Lernen von den Österreichern

Von Für SPOX in Dublin: Stefan Rommel
Haben hoffentlich ihre Lehren aus dem Österreich-Spiel gezogen: Klose und Co.
© Getty

Gegen Irland (ab 20.30 Uhr im LIVE-Ticker) muss die deutsche Mannschaft zeigen, dass sie die Warnungen der letzten Wochen ernst nimmt. Die letzte Partie in Wien kann dabei als Referenzgröße dienen. Die Ansatzpunkte sollten klar sein.

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Das letzte Spiel der deutschen Nationalmannschaft ist jetzt einige Wochen her und so manch einer erinnert sich nur unter mittelgroßen Schmerzen an den Auftritt der DFB-Auswahl in Wien. Die Partie Anfang September wird von der FIFA offiziell als Qualifikationsspiel für die Weltmeisterschaft 2014 in Brasilien geführt. Für Joachim Löw markierte der Abend in Wien aber neben den drei gewonnenen Punkten auch eine Art Testlauf auf das, was am Freitag im Aviva Stadium zu Dublin auf seine Mannschaft wartet.

Gemeinhin haben der österreichische und irische Fußball nur wenige Berührungspunkte - was die Herangehensweise der jeweiligen Nationalmannschaften an eine Partie gegen Deutschland angeht, dürften beide aber ziemlich deckungsgleich daherkommen. Der Bundestrainer müsste unseren südlichen Nachbarn deshalb eigentlich recht dankbar sein. Wer kann schon eine Generalprobe auf die nächste Partie unter Wettbewerbsbedingungen absolvieren? Die Österreicher jedenfalls, von ihrem neuen Trainer Marcel Koller perfekt auf fast alle deutschen Vorhaben eingestellt, überraschten Löws Mannschaft an jenem Abend.

Gegenpressing bei Ballverlust eminent

Für große Verblüffung dürften die Iren am Freitag kaum sorgen. Dafür kennt man die grundlegende Spielausrichtung und auch deren Protagonisten zu lange. Und natürlich das Trainergespann Giovanni Trapattoni und Marco Tardelli, die dem aufgeregten Hauruck-Fußball seit nunmehr vier Jahren mehr Linie verpassen. Löw hat sich für die Aufarbeitung des Österreich-Spiels viel Zeit genommen und seine Mannschaft auch schon extra früh zum Treffpunkt in Frankfurt am Main anreisen lassen. Zwei der Trainingsschwerpunkte waren das Verteidigen im Kollektiv und der Spielvortrag. Beides hatte gegen Österreich nur bruchstückhaft funktioniert.

Nach der EM hatte Löw angekündigt, seine Mannschaft noch schneller und aggressiver gegenpressen zu lassen, wenn der Ball verloren geht. Im Prinzip kann man von den drei Spielen danach nur die Partie gegen Österreich als Gradmesser heranziehen. Im Test gegen Argentinien wurden die Parameter durch Ron-Robert Zielers frühe Rote Karte grundlegend verändert, die Färöer im ersten WM-Quali-Spiel stellten keinen echten Härtetest dar.

Schlecht aufeinander abgestimmte Mannschaftsteile

In Wien ließen sich tatsächlich gute Ansätze erkennen, wie in vorderster Linie auf die gegnerischen Verteidiger und defensiven Mittelfeldspieler Druck ausgeübt wird. Es gab nur zwei große Probleme: Zum einen blieb vieles, das als einzelne Aktion betrachtet gut ausgeführt wurde, nur ein Versatzstück. Wie ein Ausriss einer gruppentaktischen Trainingseinheit.

Die einzelnen Mannschaftsteile waren nicht gut aufeinander abgestimmt. So liefen Miroslav Klose und Thomas Müller einige Male im hohen Tempo an, dahinter klaffte aber eine Lücke, die es den Österreichern relativ einfach erlaubte, sich zu befreien.

Hier stimmte die Abstimmung nicht, worauf Löw in den Tagen vor dem Spiel in Dublin ausdrücklich hingewiesen und im Training daran gearbeitet hat. Und zum anderen, darauf hat die deutsche Mannschaft leider kaum einen Einfluss, befreiten sich die Österreicher wie es auch die Iren bevorzugt tun: mit einem langen, hohen Ball.

Jedes Gegenpressing dieser Welt läuft dann im Hinblick auf einen frühen Ballgewinn tief in der gegnerischen Hälfte ins Leere. Im Gegenteil: Durch die schnelle Verlagerung nach vorne dreht der Gegner den Spieß blitzschnell um und geht im vorderen Angriffsdrittel seinerseits auf die Jagd nach dem zweiten Ball.

Aggressive Iren

Es dürfte genau das Schema sein, nach dem die Iren versuchen werden zu spielen. Bei der EM im Sommer hatte Irland nicht viele guten Szenen. Aber Trapattonis Mannschaft gehörte zu den aggressivsten Teams im vorderen Angriffsdrittel, wenn der Gegner den Ball hatte. Dem voraus gehen in der Regel lange Schläge in die Spitze, auch auf die Gefahr hin, dass die eigenen Angreifer die Bälle nicht festmachen können und dann ihrerseits schnell wieder hinterherlaufen müssen.

Nicht von ungefähr rührte eine frappierend schlechte Passgenauigkeit von lediglich 58 Prozent bei der EM. Der mit Abstand schlechteste Wert aller 16 Teilnehmer. Deutschland kam da auf 76, Europameister Spanien auf 80 Prozent. Den eigentlichen irischen Risikopass gibt es unter Trapattoni nicht. Wenn man so will, ist der lange Schlag aus der Abwehr heraus für den eigenen Ballbesitz schon das größte Wagnis.

Irland wird seinen Gast in der Defensive zwangsläufig in jede Menge Zweikämpfe verwickeln wollen. Das überschaubare Offensivspiel der Iren wird aber auch in deren Offensive zu vermehrten direkten Duellen führen gegen eine deutsche Mannschaft, die bei der EM in fünf Spielen lediglich 388 Zweikämpfe absolviert hat, also rund 78 pro Spiel. Selbst die angeblich nur filigranen Spanier lagen da mit fast 97 pro Partie (inklusive der Verlängerung gegen Portugal) weit drüber.

Rückkehr von Schweinsteiger macht Hoffnung

Was gegen Österreich kaum funktionierte, war ein geregelter Spielaufbau von hinten heraus. Ein zentraler Schwachpunkt war dabei das defensive Mittelfeld der Deutschen, wo Sami Khedira und Toni Kroos nicht abgestimmt aufeinander, also im Prinzip kaum, harmonierten.

Insofern lässt die Rückkehr von Bastian Schweinsteiger eine Besserung erwarten. Der deutschen Mannschaft fehlte es an vernünftigen Laufbewegungen, um gegen das vehemente Pressing Räume zu schaffen und den Ball kontrolliert nach vorne zu tragen.

Hier sind Schweinsteiger, Khedira und vielleicht auch Mesut Özil gefragt, sich auch mal tiefer auf die Höhe der vorrückenden Außenverteidiger fallen zu lassen, um den Druck auf die aufbauenden Innenverteidiger zu nehmen und zum anderen als Anspielstation im Zentrum zu fungieren. Gerade bei einer kaum eingespielten Viererkette wie sie die deutsche Mannschaft haben wird, ist das eine elementar wichtige Komponente.

Umbauarbeiten in der Abwehr

Jerome Boateng wird den gesperrten Philipp Lahm rechts ersetzen, Per Mertesacker für den verletzten Mats Hummels in die Innenverteidigung rücken. Dazu wohl noch Marcel Schmelzer links in der Kette, derzeit mehr oder weniger die einzige Alternative für die Position und bei Löw bis Jahresende unter Beobachtung.

Wobei der Bundestrainer sein erst vor wenigen Wochen geäußertes Vertrauen in Schmelzer am Donnerstag auf der abschließenden Pressekonferenz deutlich relativierte.

"Man muss den Spielern auch ein bisschen Zeit, um sich international an dieses Tempo und diese Schnelligkeit und Dynamik und Drucksituation zu gewöhnen. Marcel Schmelzer hat zuletzt gegen Österreich kein gutes Spiel gemacht. In Dortmund spielt er auf der Position ein bisschen einfacher als in der Nationalmannschaft", sagte Löw da.

Und weiter: "Vielleicht braucht er noch ein bisschen Zeit und das eine oder andere Spiel, um sich da reinzufinden. Viel mehr Alternativen gibt es im Moment auch nicht. Die nächsten ein, zwei, drei, vier, fünf Monate müssen wir mit Marcel Schmelzer weiterarbeiten und das werden wir auch machen. Und ich kann sie mir auch nicht schnitzen." In der Form eine verhältnismäßig schroffe Kritik am Dortmunder, der dem Anschein nach nurmehr einen besseren Platzhalter für wen auch immer darstellen soll.

Überraschungsnominierung Westermann

Dazu brachte Löw plötzlich auch Heiko Westermann ins Spiel, der förmlich aus dem Nichts erst in den Kader gerutscht war. "Heiko Westermann kann auf mehreren Positionen spielen und hat eine sehr gute körperliche Präsenz. Gerade morgen könnte das auch sehr sehr wichtig sein, wie die Kopfballstärke."

In der Zusammenstellung feiert die deutsche Viererkette im Aviva Stadium so oder so Premiere. Es spricht einiges dafür, dass sich sowohl Boateng als auch Schmelzer oder Westermann zunächst nicht exorbitant in die Offensive mit einschalten werden - insofern ist die Arbeit im Zentrum von noch größerer Bedeutung.

Marco Reus lernt bei Borussia Dortmund derzeit noch, seinen Stil dem der Mannschaft anzupassen. Auffällig oft zieht er beim BVB schnell zur Mitte und macht die Flanke für den nachrückenden Schmelzer frei. In Wien war das sehr augenscheinlich, aber überhaupt nicht effektiv. Besser sollte Reus die Position halten wie Thomas Müller auf der anderen Seite, um dem deutschen Spiel mehr Breite zu verleihen und den Verkehr in der Mitte nicht zusätzlich unübersichtlicher und enger zu machen.

Variationen im Angriffsspiel

Und, auch wenn es ein Stilbruch wäre und überhaupt nicht zur Vorgabe des Bundestrainers passt: Ein gut getimter langer Ball zwischen die Linien aus gegnerischen defensivem Mittelfeld und Viererkette muss bisweilen eingestreut nicht immer nur eine Notlösung sein.

Nicht erst Borussia Dortmund hat gezeigt, dass das ein sehr effektives Mittel sein kann, wenn das eigene Pass- und Laufspiel nicht funktioniert und man während einer Partie auch flexibel darauf reagieren sollte.

Nimmt man dann die zweiten Bälle aggressiv in Angriff, wäre im Erfolgsfall der Raum zum gegnerischen Tor schneller und risikoärmer überbrückt, die Mannschaft käme in der Tat eher ins geforderte Gegenpressing.

Nur: bisher sträubt sich der Bundestrainer energisch gegen diese Variante. Und in Holger Badstuber steht in Hummels' Abwesenheit nur noch ein Abwehrspieler auf dem Platz, dem diese gezielten Pässe zuzutrauen sind.

Die voraussichtlichen Aufstellungen

Irland: Westwood - Coleman, O'Shea, O'Dea, S. Ward - Andrews, McCarthy, Fahey - Cox, McGeady - Walters

Deutschland: Neuer - Boateng, Mertesacker, Badstuber, Schmelzer - Schweinsteiger, Khedira - Müller, Özil, Reus - Klose

Schiedsrichter: Rizzoli (Italien)

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