Warten auf den Final Cut

Von Für SPOX bei der Nationalmannschaft: Stefan Rommel
Mario Balotelli trifft mit Schmackes zum 2:0 für Italien gegen Deutschland
© spox

Das EM-Aus ist noch nicht verdaut. Nach dem 1:2 der deutschen Nationalmannschaft gegen Italien beginnt die Zeit der Fehlersuche. SPOX stellt vier Thesen in den Raum und versucht Antworten darauf zu geben, warum die deutsche Mannschaft wieder einmal bei einem großen Turnier nicht erfolgreich war.

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Der Mannschaft fehlt ein Anführer

Merkwürdig und faktisch nicht belegbar ist die leidige Diskussion um einen Spieler, der in kritischen Momenten vorangeht. Typen dafür sollte die Mannschaft in Bastian Schweinsteiger oder Sami Khedira eigentlich haben. Gegen Italien konnten sie diese Rolle aber nur bedingt oder gar nicht ausfüllen.

Vor Tagen hatte "L'Equipe"-Reporter Eric Champel die deutsche Mentalität hinterfragt und die These in den Raum geworfen, dass diese Mannschaft zu uniform und rational sei und mit schwierigen Situationen womöglich nicht umzugehen vermag. In gewisser Weise wurde diese These im Halbfinale, als Deutschland zum ersten Mal in Rückstand geriet und auf kein bewährtes System und Automatismen zurückgreifen konnte, auch bestätigt.

Als gegen Italien alles schon zu spät schien, stellte Löw in den letzten Minuten auf eine Dreierkette um. Zunächst gab Schweinsteiger da eine Art Libero, agierte also als Passgeber aus der Mitte des Spielfelds heraus. Am Ende rückte er nach rechts ins Glied - auf die unwichtigste aller Feldspielerpositionen, wenn man Risiko geht und hinten fast komplett aufmacht.

Sicherlich war es seiner körperlichen Verfassung geschuldet und man muss ihm zugute halten, dass er sich durchgebissen hat durch ein sehr schwieriges Turnier.

Nur: Hätte er nicht mehr Größe gezeigt, wenn er freiwillig auf das Halbfinale verzichtet hätte? Immerhin hatte Schweinsteiger nur vier Tage vor dem Spiel erklärt, er fühle sich nicht so, wie er sich für eine EM eigentlich fühlen müsste. Er fühle sich körperlich generell gut, aber in einigen Teilbereichen nicht in bester Verfassung. Und vor allen Dingen fehlte es ihm an einer gewissen Sicherheit, die er für sein Spiel benötigt.

Die Rückversetzung auf den Rechtsverteidigerposten - bis jetzt ist nicht geklärt, ob auf Anweisung von Löw oder eine Entscheidung des Spielers - war auch ein unfreiwilliges Zeichen: Der Emotional Leader der deutschen Mannschaft bringt in der Endphase keine Emotion ins Spiel, sondern macht sich unsichtbar. Die Gründe dafür waren sicherlich vielfältig. An der Tatsache an sich ändert das aber nichts.

Im Halbfinale gab es eine Bayern-Blockade

Bei Anpfiff standen sieben von acht Bayern-Spieler auf dem Platz, Thomas Müller folgte im Laufe der zweiten Halbzeit. Die Diskussion ist eigentlich ausgelutscht und auch wenig populär, aber in der abgelaufenen Saison waren die Bayern bis auf das Rückspiel im Champions-League-Halbfinale in Madrid eben auch in keinem der engen, wichtigen Spiel in der Lage, diese auch zu gewinnen. Der Umkehrschluss muss jetzt nicht zwingend heißen, dass es eine Reihe der Double-Sieger aus Dortmund besser gemacht hätte, trotzdem bleibt das als Fakt festzuhalten.

Spricht man von den Gewinnern dieser EM im deutschen Team, dann finden sich darunter vielleicht Holger Badstuber und Mario Gomez. Ansonsten: Mats Hummels, Sami Khedira, Marco Reus, vielleicht noch Miroslav Klose, der immer gezeigt hat, wie wichtig er ist, wenn er spielen durfte. Und dessen Ankündigung, bis 2014 weitermachen zu wollen, ein wichtiges Signal ist.

Angesichts des großen Bayern-Blocks im Kader ist die Quote an überzeugenden Leistungen eben jener Spieler aber relativ gering. Auch hat sich keiner bei der EM nochmal einen Schub nach vorne geben können, so wie es Bastian Schweinsteiger oder Thomas Müller bei der WM vor zwei Jahren noch gelang.

Die Diskussion um das verlorene Champions-League-Finale und die letztlich verkorkste Saison mit drei zweiten Plätzen ist im Laufe des Turniers verstummt. In Sequenzen konnte die Bayern-Spieler ihre Leistung abrufen, manche sogar in einigen Spielen überzeugen. Aber kein einziger spielte alle Spiele auf einem konstant hohen Niveau - für eine Mannschaft, die angesichts des großen Blocks aus München darauf aber angewiesen ist, eine entscheidende Schwächung.

Seite 2: Komfortzone und Goldene Generation

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