Leno: "Casillas ist für mich unantastbar"

Von Interview: Jochen Tittmar
Bernd Leno feierte am 14. August 2012 beim 6:1-Sieg gegen Argentinien sein U-21-Debüt
© Getty

Bayer Leverkusens Torhüter Bernd Leno wird im Juni bei der U-21-Europameisterschaft in Israel das erste große Turnier seine Karriere spielen. Vor dem Testspiel gegen Italien spricht der 20-Jährige im Interview über die spezielle Beziehung zu seinem Torwarttrainer, die Vorbildfunktion der U-21-Europameister von 2009 und das Gerücht, das ihn mit dem FC Barcelona in Verbindung brachte.

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SPOX: Herr Leno, sind Sie eigentlich froh, dass Sie nicht in den 1980er oder 1990er Jahren Torhüter waren?

Bernd Leno: Grundsätzlich schon, da die Rolle des Torhüters in meinen Augen seitdem deutlich an Bedeutung gewonnen hat. Allein die Ausbildung ist mittlerweile eine ganz andere, viel professioneller.

SPOX: Und um die furchtbaren Torwarttrikots sind Sie auch herum gekommen.

Leno: Das stimmt (lacht). Da gab es teilweise wirklich sehr hässliche Dinger mit bunten Karos. Da gefällt mir die Schlichtheit, die heutzutage vorherrscht, schon deutlich besser.

SPOX: Rüdiger Vollborn, der bis letzten Sommer Ihr Torwarttrainer in Leverkusen war, kommt auch aus dieser Zeit. Jetzt trainiert mit David Thiel ein 28-Jähriger mit Ihnen. Hat sich das Training inhaltlich dadurch verändert?

Leno: Die Philosophie, wie das Training ablaufen soll - also das Verhalten in Eins-gegen-Eins-Situationen oder beim Abspringen - ist dieselbe. Die Herangehensweise an diese Gebiete kann sich schon mal verändern, so dass beispielsweise neue oder andere Übungen trainiert werden. Man ist auch als Torhüter mündig genug, um Inhalte anzusprechen, die man speziell trainieren oder vor einem Spiel angehen würde.

SPOX: Der Torwarttrainer ist die einzige Person aus dem Trainerteam, der jeden Tag mit maximal vier Leuten trainiert. Baut man da automatisch eine engere Beziehung auf?

Leno: Auf jeden Fall. Der Torwarttrainer ist eine Art Freund und die erste Bezugsperson. Da man täglich in einer kleinen Gruppe zusammenarbeitet, ist ein gutes Verhältnis untereinander eminent wichtig. Wäre dies nicht so, wäre es auch schwer, seine Leistung hundertprozentig abzurufen. Ich mache in Leverkusen beispielsweise die Videoanalyse ausschließlich mit David Thiel zusammen.

SPOX: Erzählen Sie Ihrem Torwarttrainer auch Privates? Wie innig darf ein solches Verhältnis sein?

Leno: Ein Torwarttrainer kann durch die enge Beziehung schon ein bisschen eher erkennen, wie ein Keeper tickt, auch rein menschlich gesehen. Ich beanspruche ihn jetzt aber nicht, um persönliche Dinge zu bereden oder würde verlangen, dass in diesem Bereich seine Stärken liegen sollten.

SPOX: Würden Sie auch einen "privaten" Torwarttrainer engagieren und diesen aus eigener Tasche bezahlen, um besser zu werden? Oder wäre das dem vom Verein gestellten Torwarttrainer gegenüber nicht fair?

Leno: Nein, das ist Schwachsinn in meinen Augen. Wenn man mal nicht zufrieden mit dem Training ist, muss man ja auch nicht gleich den Verein wechseln. Kommunikation ist da Trumpf. Man kann so viele kleine Details in Absprache mit dem Trainer leicht verändern. Mehr Sprungkraft, weniger Technik - das ist ja dann keine einschneidende Philosophiefrage, sondern möglicherweise nur ein kurzzeitiges Bedürfnis des Torhüters, in bestimmten Bereichen intensiver zu arbeiten.

SPOX: In der U 21 ist Uwe Gospodarek Ihr Coach, mit dem Sie bei der EM im Juni in Ihr erstes ganz großes Turnier gehen. Haben Sie sich mit dem Gastgeberland Israel schon auseinandergesetzt?

Leno: Nicht wirklich. Man bekommt natürlich in den Nachrichten die Meldungen mit, über andere Dinge aus Israel wird ja im Grunde auch selten berichtet. Mit den kulturellen Themen werden wir uns noch beschäftigen, aber wir sind ja auch nicht dort, um Urlaub zu machen.

SPOX: Wie haben Sie den letzten Titelgewinn der deutschen U 21 vor dreieinhalb Jahren miterlebt?

Leno: Da saß ich wie so viele vor dem Fernseher. 4:0 im Finale gegen England - das war eine ordentliche Abreibung. Aber wenn man sieht, dass viele der damaligen Jungs absolute Top-Spieler geworden sind - Manuel Neuer, Mesut Özil, Mats Hummels, Sami Khedira -, dann braucht man sich nicht wundern, dass wir den Titel geholt haben. Diese Spieler sind für unseren aktuellen Kader allesamt Vorbilder.

SPOX: Wie intensiv können Sie sich nach einer schweren Bundesligasaison auf dieses Turnier vorbereiten?

Leno: Total einfach ist es nicht, die Anstrengung wird ja gegen Ende der Bundesligaspielzeit immer höher, der Akku immer leerer. Aber wir sind alle Profis und machen so etwas im Grunde ja auch nicht zum ersten Mal mit. Es wird ein Riesenerlebnis für uns alle, da macht einem das bisschen Vorbereitung dann auch nichts mehr aus (lacht). Augen zu, ordentlich beißen und durch!

SPOX: Deutschland spielt in Israel in einer Gruppe mit Spanien, Russland und den Niederlanden. Wie groß beziffern Sie die Chancen auf den Titel?

Leno: Parolen werden Sie von mir nicht hören. Ich hoffe, dass wir fünf Spiele haben werden. Das muss als Prognose reichen.

SPOX: Prognostizieren Sie dann doch einmal Ihre Chancen, Nachfolger von Victor Valdes beim FC Barcelona zu werden. Da tauchte zuletzt ja ein Gerücht auf...

Leno: Ich beschäftige mich damit nicht. Das sagen zwar viele Spieler, die schon einmal Teil eines solchen Gerüchts waren. Es ist aber wirklich so - weil einem schlicht die Zeit fehlt. Mir wurde die Sache mit Barca von ein paar Kumpels gezeigt und natürlich muss man sich dann auch mal ein paar Sprüche anhören. Aber es gibt schlimmere Dinge, als mit Barcelona in Verbindung gebracht zu werden oder sich Witze anhören zu müssen.

SPOX: Iker Casillas wurde von Real-Coach Jose Mourinho zuletzt ein paar Mal auf die Bank gesetzt. Wie verfolgen Sie das Geschehen um Ihr Vorbild?

Leno: Ich bin natürlich weit weg, aber es war schon ziemlich komisch, dass er plötzlich auf der Bank saß. Dann hat er sich kürzlich auch noch verletzt, das ist zuletzt alles nicht so gut für ihn gelaufen. Für mich ist er trotzdem unantastbar. Er hat seine Klasse über gefühlte 20 Jahre nachgewiesen, Titel geholt und ist Publikumsliebling in Madrid. Ich denke, dass er langfristig die Nummer eins bei Real bleiben wird.

Bernd Leno im Steckbrief