Erste unter Gleichen

Von Stefan Rommel
Bastian Schweinsteiger war im WM-Finale der prägende Spieler
© getty
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Thomas Schneider kann nicht auf eine ähnliche Vita wie Bastian Schweinsteiger verwiesen. Trotzdem wird er ab Mitte Oktober zweiter Mann im Staat. Es gehört nämlich weiterhin auch zu Löws Gewohnheiten, ab und an überraschende Dinge zu forcieren. Etwa, einen wie Schneider bald zu seinem Co-Trainer bei der Nationalmannschaft zu machen.

Die meisten Experten waren verblüfft, als am Dienstagvormittag erste Gerüchte um Schneider durchsickerten. Den ehemaligen Trainer des VfB Stuttgart hatte wohl kaum einer auf der Rechnung. So überwertet die Kapitänsfrage in der Nationalmannschaft auch sein mag, so wichtig ist diese Personalie im Hinblick auf die kommenden Jahre. Darin sind sich alle einig.

In Hansi Flick hatte Löw in all den Jahren den nahezu perfekten Wegbegleiter: Fachlich herausragend, immer loyal und angenehm zurückhaltend. Flicks Wechsel ins Fach des Sportdirektors beim DFB hat die Aufgabenstellung gerade nach dem WM-Triumph doch sehr verändert.

Selektion der Talente

Die deutsche Mannschaft wird von nun an die gejagte sein. Löw wird mit zusätzlichen Problemen konfrontiert werden, nicht umsonst gibt es bereits jetzt Überlegungen, neben Schneider noch einen zweiten Co-Trainer zumindest partiell hinzuzuziehen.

"Es ist durchaus vorstellbar, dass wir einen unserer U-Trainer als weiteren zusätzlichen Co-Trainer gelegentlich zum A-Team hinzuziehen. Gerade mit Hinblick auf das Turnier 2016", deutet Löw an. Eine der großen Aufgaben von Schneider wird es sein, den Nachschub an talentierten Spielern zu kanalisieren und zu moderieren.

In den acht Jahren seiner Amtszeit hat Löw über 60 Spieler zu ihrem Debüt im Nationaldress verholfen. Er hat viel getestet - weil ihm die Nachwuchsleistungszentren der Bundesliga einen top ausgebildeten Spieler nach dem anderen auf den Hof parkten. Womöglich hat der Bundestrainer demnächst nicht mehr so viel Zeit, sich um jeden Einzelnen der Neuen entsprechend zu kümmern.

"Er wird sich wunderbar einfügen"

Mit der U 17 des VfB wurde Schneider in seinen ersten beiden Jahren als Trainer erst Vizemeister, dann Deutscher Meister. Dass der zu frühe Ausflug zu den Profis vor wenigen Monaten scheiterte, ist im Hinblick auf Schneiders Qualifikation und sein Einsatzgebiet beim DFB eher zweitrangig. Den von Löw beschriebenen sanften Umbruch soll er nun entscheidend mitgestalten.

Lange hatte sich Löw Zeit genommen bei der Suche nach einem geeigneten Nachfolger für Hansi Flick. "Wir haben viele Gespräche mit mehreren Kandidaten geführt", sagte Löw. Unter anderem mit Marcus Sorg, der jüngst mit der U 19 des DFB den Europameistertitel holen konnte. Auch Thomas Tuchel wurde in diesem Zusammenhang immer mal wieder ins Gespräch gebracht. Am Ende haben Kleinigkeiten den Ausschlag gegeben.

Als Erster unter Gleichen wird Schneider in wenigen Wochen seinen Dienst aufnehmen. Dass sich er und Löw noch aus gemeinsamen Zeiten beim VfB kennen, hat die Sache sicherlich vereinfacht und die Gespräche entsprechend angenehm für beide Seiten gestaltet.

"Thomas passt sehr gut zu uns. Von seinen menschlichen Qualitäten und seinen Fähigkeiten als Trainer bin ich zu 100 Prozent überzeugt. Ich freue mich sehr auf die gemeinsame Arbeit, er wird sich wunderbar in unser Team einfügen", sagt Löw.

Gut zusammengestellter Mannschaftsrat

Fast untergegangen in den Erzählungen über Kapitäne und Co-Trainer war am Dienstag der neu zusammengesetzte Mannschaftsrat. Mit Lahm, Miro Klose und Per Mertesacker hatten gleich drei Mitglieder abgedankt. In der täglichen Arbeit bei Treffen der Nationalmannschaft und erst Recht bei großen Turnieren kommt dem immerhin dem Mannschaftsrat eine ganz entscheidende Rolle zu - und nicht etwa nur dem Kapitän.

Gerade bei der deutschen Mannschaft, die in Brasilien wie keine andere den Teamgeist hervorheben konnte und damit letztlich den Unterschied zu den One-Man-Nationen Brasilien mit Neymar, Argentinien mit Messi und die Niederlande mit Robben machen konnte, war die Zusammensetzung des Gremiums die eigentlich spannende Frage.

Mit der Benennung von Manuel Neuer, Thomas Müller, Sami Khedira und Mats Hummels hat Löw sich voll auf einen stimmigen Konsens eingelassen. Neuer war wegen seiner Sonderstellung als bester Torhüter der Welt ein Kandidat für das Kapitänsamt, Müller kann mit seiner integrativen Art der Nachfolger von Mertesacker werden.

Khedira war bereits bei der U 21 Kapitän und gilt für die Zeit nach der EM 2016 ebenso als Kandidat für die Schweinsteiger-Nachfolge wie Hummels, der aktuell zudem den BVB-Block in der Mannschaft repräsentiert und als wichtiges Gegengewicht zur starken Bayern-Fraktion gesehen werden kann.

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