Renaissance einer betagten Idee

Von Stefan Rommel
Bierhoff (l.) und Niersbach sind entscheidende Faktoren in der Diskussion um den Fußball Campus
© Getty

2013 soll auch das Jahr des Fußball Campus werden. Die DFB-Spitze wird dann über die Errichtung des Leistungszentrums für alle DFB-Mannschaften entscheiden. Es gibt jede Menge Vorteile, aber weiterhin auch einige Bedenken. Oliver Bierhoff nimmt einigen Kritikpunkten den Wind aus den Segeln und treibt zusammen mit Sportdirektor Robin Dutt die Planungen im Hintergrund weiter voran.

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Die Idee ist nicht neu, sie stammt aus den mittlerweile oft auch zu Unrecht gescholtenen 90er Jahren. Hermann Neuberger brachte damals immer wieder den Vorschlag eines Leistungszentrums für den deutschen Fußball auf die Agenda.

Der ehemalige DFB-Präsident fand nur kaum Gehör für seinen visionären Plan. Immerhin war die deutsche Nationalmannschaft zu der Zeit noch erfolgreich bei der Jagd nach Titeln. Wieso also etwas ändern, das augenscheinlich so gut funktionierte?

Definiert man Erfolg als den Sieg der Einfälle über die Zufälle, geht es gerade im Fußball wie in keiner anderen Sportart um die Minimierung eben jener Zufälligkeiten.

Vorbild Clairefontaine

Und dass gerade im Erfolg die meisten gravierenden Fehler gemacht werden, versinnbildlicht Franz Beckenbauers Bonmot über die angebliche, dauerhafte Unbesiegbarkeit der deutschen Mannschaft nach dem WM-Triumph 1990 nur zu gut.

Neuberger hatte damals die Vision, dem deutschen Fußball einen zentralen Anlaufpunkt zu schaffen. Eine Revolution in einem Verband, der mitten in der - dezentral organisierten - Umstrukturierung und Neueingliederung der ehemaligen DDR-Landesverbände steckte.

Bis Mitte der Nuller-Jahre verstaubte das fragmentarische Konzept. Bis sich vor über vier Jahren eine Delegation um Oliver Bierhoff, Joachim Löw, Wolfgang Niersbach und dem damals noch beim Deutschen Fußball Bund angestellten Matthias Sammer auf den Weg nach Paris machte. Um dort das zu erkunden, was die Deutschen in den Jahren des Höhenflugs versäumt hatten zu errichten.

Im Südwesten der Hauptstadt hatte der französische Verband den Vorreiter aller reinen Leistungszentren in Europa geschaffen. Sichtlich beeindruckt kehrten die Deutschen aus Clairefontaine zurück, wo zuvor auch schon Abgesandte des englischen Verbandes vorstellig waren.

St. George's Park: England zieht nach

Die Engländer waren es auch, die als erste reagiert haben. Vor wenigen Wochen weihten Prinz William in seiner Funktion als Präsident der FA und seine Frau Kate den St. George's Park in Burton-upon-Trent ein. Einen 130 Millionen Euro teuren Komplex, der ab sofort für sämtliche 24 Auswahlmannschaften und alle Trainer der Three Lions als Heimstatt fungiert.

Vor zwei Jahren wagte Bierhoff einen ersten Vorstoß und legte dem damaligen Präsidenten Dr. Theo Zwanziger ein erstes Konzept des Fußball Campus in Deutschland vor. Die Resonanz war positiv - passiert ist bis heute allerdings noch nichts.

Auch auf der letzten Präsidiumssitzung des DFB Ende November wurde eine endgültige Entscheidung über den Campus vertagt, dabei hatten Bierhoff und Robin Dutt inhaltliche, strukturelle und wirtschaftliche Komponenten des größten (Bau-)Projekts in der Geschichte des DFB skizziert.

Dutt gilt wie Bierhoff und Bundestrainer Löw als glühender Verfechter des Campus, unter dem neuen Sportdirektor haben die Gestaltung und Umsetzung der Idee neuen Schub erfahren. Wohl auch aus politischen Gesichtspunkten hatte Dutt zuletzt intern auch einige Defizite in seinem Bereich aufmerksam gemacht, unter anderem in der Nachwuchsförderung, wo einige Vereine dem DFB bereits voraus wären.

Vorteile liegen auf der Hand

Die Vorteile einer zentral geführten Begegnungsstätte liegen eigentlich auf der Hand. Mehrere Fußballplätze, einen großen Fitnesskomplex, ein Reha-Zentrum sowie Laufstrecken und Medieneinrichtungen sollen zur Hardware des Campus werden. Inhaltlich könnten Spieler, Trainer und Schiedsrichter aus- und fortgebildet werden. Der Bereich der Leistungsdiagnostik bekäme unter Umständen ebenso einen eigenen Lehrstuhl wie die Managerausbildung.

Trotzdem bleiben die Kritiker hartnäckig. Besonders die Vertreter der Landesverbände zieren sich. Sie fürchten um ihren Einfluss und teilweise auch um ihre Standorte.

Derzeit laufen das Training und das Scouting von Talenten der insgesamt 25.614 eingetragenen Vereine des DFB über die Landesverbände, die den Spielbetrieb für knapp 170.000 Mannschaften in Deutschland organisieren. Auf den 366 Stützpunkten mit weit mehr als 1000 Honorartrainern fußt die Basis des DFB.

Bierhoff kontert Bedenken

Die Bedenken der Entscheidungsträger in den Verbänden kann Bierhoff nicht teilen, im Gegenteil. "Den Landesverbänden kann man ihre Sorgen nehmen, denn ich bin fest davon überzeugt, dass sie davon profitieren werden. Es wird nicht der klassische Konkurrenzgedanke aufkommen, weil sich der Fußball Campus und die Stützpunkte der Landesverbände nicht in Konkurrenz befinden werden", sagt Bierhoff gegenüber SPOX.

"Vielmehr wird ein Austausch stattfinden. Es geht im Prinzip darum, Wissen einzusammeln, mit Hilfe einer geänderten Kommunikation zu bündeln und dann wieder rauszugeben an die Verbände."

Momentan arbeiten die 21 Regional- und Landesverbände zwar nach denselben Leitlinien, aber kaum bis gar nicht untereinander verknüpft. "Ein Verbandstrainer hat derzeit keinen Kontakt zu einem U-Trainer. Dann aber könnte er jederzeit auf ihn zugehen, weil es eine Art Zuhause gibt, in dem man diskutieren und sich austauschen kann", gibt Bierhoff ein Beispiel.

Die Lehrgänge würden weiterhin fester Bestandteil einzelner Landesverbände bleiben. "Wir würden durch den Campus zusätzliche Lehrgänge schaffen. Diese würden aber nicht im Campus stattfinden, sondern in den Landesverbänden", so Bierhoff.

Wissen schaffen, Vorsprünge sichern

Überdies ist auch nicht geplant, die Nationalmannschaft von ihrer Tingeltour durch die Republik zu befreien. Bisher rotiert das Team von Jogi Löw bei seinen Heimspielen, anders als etwa die Vorreiter aus England oder Frankreich, die ihre Heimspiele fast ausschließlich in London beziehungsweise Paris abhalten.

Einen Sturz ins Bodenlose wie im Jahr 2000, als der DFB fehlende konzeptionelle Weitsicht mit jeder Menge D-Mark korrigieren musste, soll es jedenfalls nicht mehr geben. "Wir müssen verhindern, dass wir in fünf Jahren aufwachen und wieder hinterherhinken", sagt Bierhoff. "Meine Forderung ist: Wir müssen in die Ausbildung unserer Jugend investieren. Dafür müssen wir die Kommunikation und die Abläufe verbessern. Wir müssen Wissen schaffen, uns Vorsprünge sichern."

Finanzierung erscheint machbar

Die Frage der Finanzierung dürfte für den DFB dabei nicht einmal die größte Hürde darstellen. 110 Millionen Euro hat der reichste Verband der Welt an Rücklagen gebildet. Dazu kommt Bierhoffs Geschick bei der Akquise finanzkräftiger Sponsoren.

Mit Köln, Frankfurt am Main und Duisburg-Wedau sind mindestens drei Standorte in der engeren Auswahl für den Campus, der an insgesamt 200 Tagen im Jahr auch ausgelastet sein soll.

"Kommunikation entsteht durch Präsenz. Wir brauchen einfach einen Treffpunkt, wo alle zusammenkommen. Da lässt sich auch ein Lebensgefühl entwickeln. Das kennt man ja schon aus der Wirtschaft. Wo Menschen aus verschiedenen Bereichen für ein Ziel zusammenkommen, entsteht Energie, Kommunikation und Wissen", sagt Bierhoff.

Im Herbst treffen sich die Delegierten zum DFB-Bundestag. Spätestens dann wird über den Fußball Campus entschieden werden. Über zwanzig Jahre nach den ersten zarten Überlegungen spricht vieles für den endgültigen Startschuss zur Umsetzung.

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