Falsche Eitelkeit

Von Daniel Börlein
Theo Zwanziger steht wegen seines Buches in der Kritik
© Imago

Dr. Theo Zwanziger hat mit seinem Buch für reichlich Aufruhr gesorgt. Von allen Seiten erntet der ehemalige DFB-Präsident Unverständnis. Warum hat der 67-Jährige das Buch überhaupt geschrieben?

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Zunächst einmal müssen wir zurückgehen in den August 2011 und zu einem Statement, das damals als offizielle Presseerklärung vom DFB veröffentlicht wurde.

"Unsere Nationalspieler müssen sich ihrer besonderen Verantwortung in der Öffentlichkeit bewusst sein. Dazu gehört auch der Respekt vor Persönlichkeiten des Fußballs, mit denen sie nicht immer einer Meinung waren oder sind. Die Aufgabe des DFB ist es allerdings auch, bei allen Aufgeregtheiten der heutigen Zeit die Dinge mit Augenmaß auf der Basis aller Fakten zu beurteilen. Philipp hat für mich den Fehler gemacht, dass er die durch die Vorab-Veröffentlichung seines Buches entstehende Eigendynamik und mögliche Interpretationen nicht richtig eingeschätzt hat."

Es ist die Aussage von Dr. Theo Zwanziger, der Stellung nahm zu Passagen aus dem Buch von Philipp Lahm ("Der feine Unterschied"), das vor rund 15 Monaten für ziemlichen Wirbel sorgte, weil der DFB-Kapitän darin unter anderem die ehemaligen Bundestrainer Rudi Völler und Jürgen Klinsmann kritisierte.

Damals war Dr. Theo Zwanziger der Präsident des DFB, des größten Sportverbandes der Welt. Heute ist er es nicht mehr.

Kritik von Hoeneß, Veh und Co.

Er hat nun selbst ein Buch geschrieben ("Die Zwanziger Jahre") und Auszüge daraus - wie damals Philipp Lahm - in der "Bild" vorab veröffentlichten lassen. Verständnis zeigt dafür fast niemand.

"Dieses Buch wird ihn nach seinem mehr als peinlichen Rücktritt in die Isolation treiben", sagte etwa Uli Hoeneß. "Man sollte die Klasse und Größe haben, nicht nachzutreten, wenn man aufhört. Das verlange ich von jemandem, der diese Position und dieses Alter hat. Was er hier macht, finde ich ganz, ganz schwach", erklärte Armin Veh bei "Sky 90". Und Wolfgang Niersbach, Zwanzigers Nachfolger als DFB-Präsident, sagte bei "Sport1" nur: "Da ist eigentlich jedes Wort zu viel. Ich würde aber Uli Hoeneß nicht widersprechen."

Hoeneß ist einer derjenigen, die Zwanziger in seinem Buch besonders attackiert ("Macho", "kennt keinen Respekt"). Er ist allerdings längst nicht der einzige. Auch Oliver Bierhoff und Jürgen Klinsmann, beide immerhin jahrelang DFB-Angestellte, lässt Zwanziger schlecht aussehen.

Und im Interview mit der "Welt am Sonntag" legte Zwanziger auch noch gegen seinen Nachfolger Wolfgang Niersbach nach und belehrte ihn: "Wer etwas Soziales macht, sollte das tun, weil er sich wirklich verpflichtet fühlt. Das muss man sichtbar machen. Das ist vor allem Sache des Präsidenten. Der Auschwitz-Besuch wurde mir zu schnell abgetan."

Zwanzigers dunkle Kapitel

Über all diese Aussagen Zwanzigers muss man sich doch sehr wundern. Es geht dabei gar nicht unbedingt um deren Inhalt oder die Frage, ob der 67-Jährige damit richtig oder falsch liegt, sondern vielmehr um Form, Art und Weise und vor allem die Frage: Warum musste das überhaupt sein?

Gerade weil Zwanzigers sechsjährige Amtszeit als DFB-Präsident doch auch ein paar dunkle Kapitel vorzuweisen hat. Wie zum Beispiel die fast zweijährige Dauerfehde mit dem Sportjournalisten Jens Weinreich, der Zwanziger als "unglaublichen Demagogen" bezeichnet hatte, wogegen Zwanziger juristisch vorging, allerdings in fünf Gerichtsinstanzen unterlag. Oder der Fall Kempter/Amerell, in dem Zwanziger keine allzu gute Figur abgab und einen großen Haufen Scherben hinterließ.

Nicht zu vergessen sein mindestens unglückliches Agieren bei den gescheiterten Vertragsverhandlungen mit Jogi Löw vor der WM 2010 und seine völlig missglückte Rücktrittsankündigung im Dezember 2011, am Tag der EM-Auslosung.

Erlöse für soziale Zwecke

Um finanzielle Bereicherung geht es Zwanziger mit seinem Buch zumindest nicht. Die Erlöse des Verkaufs spendet er für soziale Zwecke. Doch was hat ihn dann dazu bewogen?

"Ich möchte zeigen, wie ich den Fußball sehe und mir seine Entwicklung vorstelle. Ich habe unglaublich viel erlebt, unter anderem zwei Weltmeisterschaften im eigenen Land", erklärte er seine Motive in der "WamS". Warum allerdings promotet er sein Buch dann nicht auch über seine einzigartigen Erfahrungen, sondern über die Attacken gegen Hoeneß und Co.?

Es ist etwas anderes entscheidend, ein Satz, der für Zwanziger bezeichnend ist: "Zwei Weltmeisterschaften im eigenen Land. Das wird so bald kein DFB-Präsident mehr von sich behaupten können." Und das ist ihm wichtig.

Zwanziger ist eitel, sehr sogar. In den sechs Jahren als Präsident war es ihm immer wichtig, deutlich zu machen, dass er der Mann an der Spitze ist und derjenige, der alles im Griff hat und dabei noch leutselig und warmherzig rüberkommt. Bisweilen ist ihm das sehr gut gelungen, wie zum Beispiel bei den Themen Fremdenfeindlichkeit und Homophobie oder seiner beeindruckenden Rede auf der Trauerfeier von Robert Enke.

Regelmäßig ist Zwanziger durch seine Eitelkeit allerdings an Grenzen gestoßen, auch wenn er das selbst nie wahrhaben wollte. Damals war er allerdings noch der Präsident des größten Sportverbandes der Welt. Heute ist er es nicht mehr.

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