"War in Deutschland weg vom Radar"

Von Interview: Jochen Tittmar
Shkodran Mustafi (r.) spielt seit Januar 2012 beim italienischen Erstligisten Sampdoria Genua
© getty

Shkodran Mustafi ist nicht unbedingt jedem Fußball-Fan in Deutschland ein Begriff. Der Sohn albanischer Eltern wechselte aus der Jugendabteilung des Hamburger SV zunächst zum FC Everton. Nun spielt der 21-Jährige bei Sampdoria Genua. Im Interview spricht Mustafi über seinen nicht alltäglichen Karriereweg, ein Gespräch mit Jürgen Klopp und die Rückkehr auf die Bildfläche.

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SPOX: Herr Mustafi, Sie sind erst 21 Jahre alt, dafür aber schon ganz schön rumgekommen. Bereits mit 14 verließen Sie Ihre hessische Heimat und gingen zum Hamburger SV. Wie intensiv mussten Sie damals darüber nachdenken, diesen großen Schritt zu gehen?

Shkodran Mustafi: Diese Dimension hatte ich damals gar nicht im Kopf. Ich habe als 14-Jähriger eigentlich ausschließlich darüber nachgedacht, dass ein Bundesligaverein an mir interessiert ist. Das ist ja erst recht in diesem Alter der Traum eines jeden Spielers. Es war daher gar keine Frage für mich, dass ich weggehe. Für meine Eltern war es deutlich schwerer als für mich.

SPOX: War der HSV der einzige Erstligist, der sich erkundigte?

Mustafi: Nein, ich hatte Angebote mehrerer Bundesligisten. Hamburg wurde es dann vor allem wegen Trainer Steffen Brauer, der dafür bekannt war, besonders gut mit jungen Spielern zu arbeiten. Hinzu kam der gute Ruf des dortigen Internats. Mir wurde das Heimweh dort abgenommen. Man hat sich rund um die Uhr gekümmert, so dass wir Spieler uns auf das Kerngeschäft konzentrieren konnten.

SPOX: 2009 gingen Sie dann nach England zum FC Everton, hatten aber unter anderem auch ein Angebot von Borussia Dortmund. Wieso Everton und nicht der BVB?

Mustafi: Es stimmt, ich habe damals ein Gespräch mit Jürgen Klopp geführt. Das lief auch nicht schlecht, nur war es immer schon mein Wunsch, in England zu spielen. Ich habe mich dort dann bei einigen Vereinen umgeschaut und mich für den FC Everton entschieden. Ich hatte dort dasselbe Gefühl damals wie bei der Entscheidung zugunsten des HSV.

SPOX: Wie lief die private Anfangszeit auf der Insel?

Mustafi: Ein fremdes Land ist immer eine große Umstellung - andere Kultur, andere Sitten, anderes Essen. Hinzu kommt zuallererst natürlich die Sprache. Ich habe Englisch zwar in der Schule gelernt, aber vor Ort ist das dann nochmal eine ganz andere Geschichte. Es war zunächst schon etwas problematischer, als ich mir das vorgestellt hatte.

SPOX: Worin bestand sozusagen das größte Problem?

Mustafi: In der Tatsache, Hamburg überhaupt zu verlassen. Ich wollte beim HSV bleiben, nur hat es damals einfach bei einigen Faktoren nicht gestimmt. Deshalb erfolgte dann auch die Entscheidung, künftig getrennte Wege zu gehen.

SPOX: Haben Sie in den drei Jahren in Liverpool mehr Spielpraxis bei den Profis erwartet?

Mustafi: Das ganz große Ziel, einmal in der Premier League zu spielen, habe ich leider nicht erreicht. Ich habe aber bei einem Erstligisten gespielt und dort eine tolle Ausbildung genossen. Auch wenn mir am Anfang klar war, dass ich nicht gleich eine Hauptrolle spielen werde, muss ich schon zugeben, mir zum Ende hin mehr erhofft zu haben. Als ich merkte, dass die Spielpraxis unter der großen Konkurrenzsituation leidet, musste ich einen anderen Weg einschlagen.

SPOX: Sie sind dann im Januar 2012 zu Sampdoria Genua nach Italien gewechselt. War eine Rückkehr nach Deutschland auch eine Option?

Mustafi: Ich habe schon mit einer Rückkehr in die Heimat geliebäugelt. Da ich aber bei Everton vorwiegend nur im Reserveteam auflief und bei den Profis auf der Bank saß, war ich in Deutschland etwas vom Radar verschwunden. Es waren zwar Angebote da, von einer Einigung waren wir aber doch entfernt.

SPOX: Haben Sie dieses Gefühl, in der Heimat nicht überall auf dem Zettel zu sein, auch heute noch?

Mustafi: Eigentlich nicht. Es hilft, wenn man mit der U 21 unterwegs ist und dort aufläuft. Diese Spiele werden in Deutschland von den Vereinen intensiv verfolgt. Ich habe jetzt in Genua bei einem italienischen Erstligisten einige Partien absolviert. In Deutschland bin ich deshalb wieder zurück auf der Bildfläche (lacht).

SPOX: In Genua spielen Sie mittlerweile regelmäßig als rechtes Glied einer Dreierabwehrkette. Ist es dann eine große Umstellung, in der U 21 als Innenverteidiger wieder Viererkette spielen zu müssen?

Mustafi: Es geht. Ich habe anfangs in Italien auch Viererkette gespielt. Erst seitdem Delio Rossi Trainer ist, haben wir umgestellt. Es ähnelt aber weiterhin der Innenverteidigerposition, nur dass sich die Laufwege etwas unterscheiden. Ich komme mit dem, was Horst Hrubesch fordert, gut klar.

SPOX: Es läuft in der Serie A aktuell richtig gut bei Ihnen. Würden Sie dennoch Ihre Lage gegen eine Rückkehr nach Deutschland eintauschen?

Mustafi: Derzeit eher nicht. Ich habe in Italien Fuß gefasst und fühle mich in Genua wirklich wohl. Der Trainer schenkt mir sein Vertrauen und baut auf mich - genau das habe ich gesucht. Daher kann ich absolut nicht klagen und möchte auch so schnell nichts an meiner aktuellen Situation verändern.

SPOX: Sie haben seit der U 16 alle Nachwuchsteams des DFB durchlaufen, sind 2009 mit der U 17 Europameister geworden und trugen in den Auswahlmannschaften häufiger auch die Kapitänsbinde. Wie ist es denn dann, wenn man wie Sie jetzt in der U 21 einen Jahrgang nach oben rutscht und quasi vom Herausforderer zum Führungsspieler wird?

Mustafi: Mir hat es in dieser Hinsicht gut getan, im Juni bereits bei der EM dabei gewesen zu sein - auch wenn ich dort nur ein Spiel absolviert habe. Ich kenne jetzt die Abläufe, habe Erfahrung hinzugewonnen und tue mich dadurch leichter. Es passt derzeit vieles, auch in der U 21.