Veränderungen vorzunehmen", sagt Löw. Die Scoutingabteilung hat sich dabei auf den Weg rund um den Globus gemacht. Chefscout Urs Siegenthaler war beim Asien-Cup sowie in Italien und Chile.

Es ging dort beispielhaft auch um die verschiedenen Varianten der Dreierkette. "Italien spielt sie sehr starr, bei Chile sind die beiden äußeren Spieler dagegen eher Mittelfeldspieler", sagt Löw.

Löws zentrales Ziel: Flexibilität

Die zentrale Botschaft, die Löw schon seit dem ersten Spiel nach dem Triumph von Rio aussendet und die er auf der Pressekonferenz am Dienstag in Frankfurt eindrücklich wiederholte, sammelt er unter dem demonstrativ doppelt betonten Schlagwort: Flexibilität.

Die braucht es, um gegen die immer defensiver agierenden Gegner "Lösungen zu finden", wie es Löw mehrmals ausdrückte. Genauso braucht Löw Flexibilität, um die Problemzonen Außenverteidigung und im Sturmzentrum zu schließen. Geeignetes Personal lässt sich nicht auftreiben, also braucht es andere Varianten.

Um diesen Fortschritt zu gewährleisten, benötigt man Zeit. Zeit, die bei der Nationalmannschaft deutlich knapper bemessen ist als auf Vereinsebene. Zumal bei diesem Spagat zwischen Wettkampf und Entwicklung vor allem in der Qualifikation die Ergebnisse "oberste Priorität" genießen.

Aufschub bis zur nächsten Saison

Löw wird aber auch das Personal verändern, anpassen und optimieren müssen. Er hat das in den Spielen nach der WM schon angedeutet, bei der Nominierung vergangene Woche aber darauf verzichtet. Auch wenn Löw sagt, "die Mannschaft, die im Sommer Weltmeister geworden ist, gibt es im Moment nicht", hat er 16 Weltmeister eingeladen. Dazu die beiden Rückkehrer Holger Badstuber und Ilkay Gündogan. Auf Neulinge hat er dieses Mal verzichtet.

Aktuell gibt es "keine Notwendigkeit, junge Spieler zu holen", sagte Löw. Der Länderspieltermin im März ist eher ein Anhängsel des Jahres 2014 als der Auftakt für die großen Vorhaben 2015 und 2016.

Dieses Projekt startet Löw, wenn ein anderes auf der Stufe unter der A-Nationalmannschaft erfolgreich abgeschlossen ist. Im Juni steht die U21-EM in Tschechien an und Deutschland reist mit guten Chancen ins Nachbarland, um in Prag den ersten Titel seit 2009 einzufahren.

Fokus auf U21-EM in Tschechien

Wie wichtig ein Erfolg auf höchster U-Ebene sein kann, haben die Verantwortlichen des Verbandes vor sechs Jahren in Schweden gemerkt, als die Mannschaft um Manuel Neuer, Sami Khedira, Mats Hummels, Jerome Boateng, Benedikt Höwedes und Mesut Özil Europameister wurde.

Diese sechs spielten beim WM-Triumph von Rio de Janeiro fünf Jahre später auch tragende Rollen im A-Team. Vor allem Khedira betont immer wieder, wie hilfreich die Erfahrung des U21-Turniers für ihn als Führungspersönlichkeit war.

Und deshalb hat der DFB das erste Halbjahr 2015 auch ganz im Sinne von Horst Hrubesch gestaltet. Der U21-Trainer konnte für die Tests gegen Italien und England alle seine Hochkaräter nominieren und wird auch in Tschechien auf die besten Spieler seines Jahrgangs zurückgreifen dürfen, ohne auf die in etwa gleichzeitig stattfindenden Länderspiele gegen die USA und Gibraltar Rücksicht nehmen zu müssen.

"Mir ist lieber, sie spielen ein Turnier mit internationalem Vergleich auf hohem Niveau, als dass sie bei uns bei ein paar Trainingseinheiten dabei sind und vielleicht 90 Minuten auf der Bank sitzen", erklärte Löw: "Das wird sie weiterbringen."

Viele interessante Namen bei der U21

Es gibt in diesem Kader der U21 einige Spieler, von denen sich Löw sehr gut vorstellen kann, dass sie 2016 in Frankreich und 2018 in Russland seinen Kader verstärken können. Namentlich nannte Löw Kevin Volland (Hoffenheim), der vor der WM überraschend aus dem Kader gestrichen wurde, Emre Can der sich in Liverpool als Verteidiger in einer Dreierkette etabliert hat, Max Meyer und Leon Goretzka (beide Schalke).

Da sind aber auch noch die beiden Torhüter Bernd Leno und Marc-Andre ter Stegen, von denen zumindest einer Roman Weidenfeller in Rente schicken wird. Aber auch Ron-Robert Zieler muss sich Sorgen um seinen Platz machen.

Da sind die Wolfsburger Robin Knoche und Maximilian Arnold sowie der Gladbacher Julian Korb, die nächste Saison vermutlich auch auf Champions-League-Niveau gewogen werden. Und da ist (noch in der U20) der Stürmer Davie Selke, der aufgrund des chronischen Stürmermangels im DFB-Team schon bald aufrücken könnte.

Das Prinzip Trial-and-Error

Löw wird in der neuen Saison also den sanften Umbruch fortführen, der nach den Rücktritten von Philipp Lahm, Miroslav Klose und Per Mertesacker begonnen hat. Die Mannschaft hat ihn mit ihren durchwachsenen Leistungen in den ersten Qualifikationsspielen nur etwas unter Zugzwang gebracht.

Trotzdem sieht sich Löw in der Pflicht, in den verbleibenden Spielen "das Risiko einzugehen, Sachen auszuprobieren". Und dabei müsse man der Mannschaft auch Fehler eingestehen. Die Entwicklung beruht auch auf dem Prinzip Trial-and-Error. Was nicht funktioniert, wird wieder verworfen.

Testspiele bleiben dabei 2015 kaum. Der bei den Vereinen ungeliebte Spieltag im August wurde abgeschafft, die ersten beiden Doppelspieltage der Saison 2015/16 sind voll mit den entscheidenden Qualispielen gegen Polen, Schottland, Irland und Georgien.

Neue Einheit auf WM-Niveau schaffen

Neben den taktischen und systematischen Änderungen, die Löw in der Gratwanderung EM-Qualifikation bewerkstelligen will, geht es auch um das Heranwachsen einer neuen Einheit abseits des Platzes.

"Die sind wir im Moment natürlich nicht", sagte Löw. Die Weltmeistermannschaft sei über Jahre gewachsen und habe sich nach vielen Rückschlägen bei Turnieren zuvor voll auf die WM in Brasilien fokussiert.

Auch deshalb wird es ab Sommer "neue Gesichter" in der Nationalmannschaft geben. Und diese müssen mit dem bestehenden Stamm aus Spielern zusammenwachsen, um am Ende des Weges bei der EM 2016 "von der Leistung und von der Einheit her wieder auf WM-Niveau" zu kommen.

Das DFB-Team im Überblick