Prügelknaben, Loddar, Robby Earnshaw

Von Für SPOX in Tourrettes: Stefan Rommel
Der DFB-Mannschaftsrat bringt Berti Vogts 1996 soweit, Lothar Matthäus rauszuwerfen
© Getty

Das 3:5 gegen die Schweiz mag die Kritiker auf den Plan rufen - letztlich ist es nur eine weitere Episode deutscher Vorbereitungsverfehlungen. Ein Blick zurück auf 16 Jahre.

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Vorbereitung auf die EM 1996 in England

Berti Vogts lässt seine Mannschaft im Vorfeld des Endturniers dreimal ran. Beim 1:1 in Nordirland fehlt Libero Matthias Sammer, die DFB-Auswahl kommt gegen biedere Nordiren über ein schmeichelhaftes 1:1 nicht hinaus. Drei Tage später setzt es in Stuttgart sogar eine 0:1-Niederlage, allerdings gegen EM-Mitfavorit Frankreich.

Das Echo in den Boulevardmedien ist nachhaltig, Vogts stand schon nach dem Viertelfinal-Aus zwei Jahre zuvor gegen Bulgarien kurz vor dem Rauswurf. Dazu kommt der Rauswurf von Lothar Matthäus, der sich mit Vogts' verlängertem Arm Jürgen Klinsmann einen medialen Schlagabtausch lieferte.

Der Mannschaftsrat bringt Vogts soweit, Matthäus rauszuwerfen. Der soll angeblich mehrfach Interna aus der Kabine den Medien gesteckt haben.

Im abschließenden Test lädt sich der DFB traditionell einen Prügelknaben aufs Tablett. Das 9:1 gegen Liechtenstein ist standesgemäß und glättet die Wogen einigermaßen.

Der EM-Triumph rettet Vogts und rechtfertigt dessen Personalentscheidungen im Nachhinein.

Vorbereitung auf die WM 1998 in Frankreich

Deutschland beginnt die Testphase mit einem faden 0:0 in Finnland. Der Europameister hat plötzlich wieder Matthäus mit an Bord, den Vogts nach Druck vereinzelter Medien, und weil Sammer wegen einer Knieverletzung passen muss, begnadigt.

Im zweiten Spiel besiegt Deutschland die Auswahl von Kolumbien auch dank eines Doppelpacks von Oliver Bierhoff mit 3:1. Das abschließende Scheibenschießen, diesmal gegen Luxemburg, endet 7:0.

Genutzt hat das dann aber wenig. Deutschland spielt ein durchwachsenes Turnier und scheitert im Viertelfinale deutlich an Kroatien (0:3). Vogts blieb zunächst noch im Amt, gab dann aber später doch auf.

Vorbereitung auf die EM 2000 in Belgien und den Niederlanden

Nach den Wirren um die Vogts-Nachfolge geht der DFB mit Erich Ribbeck in die Phase vor dem Turnier in den beiden Nachbarländern. Das erste von lediglich zwei Testspielen gewinnt Deutschland in einer Neuauflage des 96er-Endspiels gegen die Tschechische Republik mit 3:2. Nach gut einer Stunde eingewechselt und danach zweifacher Torschütze: Oliver Bierhoff.

Gegen Liechtenstein sollen die DFB-Stars dann vier Tage später in Freiburg Selbstvertrauen tanken. Zehn Minuten vor dem Ende aber pfeift das Stadion die deutschen Spieler aus. Es steht lediglich 3:2, bis die deutsche Mannschaft, die mit ihrer Wunschformation ins Spiel gegangen war, innerhalb von sieben Minuten doch noch ein 8:2 herausschießt.

Das Turnier gerät später zum reinen Desaster. Deutschland erzielt nur ein Tor und holt einen Punkt, scheidet dafür gegen eine portugiesische B-Elf sang- und klanglos aus. Ribbeck muss gehen und bleibt bis heute der einzige Bundestrainer der DFB-Geschichte ohne Bundesverdienstkreuz.

Vorbereitung auf die WM 2002 in Japan und Südkorea

Mit Rudi Völler geht es leicht bergauf, wenngleich der das 1:5 gegen England im Rahmen der Qualifikation zu verantworten hat. Immerhin aber stellte sich Rudi Riese nach dem Skandal um Christoph Daum weiter zur Verfügung.

Dem ersten Gegner Kuwait begegnet die deutsche Mannschaft ganz modern mit einer Viererkette und siegt 7:0.

Aber schon wenige Tage später blamiert sich die Mannschaft in Cardiff bis auf die Knochen. Robert Earnshaw, ein 19-jähriger Bengel von Drittligist Cardiff City, bringt Deutschland eine 0:1-Niederlage bei. "Wir haben keine Abstimmung, keine Harmonie, und das wird sich auch bis zur WM nicht ändern", unkt Günter Netzer. Einen "besorgniserregenden Zustand des deutschen Teams" macht der "Stern" aus.

Die abschließende Partie gegen Österreich revidiert diese Ansichten, Deutschland gewinnt mit 6:2. Allerdings verletzt sich die große WM-Hoffnung Sebastian Deisler schwer am Knie und fällt für das Turnier aus.

In Japan und Südkorea wurschtelt sich die deutsche Elf dann dank Kahn, Ballack und der Wiedereinführung des Liberos bis ins Finale gegen Brasilien.

Vorbereitung auf die EM 2004 in Portugal

Beim Prügelknaben-Bingo ist diesmal Malta dran und bekommt beim 7:0 ordentlich das Fell über die Ohren gezogen. Ballack trifft viermal. Auch der zweite Test wird gewonnen. In Basel gibt es ein souveränes 2:0, durch einen Doppelpack der neuen Sturmhoffnung Kevin Kuranyi.

Als alles perfekt zu laufen scheint, dann die große Blamage. Beim 50. Jahrestag des Wunders von Bern verliert Deutschland gegen Ungarn mit 0:2. Zu Hause in Kaiserslautern, der Heimat vom Fritz Walter. Durch zwei Tore von Sandor Torghelle. Und an der Seitenlinie der Ungarn: Lothar Matthäus, den in Deutschland niemand als Trainer haben will.

Immerhin machen zwei Jungspunde von sich Reden. Bastian Schweinsteiger und Lukas Podolski geben ihr Debüt im DFB-Dress und fahren dann auch mit zur EM. Nutzt jedoch alles nichts: Deutschland scheidet wie vier Jahre zuvor erneut in der Vorrunde aus. Völler tritt einen Tag danach als Bundestrainer zurück.

Vorbereitung auf die WM 2006 in Deutschland

Die Trainerfindungskommission einigt sich auf Jürgen Klinsmann als neuen Bundestrainer. Von jetzt an weht ein heftiger Wind durch die Stuben an der Otto-Fleck-Schneise. Klinsmann verspricht, jeden Stein umzudrehen und hält dieses Versprechen auch.

Das WM-Jahr beginnt allerdings fatal und kostet Klinsmann nach dem 1:4 in Italien fast den Kopf. Dessen Nachwehen und das Misstrauen von Medien und Fans begleiten die Mannschaft auch durch die Vorbereitung.

Luxemburg wird erst 7:0 vermöbelt, dann zeigen freche Japaner erneut die deutschen Schwächen schonungslos auf. Die Tore des Hamburgers Naohiro Takahara beim 2:2 veranlassen Kapitän Ballack und dessen Kompagnon Torsten Frings, beim Trainer vorstellig zu werden - um die zu offensive Taktik neu zu überdenken.

Das 3:0 zum Abschluss gegen Kolumbien gibt dem Verlangen der Spieler nach mehr Defensivgeist Recht. Die WM wird dann aber trotzdem wegen Deutschlands Offensivleistung zu einem emotionalen Erfolg.

Klinsmann tritt dennoch ab und macht den Weg frei für Joachim Löw.

Vorbereitung auf die EM 2008 in Österreich und der Schweiz

Der DFB macht jetzt auf modern. "Bergtour" wird das Unternehmen EM-Titel genannt, die Kadernominierung auf der Zugspitze medial durchgestylt abgewickelt.

Die Testspiele sind dagegen eher bieder. Weißrussland erkämpft in Kaiserslautern ein 2:2, Schweinsteiger bangt nach einem rüden Foul beinahe um die EM-Teilnahme. Wenige Tage später kommt es auf Schalke zu einem harten Ritt gegen Serbien, den Deutschland am Ende dank Ballack mit 2:1 gewinnt.

Die Endrunde wird von Spannungen innerhalb der Mannschaft unterwandert, trotzdem geht es bis ins Finale von Wien.

Vorbereitung auf die WM 2010 in Südafrika

Eine niederschmetternde Nachricht jagt die nächste: Löw beginnt die Vorbereitung wegen diverser Pokalendspiele in Abwesenheit von 13 Spielern, gewinnt aber trotzdem gegen Malta mit 3:0 (Doppelpack Cacau).

Dann aber geht es Schlag auf Schlag: Ballack verletzt sich am Knöchel und fällt für die WM aus. Die Bayern reisen mit einer CL-Niederlage gegen Inter im Gepäck nach Südtirol ins Trainingslager. Dort verletzt sich Christian Träsch. Nach Rene Adler und Ballack der dritte Ausfall. Sturmhoffnung Miro Klose ist nicht fit. Die Kapitänsfrage treibt die Mannschaft um, Löw bestimmt Philipp Lahm als neuen Spielführer.

Der Test in Ungarn ist ein lauer Sommerkick gegen einen drittklassigen Gegner. Deutschland gewinnt 3:0, verliert aber auch Heiko Westermann durch eine Verletzung. Die letzte Partie in Frankfurt gegen Bosnien gewinnt die deutsche Auswahl dank zweier Schweinsteiger-Elfmeter 3:1.

Beim Turnier am anderen Ende der Welt trumpft das junge deutsche Team phasenweise brillant auf, scheitert im Halbfinale aber erneut an Spanien.

Schweiz - Deutschland: Daten und Fakten zum Spiel

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