DFB-Team: In sehr guter Position

Von Für SPOX bei der Nationalmannschaft: Stefan Rommel
Das DFB-Team feiert nach dem Sieg gegen Dänemark ausgelassen den Einzug ins Viertelfinale
© Getty

Deutschland hat das Optimum aus seiner Gruppe herausgeholt und schon sehr vieles richtig gemacht. Es gibt aber weiter noch Dinge zu verbessern. Immerhin ist die Ausgangslage jetzt sehr günstig.

Anzeige
Cookie-Einstellungen

Ob nun bereits ein Flug nach Danzig gebucht sei, wurde am Airport in Lwiw zu vorgerückter Stunde noch gescherzt. Nach den teilwiese beschwerlichen Reisen nach eben Lwiw oder ins ost-ukrainische Charkiw mit völlig anderen klimatischen Bedingungen als im deutschen Ressort in Danzig ist der kommende Spielort für alle Beteiligten geradezu ein Segen.

Noch nicht mal 20 Kilometer beträgt die Entfernung vom Hotel Dwor Oliwski, in dem sich die deutsche Nationalmannschaft seit nunmehr zwei Wochen aufhält, zum Stadion nahe der Ostsee. Dass die deutsche Mannschaft sich das Recht auf eine logistisch unkomplizierte Anreise erwirkt hat, war angesichts der komplizierten Gruppenauslosung alles andere als eine Selbstverständlichkeit.

Die Vorrunde hätte leicht auch schon das Ende alle Titelträume bedeuten können, dafür waren die Gegner namhaft genug und die Vorbereitung der deutschen Auswahl auf das Turnier nicht bis ins Detail austariert. Trotzdem hat es gereicht. Weil sich die Mannschaft auf ihre profunden Elemente verlassen kann und im Laufe des Turniers sogar die eine oder andere Überraschung ausgegraben hat.

Allerdings gibt es auch noch Dinge, die in der K.o.-Phase dringend zu verbessern sind - will man am 1. Juli dann doch wieder eine längere Reise in Kauf nehmen: Zum Finale nach Kiew.

Beste Bilanz aller Teilnehmer: Nur Deutschland ist mit drei Siegen aus drei Spielen durch die Gruppenphase gerauscht - auch wenn es in jeder Partie eng war und am Ende "nur" jeweils ein Tor den Ausschlag gegeben hat. Die Gefahr des frühen Scheiterns ist gebannt und damit sollte vorerst auch Ruhe sein. Latent hielten und halten sich Diskussionen über die titellose Generation Lahm-Schweinsteiger-Podolski, die bis wenigstens Freitag auf Eis liegen. Ebenso die leisen Zweifel an der Arbeit des Bundestrainers. Die ganz große Anspannung ist jetzt nicht völlig weg, das darf sie auch nicht sein. Aber sie ist ein bisschen weniger geworden.

Überragende Statistik: Die drei Erfolge bei der EM haben die Serie von Pflichtspielsiegen seit der Weltmeisterschaft vor zwei Jahren auf 14 am Stück nach oben geschraubt. Seit dem 3:2-Sieg im Spiel um Platz drei gegen Uruguay hat Deutschland noch alle zehn Qualifikationsspiele und eben die drei ersten des Endturniers allesamt gewonnen, bei einem Torverhältnis von 42:11. Besser geht es schlicht nicht.

Gebührende Sachlichkeit: In der Qualifikation und auch in so manchem Testspiel schoss die deutsche Mannschaft fast alles kurz und klein. Das ist natürlich schön anzuschauen, weckt aber eben auch Begehrlichkeiten spielerischer Natur. Das Problem bei dieser EM bisher - und gegen Griechenland wird sich daran vermutlich auch wenig ändern: Kein Gegner will der deutschen Mannschaft auch nur einen Meter zu viel Platz lassen. Deren Stärken sind längst entschlüsselt, das Gegenmittel lautet kompakte Defensivarbeit, gepaart mit überfallartigen Kontern. Im alten Deutschland-Stil zum Erfolg über Deutschland. Da war es nur zu verständlich, dass Bundestrainer Löw auf ein gedrosseltes Risiko setzte und in Bastian Schweinsteiger und Sami Khedira seine Schlüsselspieler definierte, Kreativgeister wie Mesut Özil bisher aber etwas blasser blieben. Dass eine zu riskante Spielweise beziehungsweise eine fehlende Balance schnell gefährlich und sogar tödlich sein kann, haben sowohl die Russen als auch die Niederländer leidvoll erfahren. Auch das Offensivspiel der Spanier ist bei der EM schon an gewisse Grenzen gestoßen. Gegen Italien prallten die Angriffswellen bis weit in die zweite Halbzeit an einer konzentrierten Fünfer-Abwehrkette ab. Und im Vergleich zur deutschen Mannschaft fehlte es dem Titelverteidiger dann auch noch an der grundlegenden Balance zwischen Angriffs- und Abwehrarbeit. So viele klar herausgespielte Chancen, wie die Spanier dem Gegner in dieser Partie gestatteten, hat Deutschland bislang in allen Spielen zusammen nicht zugelassen.

Löws Händchen: Der Bundestrainer hatte im Vorfeld einige Dinge zu regeln, mit teilweise schweren Entscheidungen für den Einzelnen. Auf persönliche Schicksale kann der Bundestrainer aber keine Rücksicht nehmen, also sitzen per Mertesacker und Miroslav Klose bisher zu Spielbeginn verlässlich auf der Bank. Wenn man es sich ganz einfach machen will, könnte man auch lediglich pro Löws Entscheidungen argumentieren: Mats Hummels statt Mertesacker hat sich ausbezahlt. Mario Gomez hat drei Turniertreffer erzielt und damit zu zwei Siegen verholfen. Der gerügte Lukas Podolski trifft gegen Dänemark, ebenso wie der unerfahrene Lars Bender, der den Vorzug vor Benedikt Höwedes bekommen hat. Natürlich wird die Diskussion um ein flüssigeres Spiel der deutschen Mannschaft mit Hilfe Kloses im Sturmzentrum nicht abebben, vielleicht auch zu Recht nicht. De facto hat Löw in Personalfragen bisher aber alles richtig gemacht.

Die Probleme: Nicht erst beim dänischen Ausgleichstreffer wurde ersichtlich, dass die totale Raumdeckung bei gegnerischen Standards anfällig scheint. Das Trainerteam hat sich dazu entschlossen, auf Manndeckung auch in einer Mischform zu verzichten und wurde dafür von den Dänen bestraft. Vor dem Eckball, der später zum Tor führte, wollte Löw bereits Hummels aus dem Zentrum zu Bendtner stellen, die Anweisung von der Bank erreichte den Adressaten aber nicht mehr rechtzeitig. Erst danach orderte Hansi Flick den Dortmunder unmissverständlich auch Bendtner zu. In der Offensive bleibt es dabei, dass sehr viele gute Versatzstücke zu erkennen sind, die aber nicht immer in passender Form zueinander finden. Die ersten 20 Minuten gegen Dänemark waren offensiv die besten der deutschen Mannschaft bisher, mit aggressivem Pressing und flüssigen Kombinationen, zumeist eingeleitet von Mesut Özil. In der gefährlichen Zone 30 Meter vor dem Tor beschlich die Mannschaft aber oft auch eine Unentschlossenheit, wie man sie von deutschen Mannschaften kaum kennt. Dann verliert sich das Spiel in kleinteiligen Aktionen oder Dribblings, die dem Angriff wieder das Tempo nehmen, das vorher durch mühsam vorgetragenes Passspiel aufgebaut wurde. Und es fehlte zuletzt der simple Abschluss aus der zweiten Reihe. Die Chancenverwertung war gegen Portugal und die Niederlande sehr ordentlich, gegen Dänemark machten es Schlampereien vor dem Tor der deutschen Mannschaft nur unnötig schwer.

Ein Ausblick: Die Overtüre ist geglückt, auch wenn es hier und da noch ein wenig rumpelt. Aber das ist im Umkehrschluss auch eine schöne Aussicht: Dass sich die deutsche Mannschaft für die heiße Phase auch noch Möglichkeiten zur Verbesserung und Korrektur gelassen hat. "Wir werden uns in einigen Dingen verbessern müssen und das wird uns auch gelingen", sagt der Bundestrainer. Der kommenden Gegner Griechenland ist unangenehm und nicht zu unterschätzen. Aber eben auch absolut machbar für eine Mannschaft wie die deutsche. Dazu findet die Partie vor der Haustür statt, ein mögliches Halbfinale im verhältnismäßig nahe gelegenen Warschau. Die strapaziöse Tour nach Donezk wurde bereits vermieden. In Danzig dürfte die deutsche Mannschaft fast ein Heimspiel erwarten, mit bis zu 20.000 Fans ist zu rechnen. Dazu sind die Gastgeber nach dem Ausscheiden ihrer Mannschaft nun am erfolgreichen Abschneiden der beiden "Polen" Podolski und Klose interessiert. Insgesamt hat sich die Mannschaft durch eine schwere Gruppe in die beste aller Positionen gebracht.

Die EM 2012 im Überblick

Artikel und Videos zum Thema