„Wir sollten jetzt von den Spaniern lernen“

Von Henning Klefisch
Bis 2006 spielte Kahn in der Nationalelf. Löw (l.) war damals noch Co-Trainer
© Getty

Oliver Kahn ist bekannt dafür, dass er auch in Bezug auf die deutsche Nationalmannschaft klare Worte äußert. Nach dem ernüchternden 4:4-Unentschieden gegen Schweden hat er eine klare Meinung zum DFB-Team: Die Entwicklung der letzten Jahre habe nicht nur positive Folgen gehabt.

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Die Abwehr ist das deutsche Sorgenkind, wie die Zahlen verdeutlichen. Mit 1,69 Gegentoren im Schnitt ist 2012 der schlechteste Wert seit 1964 erzielt worden. Dabei ist Kahn ein Punkt ganz besonders aufgefallen: "Nicht jede Situation kann spielerisch gelöst werden. Wenn es gegen Spieler geht, die körperbetont und schmutzig agieren, müssen wir darauf die entsprechenden Antworten haben."

Es habe sich ein beunruhigender Trend herausgebildet. "Es ist kein Zufall, dass die Schreckgespenster des deutschen Fußballjahres 2012 Balotelli, Ibrahimovic und Drogba heißen - bullige Typen, die mit allen Wassern gewaschen sind und kaltschnäuzig ihre Chancen erzwingen und nutzen."

"Intelligente Zweikampfführung darf kein Dogma sein"

Kahn versucht, die Fehler zu analysieren: "Bei fast allen Treffern der Schweden waren die Deutschen in Überzahl, standen aber nur im Raum. Gerade in Momenten wie nach dem 4:2, dem ein Stellungsfehler von Badstuber vorausging, ist es elementar, bei Zweikämpfen körperlich präsent und aggressiv zu sein. Der Gegenspieler muss spüren, dass heute nichts mehr geht."

Dabei äußert er leise Kritik an Bundestrainer Löw. "Die intelligente Zweikampfführung, die Löw verlangt, um Freistöße in der eigenen Hälfte zu verhindern, ist grundsätzlich richtig. Aber sie darf kein Dogma sein."

Vorbild Spanien

Ein Aufgreifen untypischer Tugenden aus anderen Nationen sei den Spaniern zuletzt gelungen. "Der spanische Fußball [hat] angefangen, die typisch deutschen Eigenschaften wie Willenskraft, taktische Disziplin, Zweikampfhärte und Niemals-Aufgeben zu verinnerlichen. Und: Die Spanier haben erkannt, dass jedes offensiv ausgerichtete System nur erfolgreich sein kann, wenn die Bereitschaft vorhanden ist, verlorene Bälle sofort wieder zurück zu erobern.

So wie die Spanier von den Deutschen, so sollte jetzt die deutsche Mannschaft von der spanischen lernen, "die offensive Ausrichtung mit unseren bewährten Tugenden zu verbinden. Dass die Attraktivität des Spiels darunter nicht leiden muss, hat der Welt- und Europameister in den letzten Jahren eindrucksvoll bewiesen."

Oliver Kahn im Steckbrief

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