Der Ewigkeit ganz nah

Von Für SPOX bei der Nationalmannschaft: Stefan Rommel
Miroslav Klose (r.) erzielte gegen Irland sein 65. Länderspieltor
© Getty

Miroslav Klose hat einst in einer anderen Zeit begonnen, für Deutschland Tore zu schießen. Heute ist er selbst mit 34 unverzichtbar und auf der Jagd nach zwei fulminanten Bestmarken.

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Als das alles anfing mit Miroslav Klose und der Nationalmannschaft, steckte der Fußball noch in einer anderen Epoche fest. Klose war auf dem Weg zum Friseur, als er im Autoradio von seiner ersten Berufung erfuhr. Nicht per Handy oder Mail.

Erstes Spiel, erstes Tor

Als er dann Oliver Kahn zum ersten Mal im Hotel über den Weg lief, schaute er schnell weg. Später auf dem Platz, wo man wie in der Kneipe das Du als normale Umgangsform pflegt - zumal unter Mannschaftskollegen -, siezte er den Titan. Andere Teamkollegen zu dieser Zeit hießen Wörns, Jeremies, Ramelow - heute der Inbegriff eines hiesig patentierten Rumpelfußballs.

Mit einem schaurigen WM-Qualifikationsspiel im März 2001 startete er seine Karriere. Klose wurde eingewechselt, schubste dann zwei Minuten vor dem Ende den Ball auf den Knien liegend per Kopf über die Linie des albanischen Tores. Das 2:1, der Siegtreffer.

Der Herr Kahn kam danach zur Gratulation vorbei, der Herr Völler auch. Es war Kloses Einstieg in eine Laufbahn, die mindestens bis zur WM in zwei Jahren in Brasilien noch weitergehen soll.

"Müde" wegen der Hoeneß-Kritik

Am Montagnachmittag sitzt Miroslav Klose auf dem Podium bei der DFB-Pressekonferenz am Berliner Salzufer. Vor ihm hat der Bundestrainer gesprochen, Klose hat sich in der Zwischenzeit ein paar der attraktiven Automobile angeschaut, die hier ausgestellt sind.

Früher hat er diese Termine versucht so gut es geht zu vermeiden. Aus den Untiefen der westpfälzischen Bezirksliga aus hatte er es im Eiltempo in die Nationalmannschaft geschafft, da will der Umgang mit den Medien gelernt sein. Heute absolviert er die Pflichtaufgaben ohne Aufgeregtheit und bisweilen sogar garniert mit feinem Humor.

Als er aber gleich zu Beginn wieder mit der Kritik von Bayerns Uli Hoeneß an ihm konfrontiert wird, macht er dicht. Er sei "langsam müde", sich immer wieder zu diesem Thema äußern zu müssen. Das kann man nur verstehen, weil es auf der einen Seite einfach nervt - und weil Hoeneß' Kritik auf der anderen Seite auch ziemlich am Ziel vorbeigeschossen war. Als hätte Gerd Müller viele seiner 68Tore im Nationaldress nicht auch gegen (damalige) Zwerge wie Peru, Zypern, Albanien oder die Schweiz erzielt...

Nah dran am Ewig-Rekord

Jahrzehnte lang hieß es, der Rekord des Bombers sei einer für die Ewigkeit. Jetzt schickt sich aber der Mann von der SG Blaubach-Diedelkopf an, die Ewigkeit einzufangen. Klose steht derzeit bei 65 Länderspieltoren und es dürfte kein Zweifel daran bestehen, dass er Müllers Marke bis zu seinem Karriereende in der Nationalmannschaft pulverisiert.

Natürlich hat Müller immer noch die deutlich bessere Quote und in einigen entscheidenden Spielen auch entscheidende Tore erzielt. An den absoluten Zahlen aber ändert das nichts.

Ein Ziel: Ronaldo überholen

Dazu stehen auch jene 14 Tore bei einer WM-Endrunde zur Debatte, die auch Ronaldo - der aus Brasilien und nicht Cristiano aus Portugal - erzielt hatte. Klose hat Ronaldo da schon eingeholt, in zwei Jahren in Brasilien soll er ihn überholen.

"Die Chancen dafür stehen wohl ganz gut", sagt Bundestrainer Joachim Löw. "Das wäre eine unvergleichlich gute Leistung." Löw arbeitet jetzt seit acht Jahren mit Klose zusammen, hat dessen Werdergang aus nächster Nähe verfolgt, begleitet und gefördert. Er ist die Konstante unter Kloses Trainern.

Von jedem hat er sich im Laufe der Jahre etwas abgeschaut. Aber das war jedes Mal nur so etwas wie ein Zubrot. Die eigentliche Arbeit obliegt dem Spieler selbst. Da trifft es sich prima, dass Klose in dieser Beziehung strebsam ist wie kaum ein anderer.

Ehrgeizig, strebsam, profihaft

Früh begann er mit Extraschichten für den schwächeren rechten Fuß, absolvierte individuelle Fitnessprogramme und holte sich Informationen über seine Gegenspieler ein. Wie agiert ein Verteidiger, wie steht er, welche ist seine schwächere Seite. Das alles in einer Zeit, als der Spieler noch nicht so gläsern war wie heute.

"Die letzten 10 bis 20 Prozent müssen aus einem selbst kommen, die kann kein Trainer aus dir herausholen", sagt Klose. "Diese Mentalität pflege ich." Natürlich spürt er den Kräfteverschleiß anders als noch vor zehn Jahren. Also tut er etwas dagegen.

"Kein anderer Spieler im Team kann so gut in seinen Körper hineinhorchen wie Miro", sagt Athletiktrainer Benny Kugel. Auch das ist eine Gabe. Klose hat deshalb spezielle Stabilisations- und Dehnübungen auf seinen persönlichen Trainingsplan gesetzt, jeweils vor und nach den Einheiten mit der Mannschaft.

Leistungssprung bei Werder

Im Laufe der Jahre hat er sich den wandelnden Spielstilen anpassen müssen, nicht nur in der Nationalmannschaft. In seiner Zeit beim SV Werder Bremen hat Klose den markantesten Leistungssprung gemacht.

Als er damals in Bremen ankam, hatte er als Referenzen "Schlitzohrigkeit, Schnelligkeit und sein Kopfballspiel" dabei, wie es Rudi Völler ausdrückte. Unter Thomas Schaaf lernte er sehr schnell. "Am Anfang war Kopfballspiel sicherlich meine Stärke. Ich habe aber damals bei Werder Bremen und Thomas Schaaf sehr viel gelernt, was das Kombinationsspiel angeht. Das Zusammenspiel mit Johan Micoud hat mich zum kompletten Stürmer gemacht", sagt er im Rückblick.

Seiner ersten Saison mit 15 Toren folgten derer 25 in lediglich 26 Bundesligaspielen. Eine Quote, die selbst an die von Gerd Müller heranreicht. Und nebenbei entwickelte er sein Spiel einfach weiter.

"Jedes Jahr ein anderer Klose"

"Er war immer schon ein Spieler, der vielfältige Möglichkeiten in seinem Spiel hatte. Seine ganz große Stärke war früher das Flankenspiel. Aber er war immer auch schon gut im Kombinationsspiel und er hat den Instinkt, in die richtigen Räume zu gehen", sagt Löw. "Er konnte schon früher sehr, sehr viel als Stürmer. Er ist für unsere offensiven Spieler, die gerne kombinieren wollen, wichtig, weil er das Spiel vorne weiterbringen kann."

Klose selbst hat es sich früh zur Gewohnheit gemacht, immer weiter zu lernen und sich anzupassen. "Ich versuche, mein Spiel variabel zu gestalten, weil man so für die Abwehrspieler weniger greifbar ist. Jedes Jahr soll es einen etwas anderen Klose geben", sagt er.

Im DFB-Dress ist seit Jahren auf den einen Klose Verlass. Derzeit "stehe ich alleine auf dem Zettel", wie er sagt. Durch die Verletzungen von Mario Gomez und Patrick Helmes schränkt sich die Auswahl an deutschen Angreifern automatisch ein. "Immerhin trifft der Kieß ja wieder", sagt Klose. Er meint Leverkusens Stefan Kießling.

Dass der Nachschub an deutschen Stürmern so dürr ist, macht auch ihm sorgen. Nicht nur deshalb will er weiter besonders behutsam mit seinem Körper umgehen. Den Jubel-Salto hat er deshalb fast komplett aus seinem Programm gestrichen.

"Der würde sicherlich noch gehen, aber ich will es nicht riskieren. Schließlich will ich ja 2014 wieder dabei sein."

Miroslav Klose im Steckbrief

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