Ängstliche Türken und ein Plexiglas-Käfig

SID
Auf die deutschen Fans wartet ein ungemütlicher Gästeblock in Istanbul
© spox

Am Freitag trifft die deutsche Nationalmannschaft in der Istanbuler Türk-Telekom-Arena auf den Gastgeber Türkei. Während das DFB-Team das Ticket für die EURO 2012 schon gelöst hat, müssen die Türken gegen Jogis Truppe Zählbares herausholen. SPOX-Reporter Fatih Demireli begleitet das türkisch-deutsche Fußball-Fest vor Ort und erlebte am zweiten Tag äußerst pessimistische Türken. Auf die deutschen Fans wartet dagegen ein ungemütlicher Käfig.

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Merhaba aus Istanbul,

nach dem Interview-Marathon am Dienstag wurde es am Mittwoch etwas ruhiger: Nur noch zwei Live-Schaltungen zum Radio und am Abend noch der Auftritt bei "TRT Sport". Die Kollegen haben eigens ein Zweit-Studio eingerichtet, dass ich per Schalte zum anderen Studio über die deutsche Mannschaft erzählen kann.

Der Hype ist immens, das Stadion ist längst ausverkauft und aus dem Freundes- und Bekanntenkreis gibt's jeden Tag Anrufe, ob ich Tickets besorgen kann. Noch nie hat ein Länderspiel in Istanbul so hohe Wellen geschlagen.

Ich muss aber auch zugeben, dass ich die Türken schon selbstbewusster kennengelernt habe. An einen Sieg glauben die wenigsten, an ein Unentschieden nur die Optimisten.

Auf dem Weg zur Türk Telekom Arena, wo die Türkei heute öffentlich trainierte, habe ich eine anregende Radio-Diskussion mitgehört: Die Experten regten sich darüber auf, dass Guus Hiddink offen darüber gesprochen hat, dass Deutschland auf einem höheren Level als die Türkei sei. "Was willste mit so einem Mann? Der gibt doch seinen Spielern ein Alibi, wenn wir am Freitag verlieren", schimpfte ein Journalist. Ein Trainer, der einst semierfolgreich in der Süper Lig arbeitete, bejahte das Ganze: "Wenn ich das meinen Spielern sage, haben die keinen Bock mehr."

Meine türkischen Kollegen, die ich beim öffentlichen Training angetroffen habe, waren da emotionsloser. Sie sehen es nämlich so ähnlich wie Hiddink und gehen von einer deftigen Niederlage am Freitag aus. "Sag mal Fatih, wie viele Dinger bekommen wir eingeschenkt?", fragte mich mein guter Freund Bener von einem TV-Sender. Ich kenne ihn und er macht da nicht einen auf Understatement.

Doch Bener ist nicht der einzige: So ziemlich jeder im Stadion fragte nach der Begrüßungszeremonie nach der Höhe der Niederlage. Mir ist auch klar, dass die deutsche Mannschaft derzeit zur Creme de la Creme in Europa gehört und unter normalen Umständen immer der Favorit ist, aber ich bin weit davon entfernt zu glauben, dass die Türken einen auf die Mütze bekommen. Ich gehe inzwischen sogar davon aus, dass die Türken mindestens Unentschieden spielen.

Die Mannschaft trainierte vollständig - oder doch nicht? Da gab's einen, der mit Hiddink und seinem Co Oguz Cetin individuell trainierte. Das dachte ich zumindest, weil dieser emsig hin und her lief und beim Spiel "Ball in der Luft halten" unglaublich stark war: Der Bursche war aber kein Spieler, sondern Hiddinks zweiter Assitent Pierre van Hooijdonk. Schade eigentlich...

Das Stadion ist übrigens schon bereit für das große Spiel: Der Platz ist in einem 1a-Zustand und die Tribünen erstrahlen im Türkei-Look ganz in Rot. Nur eine Sache fiel auf: Der Gästeblock, von wo aus die deutschen Fans am Freitag Jogis Elf unterstützen werden, sah aus wie ein Glaskäfig. Ach was, es ist ein (Plexi-)Glaskäfig. Mag wohl eine Sicherheitsgeschichte sein, aber einladend sieht es nicht gerade aus.

So ein ähnliches Konstrukt gab's im März, als Galatasaray gegen Fenerbahce in diesem Stadion spielte. Ich war damals auch dabei und die Fener-Fans haben trotz "Käfig" richtig gute Stimmung gemacht und den Laden gerockt. Schauen wir mal, wie die deutsche Fans sich machen...

Bis morgen,

Euer Fatih

Türkei vs. Deutschland: Die Bilanz