Dutt: Taktische Veränderungen in der Defensive

Von Adrian Bohrdt
Robin Dutt: "Natürlich brauchen wir Spieler wie Mario Gomez oder Miroslav Klose"
© getty

DFB-Sportdirektor Robin Dutt sieht bei der deutschen Nationalmannschaft taktisches Entwicklungspotential im Defensivverhalten. Zusätzlich zu den hoch stehenden Außenverteidigern könnten sich bald auch die Innenverteidiger noch mehr ins Mittelfeld einschalten. Das System ohne echten Stürmer sei auf dem Weg zur WM in Brasilien eine weitere Alternative.

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Viel wurde im deutschen Fußball zuletzt über Taktik diskutiert, vor allem das System ohne echten Mittelstürmer kam häufig zur Sprache. In einem Interview mit der "Sport Bild" hat DFB-Sportdirektor Robin Dutt den Fokus nun aber eher auf die Defensive gelegt.

"Heute sieht es aus wie früher das System mit Libero - aber ohne Libero, sondern mit zwei Manndeckern", glaubt Dutt einen Trend erkannt zu haben. Viele Teams spielen defensiv derzeit teilweise nur mit einer Zweierkette, da die Außenverteidiger extrem hoch stehen. Ein Beispiel sei Borussia Dortmund. Der BVB zeige in der Champions League, dass dieses offensive Systeme auch gegen Topgegner funktioniert. "Da stehen Piszczek rechts und Schmelzer links über der Mittellinie und Hummels und Subotic hinten als Zweierkette", erklärte Dutt.

Kommende Entwicklungen: Viel Tempo

Die nächsten taktischen Entwicklungen werden sich, so der DFB-Sportdirektor weiter, unter anderem bei den Innenverteidigern abspielen. Sie werden sich noch mehr ins Mittelfeld einschalten, um den Gegner im Spielaufbau zu stören. Die Schlagworte dabei seien "Variabilität in der Positionierung, Handlungsschnelligkeit, Antizipationsfähigkeit".

Vor allem dem aggressiven, schnellen Pressing und dem schnellen Umschalten gehöre die Zukunft. Darüber hinaus sei ein schnelles Kombinationsspiel unabdingbar: "Ich spreche gerne von einem optimalen Tempo. Es ist nicht immer die maximale Laufgeschwindigkeit entscheidend, sondern auch das Tempo, bei dem man den Ball noch beherrschen kann."

Dutt verteidigt "Falsche 9"

Da die etatmäßigen Mittelstürmer Miroslav Klose und Mario Gomez zuletzt beide verletzt passen mussten, setzte Bundestrainer Joachim Löw in den WM-Qualifikationsspielen gegen Kasachstan Ende März (3:0/4:1) Mittelfeldspieler Mario Götze im Sturmzentrum ein. Für Dutt ist diese "Falsche 9", also ein System ohne festen Mittelstürmer, ein weiterer Schritt dahin, "sehr variabel aufgestellt" zu sein.

Zuletzt war diese taktische Option oft diskutiert worden, Bundestrainer Joachim Löw hatte allerdings abgewiegelt: "Die Diskussion wird mir generell zu hoch gehängt. Natürlich brauchen wir Spieler wie Mario Gomez oder Miroslav Klose. Diese Stürmer will man nicht abschaffen." Das System ohne echten Mittelstürmer soll bis zur Weltmeisterschaft 2014 in Brasilien allerdings zusätzlich eingeübt werden.

Vertrauen in Löw

Geht es nach Dutt, handelt es sich schlicht um eine zusätzliche Option im Sturm: "Es könnte doch sein, dass unsere Stürmer vor dem ersten WM-Spiel im Training mit den Köpfen zusammenstoßen. Wenn das passieren würde, dann würde in Deutschland inzwischen keiner mehr jammern. Jeder würde sagen: Dann spielt halt Götze oder Reus."

Von Joachim Löw erwarte man beim DFB, dass er seinen Plan hinsichtlich der offensiven Variabilität bis zur WM in Brasilien weiter akribisch und vehement verfolgt. Ob im ersten WM-Spiel ein System mit Mittelstürmer oder mit einem Mittelfeldspieler im Sturmzentrum gespielt werde, liege dabei allein beim Bundestrainer, wie Dutt unterstrich: "Da habe ich das größte Vertrauen in Jogi, dass er die richtige Entscheidung trifft."

Dutt verteidigt Bierhoff-Aussagen

In der Diskussion um die umstrittene Aussage zu den deutschen Chancen auf den Titel bei der WM 2014 hat Dutt Nationalmannschaftsmanager Oliver Bierhoff verteidigt. "Oliver hat ja mit keiner Silbe eine Zielkorrektur vorgenommen und gesagt: ,Wir wollen nicht Weltmeister werden.' Sondern er hat den schwierigen Weg dahin deutlich gemacht - natürlich auch provokativ, um Gehör zu finden", sagte Dutt der "Sport-Bild": "Wenn du den Mount Everest besteigen willst, darfst du nicht suggerieren, dass es ein Abendspaziergang wird."

Bierhoff hatte Ende März erklärt, dass der Titel für eine europäische Mannschaft bei der WM in Brasilien "ein Ding der Unmöglichkeit" sei, weil bei sieben Turnieren auf dem amerikanischen Kontinent noch kein Europäer Weltmeister wurde. Damit hatte der Europameister 1996 eine heftige Debatte ausgelöst und auch Kritik einstecken müssen.

"Damit hat er erreicht, was er erreichen wollte: ein bisschen Druck von der Mannschaft nehmen und mehr Fokussierung auf die nächsten Teilschritte", sagte Dutt.

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