Deutschland mit erfolgreicher Aufholjagd in Kiew

Von Jochen Tittmar / Markus Matjeschk
Hummels (2.v.r.) bildete zusammen mit Badstuber und Boateng die deutsche Dreierkette
© Getty

Die deutsche Nationalmannschaft hat im Testspiel in Kiew ein 3:3 (1:3) gegen EM-Co-Gastgeber Ukraine erkämpft. Dabei kassierte das DFB-Team allerdings erstmals seit September 2008 beim 3:3 gegen Finnland wieder drei Gegentore.

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Vor 69.720 Zuschauern im Olympia-Stadion von Kiew erzielte Andrij Jarmolenko (28.) die Führung für die Ukraine, die Jewgeni Konopljanka (36.) ausbaute. Toni Kroos (38.) erzielte das Anschlusstor zum 1:2, Serhij Nazarenko (45.) konterte noch vor der Pause mit dem 3:1.

Dank der Treffer der eingewechselten Simon Rolfes (66.) und Thomas Müller (77.) reichte es am Ende aber zum Unentschieden aus deutscher Sicht. Im DFB-Tor kam Ron-Robert Zieler zu seinem Länderspiel-Debüt.

Voting Bestnote für Toni Kroos

Stimmen:

Joachim Löw: "Ich nehme viel Positives mit. Die Mannschaft hat große Moral bewiesen. Wir hatten außerdem eine unheimliche Dominanz. Ich bin nicht unzufrieden. Sicherlich kann man einige Dinge besser machen, aber heute wollte ich einfach ein paar Dinge sehen. Gegen Holland wollen wir nun einen guten Saisonabschluss."

Thomas Müller: "Wir haben bis zur Halbzeit drei Gegentore bekommen, wobei das eine ein Sonntagsschuss war und dann noch zwei nach eigenen Ecken fielen. Da haben wir natürlich schon Nachholbedarf gehabt. Nach eigenem Eckball darf man sich nicht so auskontern lassen. Das ist uns sogar in der 2. Halbzeit noch mal passiert. Da müssen wir besser aufpassen."

Ron-Rober Zieler: "Es ist schade, dass die erste Halbzeit so gelaufen ist, das stellt man sich in seinem ersten Spiel natürlich anders vor. Unsere Reaktion nach der Pause war aber gut."

SPOX-Spielfilm:

Aufstellungen:

Ukraine: Ribka - Butko, Rakyzkyi, Kutscher, Selin - Konopljanka (90.+2 Fedetskij), Tymoschtschuk, Jarmolenko (82. Alijew) - Bezus (41. Nazarenko) - Schewtschenko (67. Haj), Milewskyi (67. Devic).

Deutschland: Zieler - Boateng, Hummels, Badstuber - Träsch (46. Schürrle), Khedira (46. Rolfes), Kroos (87. L. Bender), Aogo - Özil (66. Podolski), Götze (66. Müller) - Gomez (83. Cacau)

Vor dem Spiel: Löw überrascht mit einer Systemumstellung auf Dreierabwehrkette. Keeper Zieler debütiert nach 27 Bundesligaspielen im DFB-Dress. Aogo spielt links, Träsch rechts im Mittelfeld. Erstmals dürfen Götze und Özil gemeinsam von Beginn an ran. Gomez führt die Mannschaft in seinem 50. Länderspiel erstmals als Kapitän aufs Feld.

Die Ukraine läuft mit Bayerns Tymoschtschuk im defensiven Mittelfeld und Ex-Milan-Stürmer Schewtschenko auf.

15.: Kroos setzt Gomez links im Sechzehner in Szene. Der Stürmer hält frei vor Ribka sofort mit links drauf, Ribka pariert mit dem Fuß.

28., 1:0, Jarmolenko: Nach einer DFB-Ecke kontern die Gastgeber. Götze verliert im Strafraum das Duell mit Rakyzkyi, der von der Grundlinie nach innen passt. Dort berührt Jarmolenko die Kugel leicht mit dem linken Fuß, von wo aus der Ball ins Tor trudelt.

36., 2:0, Konopljanka: Erneut verliert das DFB-Team durch Hummels die Kugel nach einem eigenen Eckball. Die Ukraine schaltet blitzschnell um, Konopljanka legt einen 60-Meter-Sprint hin, umkurvt Zieler und schiebt ins leere Tor ein.

38., 2:1, Kroos: Kroos spielt einen ungewollten Doppelpass mit Tymoschtschuk und knallt dann aus 23 Meter halbrechter Position drauf. Der Ball schlägt im linken Knick ein.

44.: Khedira mit einer Kopfball-Bogenlampe am Fünfer. Keeper Ribka verschätzt sich, der Ball springt an den Pfosten. Im letzten Moment packt der Keeper vor der Torlinie zu.

45., 3:1, Nazarenko: Der eingewechselte Nazarenko legt sich den Ball 25 Meter vor dem Tor zurecht und drischt die Kugel links oben ins Gehäuse - Traumtor.

50.: Schewtschenko rennt Aogo davon und visiert das lange Eck an. Zieler lenkt den Ball mit den Fingerspitzen um den Pfosten.

66., 3:2, Rolfes: Nach einer Ecke von rechts verlängert Hummels die Kugel ans lange Eck. Dort drückt Rolfes aus kurzer Distanz ein.

77., 3:3, Müller: Über Kroos und Aogo landet der Seitenwechsel links außen bei Müller. Der zieht nach innen und schließt ab. Ribka sieht den Ball spät, reagiert dann schwach - drin!

90.: Flanke von links an den deutschen Fünfer, Devic kommt mit rechts hin. Zieler pariert bärenstark mit dem Fuß.

Fazit: Gerechtes Remis in einem wilden Spiel. Deutschland in neuer Anordnung offensiv ordentlich, defensiv allerdings mit bisweilen eklatanten Fehlern gegen effektive Gastgeber.

Star des Spiels: Toni Kroos. Mit den meisten Ballkontakten (118) auf dem Spielfeld und einem tollen Treffer, legte zudem viermal für seine Kollegen auf. In der allgemeinen Mittelfeldrochade viel unterwegs und spielfreudig, holte sich die Bälle auch aus der Tiefe ab und stimmte sich oft gut mit Khedira ab. Defensiv im 3-4-2-1 allerdings - wie fast alle - ausbaufähig.

Flop des Spiels: Dennis Aogo. Offensiv erneut eine biedere Vorstellung des Hamburgers, zu der sich auch defensive Schnitzer gesellten. Verhielt sich beim Konter vor dem 0:2 reichlich naiv, als er annahm, dass Konopljanka nicht allein auf Zieler zugehen würde. Sah auch kurz nach Anpfiff der zweiten Hälfte im Duell mit Schewtschenko alt aus. Rückte zudem immer wieder zu spät nach innen, als es galt, Löcher zu stopfen.

Der Schiedsrichter: Carlos Velasco Carballo aus Spanien hatte wenig Mühe in einer fairen Partie und verteilte gerechte persönliche Strafen. Hätte beim Duell zwischen Götze und Rakyzkyi einen Elfmeter für Deutschland geben können (31.), beim Handspiel von Kutscher nach einem Gomez-Kopfball hätte der Elfmeterpfiff zwingend erfolgen müssen (69.).

Analyse: Erstmals unter Löw lief Deutschland mit einer Dreierkette auf, die sich bei gegnerischem Ballbesitz durch das Abkippen Aogos auf links zur Viererkette umwandelte. Träsch hielt rechts im Mittelfeld seine Seite.

Positiv: Bei Ballbesitz agierte das deutsche Mittelfeld noch einen Tick variabler als zuletzt im 4-1-4-1. Bis auf Träsch beteiligten sich alle Mittelfeldakteure am Spielaufbau aus der Tiefe, so dass es für den Gegner schwer war, die immer neu entstehenden Anspielstationen der Deutschen im vorderen Drittel zu unterbinden.

Die Ukraine zog sich früh weit zurück und wartete auf Konter. Das barg zunächst kaum Gefahr, Deutschland verzeichnete ein deutliches Übergewicht im Mittelfeld. Allerdings schaffte man es gerade über die Außen kaum, Stürmer Gomez ausreichend in Szene zu setzen.

Negativ: Die defensive Absicherung fehlte beim Doppelschlag der Hausherren nach eigenen Eckbällen komplett, das DFB-Team ließ sich zweimal amateurhaft übertölpeln. Mit dem Rückstand wurden die Löcher vor der Dreierkette zudem größer, Aogo verstand es bisweilen nicht, mit Tempo die Mitte dicht zu machen.

An diesen Begebenheiten änderte auch der zweite Durchgang nur wenig. Deutschland kontrollierte die Partie mit mehr als 60 Prozent Ballbesitz, schaffte es gegen die weiter sehr tief stehenden Gastgeber aber nur selten, das Spielfeld breit genug zu machen und blieb anfällig, wenn die Ukraine schnell umschaltete.

Erst als die Gastgeber müde wurden und die Deutschen mit den Einwechselspielern noch einmal zielstrebig nach vorne spielten, sorgten eine Standardsituation und eine Einzelleistung für das Remis.

Ukraine - Deutschland: Fakten zum Spiel

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