Alles Kopfsache

Von Für SPOX in Paris: Stefan Rommel
Mario Gomez spielte 2013 erst 22 Minuten für den FC Bayern München
© Getty

Mario Gomez hat bislang ein Seuchenjahr hinter sich. Der 27-Jährige beschwert sich aber nicht über seine Situation, sondern zeigt eine erstaunliche Gelassenheit. Die Partie gegen Frankreich soll der erste Schritt zurück ins Rampenlicht sein. Ausgerechnet mit der Nationalmannschaft, die ihm so oft auch Kummer beschert hat.

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Im Stade de France stehen direkt hinter den Werbebanden zwei langgezogene Bänke. Blaue Sessel sind darauf montiert, hergestellt von einem großen Autositzhersteller aus Deutschland. Mit 24 Sitzgelegenheiten bieten sich den Ergänzungsspielern beider Mannschaften jede Menge Komfort und Ausweichmöglichkeiten.

Gomez darf beginnen

Nun hat sich die Zahl der deutschen Reisegruppe nach etlichen Absagen wieder einmal vor einem Testspiel rasch reduziert. Von den ursprünglich 23 Nominierten weilen nur noch 19 Spieler in Paris, inklusive des später berufenen Sven Bender von Borussia Dortmund.

Mario Gomez wird am Mittwochabend (ab 20.45 Uhr im LIVE-TICKER) nicht wie so oft in den letzten Wochen mit Schienbeinschonern in der Hand und der Trainingsjacke vor dem Anpfiff an die Seitenlinie trotten. Er wird spielen. So richtig unter Wettkampfbedingungen und mit etwas Glück über die gesamten 90 Minuten.

Erst 22 Spielminuten dieses Jahr

"Die vergangenen Jahre haben gezeigt, dass die Nationalmannschaft auch immer wieder Spielern geholfen hat, durch schwerere Zeiten im Verein durch zu gehen, wieder auf sich aufmerksam zu machen, Selbstvertrauen zu tanken", sagte Gomez am Montag.

"Es ist gut für uns, wenn Spieler heiß sind und nicht müde von irgendwelchen Spielen. Die Qualitäten von Mario stehen außer Frage. Für uns ist es gut, wenn Spieler kommen, die dann auch heiß sind. Ich freue mich auf seinen Einsatz."

Das sagt Oliver Bierhoff. Als Teammanager muss er solche Dinge sagen, genau so wie er trotz erneut vieler Absagen vor einem Testspiel auch sein Produkt verkaufen muss. Aber als ehemaliger Stürmer weiß er auch genau, wie das ist im Pendelverkehr zwischen Klub und Nationalmannschaft.

Gomez ist in diesem Kalenderjahr erst in den Genuss von 22 Pflichtspielminuten gekommen, mühsam zusammengeklaubt in den Partien gegen Fürth, den VfB und zuletzt Mainz. Das Spiel im Pariser Stadtteil Saint Denis wird ihm also aller Voraussicht nach ein beinahe vergessenes Gefühl zurückbringen.

Gespanntes Verhältnis zur DFB-Auswahl

Es gab in der jüngeren Vergangenheit schon zahlreiche Stürmer, für die der Ausflug zur Nationalmannschafteine sehr willkommene Abwechslung war. Jürgen Klinsmann, Oliver Bierhoff, Lukas Podolski, Miroslav Klose hatten alle schon in ihren Vereinen mit Problemen zu kämpfen, lieferten aber im DFB-Dress verlässlich ab.

Dann war immer von der "Wohlfühloase" die Rede. Dass sich die Reisen zur Nationalmannschaft nun aber für Gomez zur Labsal umkehren, wäre schon eine erstaunliche Wende in der Beziehung des 27-Jährigen zur Landesauswahl.

Schließlich war es bei ihm fast immer andersrum: Gomez war im Klub überaus erfolgreich, zeigte aber im DFB-Dress oft nicht jene Leistungen, die man von ihm erwarten konnte. Und war er dann doch treffsicher und erzielte wichtige Tore, wurde trotzdem an ihm rumgemäkelt.

Heynckes bittet um Einsatzzeit

Die Kritiker werden jetzt auch wieder auf den Umstand verweisen, dass Gomez der letzte seiner Art ist, der Bundestrainer Joachim Löw noch geblieben ist - beziehungsweise, den Löw bei seiner Mannschaft haben will. Denn der Leverkusener Stefan Kießling fand auch nach dem Ausfall von Miroslav Klose (Außenbandteilabriss) erneut keine Berücksichtigung. Stattdessen wurde in Sven Bender ein defensiver Mittelfeldspieler berufen.

Das Experiment zuletzt gegen die Niederlande, mit dem kleinen und nicht als Angreifer ausgebildeten Mario Götze in der Sturmspitze war ordentlich, soll aber nicht zum Dauerzustand werden. Außerdem habe Bayern-Trainer Jupp Heynckes Löw in einem Telefonat gebeten, doch auf seinen Spieler zurückzugreifen und ihm Spielpraxis zu verschaffen.

Heynckes selbst sind diesbezüglich derzeit die Hände ein wenig gebunden. Gomez' Kontrahent Mario Mandzukic ist mit fünf Toren in drei Spielen spektakulär in die Rückrunde gestartet.

"Was soll der Trainer machen?"

Die Gelassenheit, mit der Gomez nun seinen ersten Einsatz nach sieben Monaten Pause im Nationaltrikot angeht, ist deshalb umso bemerkenswerter. Die vielen Jahre im Profigeschäft haben offenbar ihre Wirkung hinterlassen.

"Was soll der Trainer machen? Die Mannschaft spielt hervorragend, warum soll er riskieren, das zu gefährden, indem er einen bringt, der lange weg war", schätzt er die Lage in München nüchtern ein.

"Ich werde einen Teufel tun und versuchen, das zu ändern. Ich will Meister werden. Ich weiß, was ich kann und weiß, dass ich sehr wichtig für die Mannschaft bin und noch gebracht werde. Ich bin nicht beleidigt."

Natürlich weiß Gomez auch, dass er im Nationalteam auf einer dünn besetzten Position zu Hause ist und die Chancen auf einen Einsatz bei körperlicher Unversehrtheit deutlich höher stehen als bei so manchem Teamkollegen aus anderen Mannschaftsteilen. Aber dafür kann er schließlich nichts.

Löw will noch mehr Konkurrenzkampf

Und außerdem hat der Bundestrainer erst am Dienstag sein Vorhaben erneut formuliert, in diesem Jahr den Konkurrenzkampf im Team nochmals anzukurbeln. "Das wird ein Jahr der Weiterentwicklung für den einzelnen Spieler und für die Mannschaft. Und es wird das Jahr der Konzentration."

Und dann sagte er noch, was er schon oft erwähnt hatte. Diesmal mit noch mehr Nachdruck. "Jede große Mannschaft braucht 18, 19 Top-Spieler, die jederzeit eingreifen können." Es ist jetzt Löws heikle Aufgabe, diesen Spielern in einem wenig attraktiven ersten Halbjahr neue Reizpunkte zu setzen.

Die Partie gegen Frankreich darf bis auf weiteres als so etwas wie das Spiel des Jahres durchgehen. Erst beim Gruppensieg in der Qualifikation stünden im November noch England und Italien als Testspielgegner bereit. Davor liegen bis August lediglich die beiden Treffen gegen Kasachstan und die USA-Reise, vermutlich mit stark verändertem Personal.

Klinsmanns Strategie, Gomez' These

Da dürfte er übrigens auf eine topmotivierte amerikanische Auswahl treffen. Jürgen Klinsmann hat in Kalifornien jene Spieler aus der heimischen MLS um sich geschart, denen er eine ernsthafte Konkurrenz zu den vornehmlich in Übersee aktiven Stammspielern zutraut.

Dieser Schattenkader soll den Druck erhöhen und vielleicht den einen oder anderen interessanten Spieler zu Tage fördern, der in den Qualifikationsspielen zur WM noch helfen könnte.

Klinsmann hat wie angekündigt den Profis in Europa klar zu verstehen gegeben, dass sich keiner sicher sein könne. Die besondere Konstellation ermöglicht Klinsmann dieses Vorhaben. Löw muss dagegen mit anderen Mitteln die nötigen Leistungssprünge erzielen.

Insofern ist der Vergleich mit Frankreich, das seit 25 Jahren gegen Deutschland ungeschlagen ist, schon eine willkommene Standortbestimmung. Einen "echten Härtetest" nennt Löw die Partie. Besonders für Mario Gomez. Für den wird es erst die dritte Partie überhaupt in dieser Saison in der Startelf. Dazu kommen acht Teilzeiteinsätze.

"Ich freue mich auf das Spiel. Ich bin jetzt nicht hierher gekommen und sage 'Gott sei Dank'. Das ist jetzt auch keine Wohlfühloase oder so etwas, ich fühle mich auch beim FC Bayern pudelwohl", beteuert er und widerspricht dann noch die These von der viel zitierten Spielpraxis. Denn: "Der Kopf ist oft entscheidender als der Rhythmus."

Mario Gomez im Steckbrief

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